In den kommenden Tagen starten mehrere neue deutsche Serien, das von Kritikern hochgelobte «KDD» kehrt ins Programm zurück. Quotenmeter.de widmet sich eine Woche lang dem Thema "Deutsche Serie", beleuchtet es von unterschiedlichen Seiten. Zu Beginn der Themenwoche blickt das Online-Medienmagazin zurück: Lange Zeit ließen sich die deutschen Zuschauer fast ausschließlich von heimischen Serien unterhalten. Mittlerweile ist aus dem Programm der Privatsender die klassische deutsche Serie nahezu verschwunden. Wie kam es zu dieser Krise?
Es ist noch nicht allzu viele Jahre her, dass ganz Fernsehdeutschland mit TV-Serien aus der eigenen Heimat den Abend verbrachte. Zugegeben: Heute schauen immer noch Millionen Zuschauer deutsche Serien. Doch diese Menschen sind meist über 50 Jahre alt, also außerhalb der werberelevanten Zielgruppe, was nichts anderes heißt, als dass die privaten Sender fast gar nicht mehr auf eigene Serienware setzen, sondern lieber jüngere, actionreichere Formate aus dem Ausland importieren.
Seit Mitte der 2000er ist die deutsche Serie bei den Privatsendern so gut wie ausgestorben, mit Ausnahme der Daily-Soaps und Telenovelas, die weiterhin am Vorabend ihr Dasein fristen. Doch die klassischen wöchentlichen Programme wie einst «Kommissar Rex», «Balko» oder «Edel & Starck» findet der Zuschauer meist vergebens. In den 90er Jahren begeisterten besonders in Sat.1 eigenproduzierte Formate wie «Der Bergdoktor» (1992-1997), «Ein Bayer auf Rügen» (1993-1996), «SK Kölsch» (1997-2006), «Kommissar Rex» (1994-2004) oder «Wolffs Revier» (1992-2006) nicht selten mehr als fünf Millionen Zuschauer mitsamt des jungen Publikums. Auch RTL produzierten u.a. mit Serien wie «Balko» (1994-2003), «Der Clown» (1996-2000), «Doppelter Einsatz» (1993-2007), «Dr. Stefan Frank» (1992-2003) oder «Medicopter 117» (1998-2006) große und langjährige Hits, die in den 90er Jahren ihren Ursprung hatten.
All diese Formate wurden spätestens Mitte der 2000er Jahre eingestellt. Der Grund für den Niedergang der deutschen Serie ist denkbar einfach zu erklären: Er liegt nicht darin begründet, dass die Zuschauer keine Serien mehr sehen wollten, sondern dass sie attraktivere Serien geboten bekamen. Denn in den USA begann im Jahre 2000 auf dem US-Network CBS mit einer neuen Serie namens «CSI» eine kleine Fernsehrevolution. Dieses Format revolutionierte auf einen Schlag das Krimi- und Seriengenre allgemein und löste einen Trend aus, der viele weitere erfolgreiche Crime-Formate folgen ließ. Dabei galt die Devise: Je spektakulärer, desto besser. Mit riesigen Budgets ausgestattet, ließen die Networks nicht nur visuelle Feuerwerke, beispielsweise in Form von pompösen Skyline-Kamerafahrten, auf den Fernsehschirm, sondern engagierten auch die besten Drehbuchschreiber des Landes, die dem angestaubten Genre inhaltlich neue Facetten hinzufügten.
Es sollte nicht lange dauern, bis die modernen und auf die junge Zielgruppe zugeschnittenen Crime-Serien nach Deutschland schwappten. Und hier hatten sie leichtes Spiel: Kultcharaktere wie Horatio Caine aus «CSI: Miami» machten sich bei den 14- bis 49-jährigen Zuschauern deutlich besser als altgediente Hauptstadtkommissare wie Andreas Wolff von «Wolffs Revier». Das junge Publikum schaltete bei der deutschen Serie also ab, bei der US-Serie ein. Das Problem der deutschen Formate war es, dass sie hauptsächlich aus den Krimi- und Krankenhaus-Genres kamen. Denn auch letzteres wurde wie zuvor die Crime-Programme mit Serien wie «House», «Nip/Tuck», «Private Practice» und «Grey’s Anatomy» revolutioniert. Das sogenannte „Medical Drama“ hörte sich für die Zielgruppe ungleich besser an als die angestaubte Krankenhausserie.
Die US-amerikanischen Serien verdrängten die deutschen Pendants ihrer Genres. Nur vereinzelt überlebten Genre-untypische Formate wie «Cobra 11 – Die Autobahnpolizei», das als rasantes Action-Programm seinen eigenen Stil bewahren konnte und keinen Gegenspieler aus den USA hatte. Für die Sender kam die Abkehr des jungen Publikums von den eigenproduzierten Serien nicht unrecht: Schließlich sind diese das so ziemlich teuerste Programm, das sich überhaupt herstellen lässt. Und bei einem quotentechnischen Misserfolg wiegt das finanzielle Problem umso schwerer.
Immerhin konnte RTL zuletzt vereinzelt mit innovativen deutschen Formaten bei den 14- bis 49-Jährigen punkten. Dabei setzte man bewusst nicht auf die zuvor erwähnten Krimi- und Krankenhaus-Genres. Mit der religiös angehauchten Action-Sendung «Lasko – Die Faust Gottes» (Foto) konnte der Kölner Sender im Frühjahr 2009 einen Achtungserfolg erzielen. Im Herbst 2010 soll eine zweite Staffel entstehen. Und im Herbst 2009 lag auch die Comedy «Der Lehrer» mit durchschnittlich 15,9 Prozent bei den jungen Zuschauern im akzeptablen Marktanteils-Bereich. Bezeichnend für den Niedergang der deutschen Serie: Das Format «Der Lehrer» wurde schon 2007 produziert, doch die Ausstrahlung verschob RTL immer wieder – aus Angst, mit einem urdeutschen Format vollends zu floppen. Dass sich der Mut der Ausstrahlung doch noch gelohnt hat, bewiesen dann die überraschend guten Quoten. Ein großer deutscher Erfolg ist schließlich auch noch «Doctor’s Diary», das zwar im Medical-Genre angesiedelt ist, aber als Dramedy, also eine Mischung aus Drama und Comedy, innovativ genug ist, um als eigenständiges Format Erfolg zu haben. Eine weitere Staffel befindet sich in Vorbereitung.
Es ist also nicht die deutsche Serie per se, die beim heimischen Publikum durchfällt. Sie muss nur mit interessanten, innovativen und anderen Geschichten und anderem Setting aufwarten. Ein Megaflop wie «Klink am Alex», der Anfang 2009 bei Sat.1 komplett unterging, kann nicht mehr funktionieren. Im direkten Vergleich schneidet die deutsche Serie zu ihren US-Pendants mit den millionenschweren Budgets nämlich zwangsweise schlechter ab – und genau dieser Vergleich brachte die deutsche Serie beim jungen Publikum in die Krise. Dies scheinen die Privatsender mittlerweile auch erkannt zu haben, weswegen sie nun eben auf frische Kost setzen, die den Zuschauer neugierig macht und interessiert. Ob es dann letztlich zum Erfolg reicht, hängt von der Qualität des Drehbuchs, vom Glück und letztlich immer auch vom Programmplatz ab. Dass die deutsche Serie nicht tot ist, zeigt der RTL-Erfolg. Bleibt also nur zu hoffen, dass sie sich bald ganz aus ihrer Tiefschlafphase erholt.