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Was sich so liest wie eine etwas unglückliche Episode in der Geschichte der Late Night in den USA, war in Wirklichkeit einer der peinlichsten und größten Skandale der letzten Jahrzehnte, insbesondere für das Network NBC. Am liebsten hätte der Sender den „Late Night War“ wie oben beschrieben in einem Absatz zu den Akten gelegt und diese in der untersten Schublade des Archivschranks verstaut. Doch noch jetzt hallen die Spötter in den USA nach. Das Image von NBC hat immens gelitten. Und Leno? Kam er unbeschadet aus der Krise heraus und holt jetzt wieder die Topquoten, die er vor seiner Verbannung von der «Tonight Show» hatte? Oder hat sich das ganze Moderatorengeschiebe womöglich gar nicht ausgezahlt?
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Was tun, NBC? Das alte Doppelpack aus Leno um 23.35 Uhr und Conan nach Mitternacht machte den Sender jahrelang zum erfolgreichsten in der gesamten Late-Night-Zeitschiene, doch nun stand man vor einem Scherbenhaufen. Jetzt erreichte gerade auch noch David Letterman von CBS immer öfter gleich gute oder bessere Zuschauerzahlen. Gerade dieser Letterman, den NBC schon vertrieben hatte, als man ihm 1993 nicht die Moderation der «Tonight Show» anbot, sondern seinem Rivalen Jay Leno. Kurz gesagt: NBC handelte und beschloss, Jay Leno wieder um 23.35 Uhr auf Sendung zu schicken. Rolle rückwärts, aber was passiert mit Conan? Man bot ihm an, seine Show um eine halbe Stunde zu verschieben, sodass sie nach Mitternacht startet. Doch O’Brien hatte genug vom Late-Night-Zirkus und verweigerte die Verlegung auch angesichts der Tatsache, dass das Format seit Jahrzehnten den angestammten Sendeplatz innehatte. Schließlich verließ er den Sender im Streit und mit einer Millionen-Abfindung.
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Immerhin: Erstmals bessere Wochenzahlen als O’Brien erreichte Leno mit der fünften Woche, als er 1,1 Prozent im Gegensatz zu seinem Vorgänger erreichte, der nur auf 1,0 Punkte kam. Seitdem wird es unheimlich: Nicht nur, dass der bisherige Quotenverlauf der ersten fünf Wochen bei Leno jenem von Conan ziemlich ähnelt – in den Wochen sechs und sieben erzielten beide dieselben Marktanteile bei den jungen Zuschauern. In Woche sechs waren es 1,1 Prozent, zuletzt 1,0 Prozent.
Großer Gewinner der Late-Night-Farce bei NBC könnte letztlich David Letterman von CBS sein, der merklich profitierte und Lenos Quoten zuletzt bedrohlich nahe kam. Bisher hat sich der Schritt von NBC also überhaupt nicht ausgezahlt, Leno erneut als «Tonight Show»-Host zu inthronisieren. Im Gegenteil: Blickt man nicht nur auf die Quoten, die bei Leno bisher nicht besser, sondern eher schlechter als bei O’Brien sind, sondern auch auf den Image-Schaden, den das Network erlitten hat, dann wäre nicht mehr viel positives auf der Haben-Seite zu verbuchen.
Hätte NBC es kommen sehen müssen, dass Leno nicht der Allheilsbringer der Late Night ist und Conan vielleicht mehr Zeit lassen müssen? Fakt ist, dass Leno schon vor seinem zwischenzeitlichen Abgang von der «Tonight Show» schwächelte: Innerhalb eines Jahres verringerten sich seine Durchschnitts-Marktanteile von 1,8 auf 1,4 Prozent bei den 18- bis 49-Jährigen. Sieben Wochen nach seiner Rückkehr ist er nur noch bei 1,2 Prozent angelangt. Und die Trendlinie zeigt eindeutig nach unten. Dass die Zuschauer aktuell fortbleiben und auch nicht zurückkehren, hat sicherlich nicht nur mit dem generellen „Late Night War“ zu tun, sondern auch mit der schlechten inhaltlichen Qualität seines 22.00-Uhr-Intermezzos, das bei Kritikern und Zuschauern verrissen wurde.
Für NBC zeichnet sich immer mehr ab, dass Lenos Rückkehr zur «Tonight Show» wohl nur eine Zwischenlösung sein kann. Denn langfristig anfreunden wird man sich mit den aktuellen Quoten, die Leno erzielt, sicherlich nicht. Entweder erholen sich die Zuschauerzahlen also in nächster Zeit exorbitant oder NBC muss sich erneut nach einem Nachfolger für Leno umsehen. Den designierten Erben, Conan O’Brien, für den Klassiker «Tonight Show» hat man jedenfalls vergrault. Was macht dieser jetzt eigentlich? Nein, er ruht sich nicht auf seinen Abfindungs-Millionen aus, sondern startet im Herbst eine eigene Late-Night beim Kabelsender TBS um 23.00 Uhr. Gegen Leno. Bei seiner letzten «Tonight Show»-Sendung am 22. Januar 2010 sagte O’Brien: „Niemand bekommt im Leben genau das, was er dachte zu bekommen. Aber wenn du wirklich hart arbeitest und gütig bist, dann können großartige Dinge geschehen.“ Er hat diese großartigen Dinge bekommen, er verwirklichte sich seinen Lebenstraum mit der Moderation der «Tonight Show», wenn auch nur sieben Monate lang. Und zu einer besseren Zeit, mit einem ruhigeren Management bei NBC und etwas mehr Geduld hätte dieser Lebenstraum vielleicht viel länger andauern können.