Im Jahr 2010 hat die Academy anstatt sonst fünf gleich zehn Filme für die Kategorie „Best Picture“ nominiert. Dieser Schritt zur Verdopplung der Anzahl der Nominierten wird laut des damaligen Oscar-Präsidenten Sid Ganis deswegen gegangen, um auch Animationsfilmen und Independent-Streifen die Chance zu geben, in der wichtigsten Kategorie eine Chance zu bekommen und die Würdigung zu erhalten, die sie verdienen. Und tatsächlich gab es in der Vergangenheit immer wieder große Kritik bei dem Nominierungsprocedere, beispielsweise bei den Oscars 2009, als «Wall-E» nicht in der Kategorie „Best Picture“ auftauchte. Schon in der Anfangsphase der Oscar-Verleihung gab es mehr als fünf Nominierte auf diesen Preis. Quotenmeter.de stellt im Rahmen seiner Oscar-Themenwoche nun die zehn Anwärter auf den besten Film des Jahres vor.
«Avatar»
Die Geschichte spielt im Jahr 2154. Die Rohstoffe der Erde neigen sich dem Ende zu, weshalb die Menschen auf einem Planeten namens Pandora alternative Rohstoffe abbauen. Auf dieser Welt lebt die naturverbundene Rasse der Na’vi – um Kontakt mit diesen Wesen aufzunehmen, gibt es das sogenannte Avatar-Programm, das aus einem Menschen ein Ebenbild eines Na’vi macht, einen Avatar also. Der Veteran Jake Sully nimmt an dem Programm teil, um Geld für eine notwendige Wirbelsäulenoperation zu bekommen. Er taucht ein in eine völlig fremde Welt und befindet sich bald inmitten eines unvermeidbaren Krieges zwischen den Menschen und den Na’vi. «Avatar» ist mittlerweile vor «Titanic» der erfolgreichste Film aller Zeiten mit knapp 2,5 Milliarden Dollar Einspiel. Normalerweise schert sich die Academy nicht um Zahlen und Popularität – beispielsweise war der erfolgreichste Film 2008, «The Dark Knight», bei den Oscars fast gar nicht vertreten. Aber Cameron ist Cameron und «Avatar» war als Nominierung so gut wie gesetzt. Auch wenn das imposante und bildgewaltige Sci-Fi-Spektakel storymäßig größtenteils abkupfert ist, so verdient es seine Würdigung als 3-D-Blockbuster mit großartiger Regiearbeit von James Cameron.
«The Blind Side»
Der Film erzählt die Geschichte des jugendlichen Afroamerikaners Michael Oher, der im Leben keine Heimat und keinen Erfolg zu finden scheint. Er wird von Pflegefamilie zu Pflegefamilie geschickt und sieht keine Zukunftsperspektive, bis plötzlich sein großes Talent für Football erkannt wird und Oher auf einmal die Chance bekommt, zu einem großen Football-Star aufzusteigen. Die Entwicklung zu einem Profisportler lässt Oher nicht nur wieder an sich selbst glauben, sondern sie verändert auch das Leben seiner Pflegefamilie. Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit, die Schriftsteller Michael Lewis im Jahr 2009 in Buchform veröffentlichte. Im gleichen Jahr brachte Regisseur John Lee Hancock den Stoff auf die große Leinwand.
«District 9»
«District 9» ist einer der kommerziellen und qualitativen Überraschungshits des Kinojahres 2009 und nach «Avatar» der zweite Science-Fiction-Film, der in der populären Oscar-Kategorie nominiert wurde. In dem Streifen wird der Absturz eines außerirdischen Raumschiffes im Jahr 1982 über Johannesburg in Südafrika gezeigt. Die Menschen finden in dem UFO insektoide Wesen vor, die „Shrimps“ getauft werden. 28 Jahre später hat sich die Absturzstelle zu einer militarisierten, slumähnlichen Zone entwickelt, eingeschlossen in ein streng bewachtes Ghetto namens „District 9“. Nun wollen die Menschen die extraterrestische Gesellschaft umsiedeln, in Wahrheit sind sie auch an der Waffentechnologie der Außerirdischen interessiert. Doch die Mission um den Militär-Anführer Wikus van de Merwe wird schwieriger als geplant. Und er selbst wird unwissentlich zur Zielscheibe der ganzen Welt, als er versehentlich mit einer Flüssigkeit in Berührung kommt, die ihn langsam zum Alien werden lässt. Und damit zum einzigen menschlichen Wesen, das die außerirdischen Waffen benutzen kann. «District 9» gestaltet sich als intelligentes und gleichzeitig unterhaltendes Sci-Fi-Kino mit gesellschaftskritischem Einschlag. Nicht ohne Grund wurde das südafrikanische Johannesburg als Schauplatz ausgewählt – die Story erinnert stark an die wirkliche, institutionalisierte Rassentrennung in Südafrika bis zum Ende des 20. Jahrhunderts. Produzent des im Mockumentary-Stil gedrehten Films ist «Herr der Ringe»-Regisseur Peter Jackson; Vorlage für den Streifen ist der Kurzfilm «Alive in Joburg», der 2005 von Neill Blomkamp, der nun auch Regisseur von «District 9» war, realisiert wurde. Die Nominierung in der wichtigsten Oscar-Kategorie ist eine der größten Überraschungen bei den diesjährigen Academy Awards, der Gewinn des Preises wäre eine Sensation.
«An Education»
Die 16-jährige Jenny scheint ein tolles Leben zu haben: Sie ist hübsch, engagiert, intelligent und hat gute Aussichten auf eine Karriere an der englischen Elite-Universität Oxford. Eines Tages lernt sie den Dandy David Goldman kennen, der mehr als doppelt so alt wie sie ist, aber unbedingt eine romantische Beziehung mit ihr beginnen will. Fortan verbringt sie eine tolle Zeit mit ihrem neuen Freund; er geht mit ihr in Jazzbars, besucht kulturelle Veranstaltungen und entführt sie auf einen Trip nach Paris, wo er ihr einen Heiratsantrag macht. Doch langsam bröckelt das integere Bild des Lebemanns Goldman, und Jenny muss sich schließlich entscheiden, ob sie ihr Leben mit ihm verbringen will oder die biedere Karriere in Oxford beginnt. Das Drehbuch von «An Education» stammt vom britischen Schriftsteller Nick Hornby, der mit Werken wie «Fever Pitch», «Slam» und «About A Boy» zu den gefeierten Ikonen der Popliteratur zählt. Auch sein Drehbuch zu dem Film ist in der Oscar-Kategorie „Bestes Drehbuch“ nominiert. Filmregisseurin Lone Scherfing wurde mit dem Streifen «Italienisch für Anfänger» aus dem Jahr 2000 bekannt.
«The Hurt Locker»
2004, Irak. Im Land tobt der Krieg, die von der US-Regierung ausgerufene Operation „Enduring Freedom“. Doch um Frieden im Land des früheren Diktators Saddam Hussein herzustellen, muss Krieg geführt werden. Der Film entführt den Zuschauer auf die emotionale Ebene des Schreckens, er zeigt den Krieg aus der Perspektive des Elitesoldaten William James, der als Bombenentschärfer seinen Dienst verrichtet und seinen Vorgänger ersetzt, der bei einer Entschärfung ums Leben gekommen ist. Das Problem: Er selbst ist kein Freund des Krieges, und die Moral seines Teams ist am Boden. Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Heimreise in die USA, doch James will und muss seine Mission ordentlich erfüllen. In Deutschland ist der Film unter dem Titel «Tödliches Kommando – The Hurt Locker» bekannt. Schon im Vorfeld machte der Streifen Schlagzahlen: Zunächst positiv als heißer Oscar-Favorit auf den besten Film, dann negativ, als zuletzt herauskam, dass Co-Produzent Nicolas Chartier in einer E-Mail seine Kollegen dazu aufgerufen hat, massiv für den Film bei der Academy-Jury zu werben. „Wenn jeder einem oder zwei Freunden sagt, dass wir gewinnen sollen, dann werden wir gewinnen und nicht ein 500 Millionen Dollar Film (gemeint ist «Avatar», Anm.), wir brauchen für den Sieg solche Independent-Filme wie du und ich sie machen, also wenn du glaubst, dass «The Hurt Locker» der beste Film 2010 ist, dann hilf uns bitte.“ Einem Sturm der Entrüstung folgend, entschuldigte sich Chartier schnell mit einer weiteren Mail, in der er seinen ursprünglichen Aufruf als „extrem unangemessen“ bezeichnete. Ob es eine Strafe seitens der Oscar-Jury gibt, steht noch aus. Mit der Aktion wird sich «The Hurt Locker» allerdings wohl die Chancen auf den Gewinn des Preises „Bester Film“ verspielt haben. Allerdings ist der Streifen in noch acht weiteren Kategorien nominiert.