Altgediente RTL-Reihen wie «Wer wird Millionär» fallen derzeit unter den Schnitt. Ein Grund für die Misere: RTL ist zu erfolgreich.
Statistisch gesehen liegt die durchschnittliche Schuldenhöhe in überschuldeten deutschen Haushalten bei über 33.000 Euro. Ein Kleckerbetrag gegen die Verbindlichkeiten mancher deutscher Sender.
Seit einigen Wochen ist Peter Zwegat wieder im Auftrag von RTL unterwegs, um verschuldeten Menschen unter die Arme zu greifen - sowohl solchen, denen übel mitgespielt wurde als auch denen, die mit der Fehlersuche lieber in ihren eigenen vier Wänden beginnen sollten, weil sie ihr Geld mit waghalsigen Finanzaktionen, aberwitzigen Geschäftsideen oder teuren Sammelleidenschaften selber aus dem Fenster warfen. Dabei hat Peter Zwegat gerade ganz andere Probleme, denn die eigene Serie läuft derzeit ähnlich schlecht wie die Geschäfte seiner wöchentlichen Schützlinge. Mittlerweile recht deutlich unter dem Senderschnitt von RTL läuft «Raus aus den Schulden» und steht somit kurz vor der Quoten-Insolvenz. Die Reihe wieder auf Kurs zu bringen dürfte die bislang größte Herausforderung für den Finanzexperten werden.
«Raus aus den Schulden» gehört zu der Gruppe der, die mit der Fehlersuche bei sich selbst beginnen müssen. Denn die Zuschauer kehren der einstigen Erfolgssendung den Rücken. Offenbar hat sich das Format überlebt. RTL hat aber auch hilfebedürftige Kandidaten der anderen Kategorie: Sendungen, die ohne eigene Schuld in die Quotenfalle gerieten. Und das aus einem auf den ersten Blick erstaunlichen Grund: RTL ist zu erfolgreich.
Am vergangenen Montag erreichte Quizshow-Veteran «Wer wird Millionär?» in der Zielgruppe einen Marktanteil von 17,4 Prozent. RTL kommt in diesem seit September laufenden Fernsehjahr auf einen Schnitt von 18,1 Prozent. Und schon fällt gegenüber Günther Jauchs modernem Klassiker das böse Wort: unterdurchschnittlich! Dabei hat nicht nur «WWM» in den letzten Jahren an Quote eingebüßt, sondern auch der Schnitt, der gerne als Sollwert herangezogen wird, liegt derzeit einfach ungewöhnlich hoch. 17,4 Prozent - das hätte in den vergangenen fünf Jahren immer gereicht, um auf der Sonnenseite der Quotengrenze zu stehen. Und natürlich ist mal wieder das Trash-TV schuld.
Mit Scripted-Reality-Serien wie «Verdachtsfälle», «Familien im Brennpunkt» und «Die Schulermittler», also Serien mit den Qualitätsstandards einer abgefilmten 5-Minuten-Terrine, die zu lange in der Sonne stand, holt RTL seit Monaten Rekordquoten im Nachmittagsprogramm und auch wenn der Nachmittag durch seine geringeren Zuschauermassen nicht allzu sehr ins Gesamtgewicht fällt, die Auswirkungen können sich trotzdem als enorm entpuppen. Die anderthalb Prozentpunkte, die RTL fast aus dem Nichts zugelegt hat, müssen ja irgendwoher kommen. Ich habe das vereinfacht in einer Grafik dargestellt:
Das Beispiel ist fiktiv und kräftig vereinfacht, lediglich die Durchschnitte entsprechen denen von RTL in der aktuellen und letzten TV-Saison. Alle Punkte gehen gleichgewichtet in den Durchschnitt ein, der Abend - die Punkte können als Sendungen eines Abends interpretiert werden - hat hier also sechsfaches Gewicht gegenüber dem Nachmittag. Man sieht: Ein großer Erfolg am Nachmittag, hier eine Steigerung von 15 auf 26 Prozent, und schon beginnt die Primetime zu schwimmen. RTL werden die guten Quoten aber recht sein; auch um «Wer wird Millionär?» braucht man sich keine Sorgen machen. Und wenn Peter Zwegat das Aus ereilt - bei Sat.1 nimmt man ihn sicher mit Kusshand. Ob als Sendergesicht oder eher hinter den Kulissen ist eine andere Frage.
Der Effekt funktioniert übrigens auch umgekehrt, was derzeit vor allem Fans der US-Serie «Chuck» freut. Die Serie lief hierzulande auf ProSieben mit eher mäßigem Erfolg und in den USA sah es im letzten Frühjahr nicht anders aus. Nach der zweiten Staffel brauchte es in den USA lange Verhandlungen und große Fanproteste bis schließlich mit deutlichen Einschnitten doch noch eine weitere geordert wurde. Verbessert hat sich an den Quoten nichts und trotzdem sehen «Chuck»-Fans der Zukunft nun gelassen entgegen. Denn katastrophale Fehlentscheidungen seitens NBC wie Jay Lenos gescheitertes Latenight-Experiment zur Hauptsendezeit rissen den Schnitt des Senders so in den Keller, dass «Chuck» seine Spionagemissionen urplötzlich als lachender Dritter absolviert.
Aber Vorsicht: Auf's wahre Leben übertragen lässt sich das nicht. Davon, dass der Staat Rekordschulden macht, verschwinden die eigenen Verbindlichkeiten keineswegs.
Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe