Popcorn & Rollenwechsel

Ostereiersuche, Hollywood-Style

von
Was haben Ostereier, Krimis und Hollywood-Werbestrategien gemeinsam?

Osterzeit, Eierzeit. Irgendwann im Verlauf der Feiertage stürmen Kinder mit strahlenden Blicken durch den Garten ihrer Eltern und gehen auf die Suche nach bunt angemalten Eiern, eiförmiger Schokolade und schokoladigen Hasen, allesamt Präsente des schwer beschäftigten Osterhasens.

Egal ob groß oder klein, der Mensch hat Freude daran auf die Suche zu gehen und entsprechend belohnt zu werden. Sei es die alljährliche Suche nach Ostereiern oder das manische Herumfriemeln an der Fernbedienung, wenn eine neue DVD mit so genannten “Easter Eggs” erschienen ist. Und auch der Genuss eines Krimis ist so gesehen nichts anderes: Man sucht nach Spuren, die zum Mörder führen, man hofft den Fall vorzeitig zu knacken. Wenn es gelingt, schimpft man den Autoren als unfähig aus, aber man fühlt sich clever und ist deswegen tief in seinem Inneren glücklich.

Diesen inneren Drang zum Suchen und die beim Finden entstehende Glückseligkeit, nutzen die Werbeexperten in Hollywood, gerissen wie sie sind, dadurch aus, dass sie die Filmfreaks auf dieser Welt mit immer ausgeklügelteren viralen Aktionen umgarnen. Und man kann ihnen nicht böse sein, immerhin machen solche Marketingstrategien im Regelfall auch dem “Opfer” Spaß, während Durchschnittswerbung in den meisten Fällen bloß nervt. Einer der Meister des viralen Marketings ist J. J. Abrams, dessen Monsterfilm «Cloverfield» anfangs ohne Filmtitel beworben wurde. Die Neugier des Publikums, welcher Film sie am bekannt gegebenen Starttermin (dem 18. Januar 2008) erwartet, wurde durch eine rätselhafte Webseite und Hinweise auf sozialen Webseiten weiter angetrieben.
Solche Spielereien, wie etwa Internetseiten, auf denen Hinweise aufgespürt werden müssen, um an Filmszenen oder Plotinformationen zu kommen, entwickeln sich immer weiter zu einem Standard in Hollywood. Relativ selten jedoch übertragen sich diese digitalen Hinweissuchen auf die reale Welt.

Bisheriges Paradebeispiel für eine Verbindung von virtueller und reeller Filmpromotion-Schnitzeljagd ist wohl unbestreitbar das Marketing für Christopher Nolans Milliardenerfolg «The Dark Knight». Kampagnenwagen, die für den fiktionalen Politiker Harvey Dent warben und dem Joker gewidmete Webseiten, die zu Schnitzeljagden führten, machten auf den Film heiß und gaben stückweise neues Bild- und Filmmaterial preis. Dieses Jahr schickt sich allerdings ein Film an, «The Dark Knight» den Rang abzulaufen und ein noch massiveres virales Marketing auf die Beine zu stellen: «Tron Legacy», die Fortsetzung des 1982 veröffentlichten Kult-Sci-Fi-Films «Tron». Letztes Jahr erhielten einige registrierte Besucher der Comic Con in San Diego, die größte Ausstellung für Sci-Fi-, Comic- und Horrorbelange, Arcade-Spielmünzen zugeschickt. Wie sich in San Diego angekommen herausstellte, wurden über die ganze Stadt Hinweise verteilt, die zu einem Nachbau der Videospielarcade aus «Tron» führten, wo hinter einem der Spielautomaten ein Geheimgang zu finden war, der zu einem Raum führte, in dem Requisiten aus «Tron Legacy» ausgestellt wurden.

Und dieses Wochenende fand eine Pressekonferenz der fiktiven Videospielfirma Encom statt, zu dem man idealerweise mit Encom-Ausweisen erscheinen sollte, die man in einem Onlinequiz gewinnen konnte. Diese Pressekonferenz wurde dann, geplanterweise, von Protestlern lautstark unterbrochen, und auch ein im typischen «Tron»-Design gehaltener Hubschrauber tauchte auf, aus dem dann ein Fallschirmspringer sprang. Im Internet gut versteckte Hintergrundvideos klärten nach dieser Aktion über die Identität des Fallschirmspringers auf. Für die bald anstehende Comic Con sollen noch umfangreichere Aktionen geplant sein, die eine Verbindung aus Internet-Rätseleien und echten Events bemüht. So erhielten einige «Tron»-Fans, die sich letztes Jahr auf eine Adressliste eintrugen Nachbildungen der Figur Bit aus dem Film von 1982. Werden diese Figuren etwa noch eine ähnliche Bedeutung haben wie die Arcade-Spielmünzen?

“Wozu das Ganze?”, fragt der kritische Leser. Solche Aktionen bringen, Augenzeugenberichten zufolge, den Teilnehmern jede Menge Freude. Außerdem vertiefen sie die fiktive Welt des beworbenen Films und heizen die Mundpropaganda an, ohne zu viel über den Film zu verraten. Es ist eine originelle Marketingstrategie, die den Film zu einem Eventfilm erhebt. Fragwürdig ist jedoch, wie erfolgreich sie sind. Eigentlich werden damit nur Leute angesprochen, die bereits vom Film wissen und sich so intensiv mit ihm beschäftigen, dass man davon ausgehen kann, dass sie ihn sich auch im Kino ansehen werden. Können Hollywoodstudios so tatsächlich weitere Publikumsgruppen gewinnen? Ich glaube nicht. Allerdings hoffe ich, dass sich das nicht nach bis Hollywood herumsprechen wird. Solche viralen Aktionen lassen sich viel zu amüsant verfolgen, als dass sie wegen mangelndem Erfolgs eingestellt werden sollten.

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