Pro von Marco Croner:
Gotthold Ephraim Lessing hat einmal geschrieben, nur jene Sache sei verloren, die man selbst aufgibt. Treue «One Tree Hill»-Anhänger werden diese Hommage an Lucas Scott mit Sicherheit verstehen, obgleich jeder einzelne Leser die offensichtliche Gesinnung zu ergründen weiß. Fest steht: Noch sollte man die Tree Hill Ravens – sinnbildlich für alle liebenswürdigen Charaktere des Serien-Kosmos – nicht aufgeben. Nocht besteht Hoffnung auf Erfolg; Potential ist immerhin in eminenter Menge vorhanden.
Erstausstrahlungen sind im derzeitigen Augenblick noch Mangelware, weshalb man aus Sicht der Einschaltquoten mit dem Beginn der dritten Staffel definitiv kräftig an Fahrt aufnehmen sollte. Die Gegenseite wird an dieser Stelle mit folgenden Annahmen aufwarten: Auf Grund der DVD-Veröffentlichung sei auch in naher Zukunft nicht mit höheren Werten zu rechnen. Zudem würde VOX unter keinen Umständen eine umfassende Zeitspanne an einer Serie mit derart desaströsen Quoten festhalten – Wer könnte es der Kölner Sendeanstalt auch verdenken? Jedweder aufmerksame Beobachter kann. Nun sollte im Prinzip eine Schweigeminute für das «Frauenzimmer» gehalten werden. Kein Zweifel, im Programm der roten Sieben ertrank das Format ebenso in roten Zahlen, doch zum einen kann man diesbezüglich zu keinem Zeitpunkt von einer Basis des Vertrauens sprechen, andererseits werden die ersten Episoden, produziert in den Jahren 2002 und 2003, den aktuellen Zeitgeist mutmaßlich verfehlen.
Allerdings spielen diese zwei Sender in Hinsicht auf die werberelevante Zielgruppe durchaus in unterschiedlichen Ligen. Mit einem Blick auf die anderen Bruchteile des betreffenden Nachmittagsprogrammes wird deutlich, dass sich auch «The Guardian» oder die «Gilmore Girls» nur geringfügig besser schlagen: Niemand wird diskreminiert, alle Formate finden sich für gewöhnlich gemeinsam unter dem Senderschnitt ein. Wo also liegen die Alternativen? Vorerst nirgends. Man sollte schlicht und einfach weiter Glaube in «One Tree Hill» setzen, der Sendung mehr Zeit gewähren.
Im Dreh von Jahr drei zu Nummer vier befand man sich in Tree Hill auf dem erzählerischem Zenit der Unterhaltung. Das Publikum sollte in den Genuss dieser Geschichten kommen, die durchaus ein weites Spektrum abdecken, von Sport, über die Themen der Liebe und Freundschaft, bis hin zum ultimativen Antagonisten Dan Scott. «One Tree Hill» steht im Zeichen einer stetigen Steigerung und mit nur etwas Glück (sowie der Erkenntnis, dass sich hinter der Konkurrenz «Familien im Brennpunkt» & Co. der Antichrist verbirgt) werden dies auch die künftigen Einschaltquoten. Für VOX könnte die Serie früher oder später zu einer sicheren Bank avancieren. Notwendig ist jedoch wie so oft Geduld.
Contra von Manuel Weis:
Erläutert wurde das Grundproblem der Serie «One Tree Hill» in Deutschland schön des Öfteren: Es sind mehrere Ursachen, die aktuell verhindern, dass das Programm hierzulande ein Erfolg wird. Zunächst einmal haben die deutschen Fernsehmacher das Projekt viel zu spät entdeckt. «The O.C.» kam unmittelbar nach Serienstart in die Bundesrepublik und auch das nun zumindest halbwegs erfolgreiche «Gossip Girl» startete nur wenige Monate nach der US-Premiere bei uns. «One Tree Hill» hatte schon fünf Staffeln auf dem Buckel, als es seinen Weg nach Deutschland fand. Das heißt gleichzeitig aber auch, dass die Folgen schon fünf Jahre alt waren. Bemerkbar macht sich dies nicht nur im Aussehen und der Mode der Darsteller, sondern auch in Sachen Erzähldichte und beim grundsätzlichen Aufbau der Plots. «One Tree Hill» kommt also etwas angestaubt daher.
Das ist nicht das einzige Problem: Die Serie verknüpft eine klassische Liebesgeschichte – zwei Brüder verlieben sich in ein Mädchen – mit dem Männersport Basketball, der vor allem in der ersten Staffel einen richtig großen Part einnimmt. In den USA funktionierte dieser Kniff der Macher – dort ist die Begeisterung für den Korbsport deutlich größer als hier. Basketball interessierte die Jungs, die Liebesgeschichte die Mädchen. Beide Geschlechter waren aber auch von dem jeweils anderen nicht so genervt, dass sie abschalteten. In Deutschland findet die Masse der Jungs Basketball nicht gut und auch die Mädels können sich nur wenig dafür begeistern. Die Folge: Schlechte Quoten bei ProSieben, schlechte Quoten nun auch bei VOX.
In die Zukunft blicken kann niemand: Fakt ist aber, dass sich «One Tree Hill», das derzeit bei dreieinhalb bis vier Prozent Marktanteil in der Zielgruppe herumkrebst, deutlich steigern müsste. Doppelt so hohe Werte würden VOX glücklich machen – aber ist das möglich? Bis zu den Staffeln drei oder vier vermutlich nicht. Betrachtet man den Inhalt, so erreicht die Serie mit diesen Folgen ihren qualitativen Höhepunkt, was sicherlich auch eine Steigerung der Einschaltquoten mit sich bringen würde. Bis zu Staffel vier oder fünf könnte man also sagen: Je neuer die Folge, desto besser die Quote. Aber: «One Tree Hill» müsste sich so extrem verbessern, dass die Wahrscheinlich dafür wohl doch eher gering ausfällt.
Problematisch ist auch, dass neuere Staffeln selbst von eingefleischten Fans nicht mehr ganz so sehr geliebt werden – eine große Änderung im Cast beispielsweise verunsicherte selbst große Anhänger. Sollte es eine achte Staffel der Serie geben – in den USA wurde darüber noch nicht entschieden – könnten weitere wichtige Figuren fehlen. Nicht zuletzt drückt natürlich auch die Tatsache die Zuschauerzahlen, dass fünf Staffeln in Deutschland schon veröffentlicht sind und die sechste Anfang März erscheint. DVDs von Serien sind zwar ein teures Gut, wie im Falle von «One Tree Hill» aber eben lange die einzige Möglichkeit, ein Format unabhängig von Absetzungsgedanken der TV-Sender zu verfolgen. Und genau deshalb wird die Teen-Soap auch weiterhin einen richtig schweren Stand in der deutschen Fernsehlandschaft haben.