Hingeschaut

Von Vampiren und Blutkonserven

von
Quotenmeter.de bewertet den Auftakt zur zweiten Staffel von «True Blood».

„God hates Fangs“ – diesen Satz kennen «True Blood»-Fans schon seit der ersten Folge. In einer kurzen Einstellung aus dem Intro wird dieser Spruch, frei übersetzt mit „Gott hasst Vampirzähne“, eingeblendet. In der zweiten Staffel der Vampir-Serie des US-amerikanischen Pay-TV-Networks HBO wird die Geschichte um den Konflikt zwischen der Religion und dem Vampirtum offen erzählt. Die „Gemeinschaft der Sonne“ ist eine Vereinigung, die sich gegen die Vampire verschworen hat und Gott huldigt. Der Bruder der Hauptdarstellerin Sookie Stackhouse namens Jason fällt dem Anti-Vampir-Kult zum Opfer und setzt damit auch die Beziehung zu seiner Schwester aufs Spiel. Doch er zweifelt an der Sinnhaftigkeit dieses Unterfangens. Seine rabiate, verschwenderisch sündenhafte Vergangenheit aus Staffel eins ist vorbei – nun soll also Jason zum religiösen Gutmenschen werden?

Der Zuschauer kann an einer solchen Charakterentwicklung nur zweifeln. Doch die Macher von «True Blood» wirken dieser Unglaubwürdigkeit ansatzweise entgegen, indem sie Jason selbst an dem Kult zweifeln lassen – er fällt in eine Art Lebenskrise und erkennt, dass die Kirche nur ein Versuch sein soll, um seine Aufgabe im Leben zu finden. Doch es ist schon fast zu spät zum Ausstieg, denn Jason steigt innerhalb des Kults schnell in höhere Machtpositionen auf. Derweil werden Sookies und Bills Beziehung auf harte Proben gestellt, weil sie immer mehr von der dunklen Vergangenheit ihres Vampir-Lovers erfährt. Dennoch entwickelt sich die Romanze in den ersten Folgen der zweiten Staffel zu einer fast normalen und menschlichen Beziehung mit ihren Hochs und Tiefs, ihren üblichen Streitereien und Versöhnungen. Eine Weiterentwicklung der Paargeschichte um Sookie und Bill sieht man noch nicht, denn HBO-typisch reduziert man das Erzähltempo der Hauptprotagonisten auf ein Minimum inmitten der Serie.

Ausgeglichen wird dies durch eine stärkere Hervorhebung der Nebencharaktere. Vampirchef Eric, der immer mehr Gefallen an Bills Freundin findet, treibt verbrecherische Spiele im Keller seines Anwesens – und Lafayette, Ex-Koch der Bar „Merlotte’s“ und illegaler Vampirblut-Dealer, wird sein Opfer. Die Entwicklung des frechen, sprücheklopfenden und coolen Lafayette hin zu einem gepeinigten und ausgenutzten Wrack ist wohl die bisher krasseste in den ersten Episoden der zweiten Staffel. Und zudem noch eine sehr interessante und folgenschwere, weil sie aufzeigt, wie die Vampire scheinbar immer schneller die Grenzen zu den Menschen überschreiten und eine immer größere Stellung in der Gesellschaft einnehmen. Nicht zuletzt deswegen fordert der gefangene Lafayette Eric und seine Kumpanen auf: „Macht mich zum Vampir!“

Es scheint also, dass ein Krieg zwischen den Vampiren und den Menschen heraufbeschworen wird – immer wieder wechseln die Macher der Serie zwischen der nun in der Story etablierten Menschen-Partei des religiösen Kultes sowie der Vampir-Partei um den verbrecherischen Eric. Das Meisterstück der Serie ist also auch nach Staffel eins weiterhin, dass der Zuschauer einfach nicht weiß, auf welche Seite er sich stellen soll. Diese Ambivalenz und Bipolarität zweier Mächte macht «True Blood» auch in der zweiten Staffel zu einem wahren Fernsehvergnügen.

Kameraeinstellungen und –fahrten bewegen sich auf dem üblichen Niveau und bieten größtenteils nicht die hervorragende Klasse, die auf der inhaltlichen Ebene erreicht wird. Vereinzelte tolle Szenen, wie die erste der zweiten Staffel, täuschen nicht über den insgesamt eher durchschnittlichen Gesamteindruck der Bilddarstellung hinweg. Am Ende der vierten Episode gelingt der Produktion allerdings doch noch ein Glanzstück: Die wilden Partyorgien der vermeintlichen guten Seele Maryann werden glamourös und atemberaubend in Szene gesetzt. Weiterhin von erster Klasse ist auch der Soundtrack, der alle Musikrichtungen bedient und sich hervorragend in das Bildgeschehen integriert. Auch die schauspielerischen Leistungen bewegen sich HBO-typisch auf höchstem Niveau.

Die ersten vier Folgen der zweiten Season machen «True Blood» endgültig zu einem epischen Spektakel, das nun auf eine langfristige Produktion ausgelegt zu sein scheint, denn viele neue Handlungsfäden, spannende neue Charaktere und die sogenannte inhaltliche „Ruhe vor dem Sturm“ zeigen in diesen ersten Folgen, dass HBO mehr als ein weiteres Jahr mit dieser Serie plant. Kein Wunder, denn nach der nur mäßig erfolgreichen ersten Season wurde «True Blood» mit der zweiten Staffel zum absoluten Publikumshit und zur erfolgreichsten HBO-Serie nach dem Ende der «Sopranos». Die dritte Staffel läuft im Sommer 2010 in den USA, eine vierte ist in Planung. «True Blood» ist ein wildes Abenteuer jenseits des anhaltenden Vampir-Hypes. Ohne ihn hätte es diese Serie nicht gegeben, aber sie setzt sich überzeugend als erwachsenes und brutales, ja sogar authentisches Gegenstück zum «Twilight»-Einheitsbrei ab. Und sie schafft das, was fast allen anderen TV-Serien vorbehalten bleibt: den Zuschauer süchtig zu machen. Zwar nicht nach Vampirblut, aber immerhin nach der nächsten Folge.

13th Street zeigt die zweite Staffel von «True Blood» samstags um 20.13 Uhr mit Doppelfolgen in deutscher Erstausstrahlung.

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