Viele neue Serien verzichten mittlerweile auf Intros. Eine Hommage an dieses aussterbende Stilmittel.
Früher gehörte das Intro zu einer Serie wie die Röhre zum Bildschirm. Doch neue Programme verzichten immer öfter auf eine kunstvolle Einführung ihrer neuen Episode und sind oft so nichtssagend, dass man auf sie gleich verzichten könnte. Dazu gehören beispielsweise die Intros der modernen Mystery-Serien wie «Fringe», «Lost» oder «FlashForward», die schon in ihren sehr kurzen Einführungssequenzen nichts über die Serie verraten – und damit die Zuschauer wie in der Serie selbst im Dunkeln tappen lassen. Aber auch andere Drama-Serien verzichten auf längere Opener: Der neue US-Hit «Glee» kommt fast komplett ohne aus, nur eine zweisekündige Title Card mit der Aufschrift des Sendungstitels verrät, dass die Episode nun beginnt. Aber auch die meisten anderen 2009 in den USA gestarteten Serien lassen das Intro nahezu aussterben: «The Good Wife» begnügt sich mit zwölf Sekunden, «Eastwick» kommt mit fünf Sekunden aus, das «Vampire Diaries»-Intro beschränkt sich wie bei «Glee» auf den Sendungstitel.
Schon in den 90er Jahren begann auch bei Comedyserien langsam und stetig der Verfall der Intros. Ein Husarenstück inszenatorischer Minimalistik war der «Frasier»-Opener, der wenige Sekunden in einer Art Skizze die Skyline von Seattle zeigte und damit die neueste Episode eröffnete. Genau das Gegenteil war das Intro des «Frasier»-Vorgängers «Cheers» aus den 80ern und frühen 90ern: Dieses dauerte eine ganze Minute gehört zu den besten Comedy-Intros aller Zeiten – es vereint in wunderbaren Zeichnungen und einem einprägsamen Song die Melancholie des Alltagslebens und die Stammkneipe (in diesem Fall eben das fiktive „Cheers“) als Rückzugspunkt einer sich entfremdenden Gesellschaft. Heute sind Comedy-Intros rar: Viele der 2009 in den USA gestarteten Sendungen wie «Accidentially on Purpose», «Modern Family» oder «Cougar Town» haben maximal 15 Sekunden lange Opener.
Aber warum stirbt das Intro aus? Zum einen können dadurch natürlich Produktionskosten eingespart werden – ein gutes Intro kostet ja auch Geld. Zum anderen – und das ist der viel wichtigere Punkt – kommt es im heutigen Fernsehgeschäft auf jede Sekunde an. Ein langes Intro kann Zuschauer verschrecken. Sie zappen weg und sind für die Serie verloren. Das Intro ist ein Relikt aus einer Fernsehzeit, in der man sich noch Zeit für Bilder gelassen hat. Zeit dafür, in diesen 30 oder 45 Sekunden die Prämisse der gesamten Sendung unter einem audiovisuellen Banner zu subsumieren.
Das Intro wird wohl bald von der Bildfläche verschwinden, genauso wie das Outro vor vielen Jahren. Dann erwarten den Zuschauer karge Einblendungen des Sendungstitels in minimalistischer Form oder ein vielleicht fünfsekündiger Opener. Es gibt schlimmere Entwicklungen im Fernsehbusiness, aber dennoch geht durch das Ende des Intros ein Stück TV-Kultur verloren. Fans verbinden ihre Serie oft mit dem Intro – dieses ist das Bindeglied zwischen allen Episoden, das wiederkehrende Stück Bildschirmheimat, auf welches sich der Zuschauer Woche für Woche freuen kann. Erinnern wir uns bloß an solch einprägsame Meisterwerke wie die Opener von «Akte X», «CSI: Miami», «Miami Vice», «Knight Rider», «Alf» oder des berüchtigten «Baywatch». Diese Serien wären ein Stück ärmer ohne ihre Intros gewesen.
Ein Lob gebührt schließlich noch dem Pay-TV-Network HBO, das weiterhin auch bei seinen neuen Serien dem Intro als Heiligtum der Serie huldigt: Die Opener von Programmen wie «True Blood», «Deadwood», «Hung» oder «How To Make It In America», die nicht nur inszenatorische Meisterwerke sind, sondern auch teilweise einen Interpretationsspielraum in der Hinsicht lassen, als dass man sich selbst nach der Intention der Produzenten fragt, gehören zum Besten, was dieses Stilmittel je zu bieten hatte. Hoffen wir, dass es auch weiterhin so bleibt.
Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.