Uwe Walter, der als Berater für verschiedene Sender und Formate arbeitet, hat sich «Germany's Next Topmodel 5» genauer angeschaut. Für Quotenmeter.de hat er eine sehr ausführliche Analyse erstellt.
Der Wettbewerb und die Jury
Der Wettbewerb und die Jury sind – trotz zunehmender Verwässerung und Personalkarussell – immer noch Markenkern der Sendung. Doch was erst wie eine echte Chance wirkte, hat sich ziemlich schnell aufgebraucht. Wer sich heute bei «Germany’s Next Topmodel» bewirbt, muss mit sozialer Ächtung rechnen. Ein Grund, warum nur noch sehr wenige Mädchen aus spannenden Familien der bürgerlichen Mitte auftauchen. Anstatt den eigentlichen Markenkern des seriösen Wettbewerbs mit kompetenter Jury über die Staffeln zu stärken, kursieren zunehmend Diskussionen über das wahre Wesen der Heidi Klum. Wer gewinnt, ist eigentlich schon egal.
Dazu kommt, dass ein Wettbewerb klare Regeln braucht. Wo aber sind hier noch Regeln zu spüren? Die Spielkonstruktion von «Germany’s Next Topmodel» verrutscht zunehmend, wird unsichtbar, deritualisiert und ausschließlich durch das alleinige Wirken der Hohepriesterin Heidi Klum bestimmt. Klare Kriterien, die für den Zuschauer oder die jungen Frauen transparent sind, gibt es kaum. Der Streit hinter der Kamera wird herausgeschnitten. „Das verstehe ich nicht“ oder „Warum immer die“ passt nicht in Heidis Konzept, also werden Wiederworte, Diskussionen und Kampf einfach elliptisiert. Doch weil das Nichterzählte, das was keiner sehen soll, zunimmt, wird das Erzählte immer knapper, langweiliger und frustrierender. Die letzte Jury mit Peyman Amin und Rolf Scheider versuchte wenigstens, dem Wettbewerb ein offizielles und möglichst sinnvolles, haltbares Gesicht zu geben. Denn es gibt schließlich eine reale Modelwelt, die mit der Show allerdings kaum Berührungspunkte hat.
Die neue Jury ist viel loyaler und anpassungsfähiger an das System der Heidi Klum. Sie ist mit Heidis Gnade und unter ihren Bedingungen eingekauft. Wissend, worauf sich die Juroren einlassen, rechnen sie mit einer Steigerung ihres Markenwerts und nehmen dafür alles andere in Kauf. So wird die Sendung zum Heidi Klum Event, das ihre Macht und Berühmtheit in den Mittelpunkt stellt.
Vorbei die Zeiten des emotionalen Rolf Scheiders, der sich mit den jungen Frauen identifiziert hat, der hingeschaut, verlangt und mitgeweint hat. Vorbei die Zeiten eines fachkompetenten, polarisierenden Peyman Amin, der den in der Sache harten Modelagenten gegeben hat. Der immer wieder gezeigt hat, dass es da draußen eine Schwelle zu überschreiten gibt. Vorbei die Zeiten von Glaubwürdigkeit und Wärme.
Stattdessen sind zwei Newcomer am Start, der eine Modefotograf und Modedesigner mit bemerkenswerten Hintergrund, der andere ein pfiffiger und professioneller Marketingkopf. Beide wissen, wie man im Dschungel des Angebots mit Selbstbewusstsein und Selbstvermarktung erfolgreich ist. Beide sind junge, toughe Eigenmarken, noch ohne persönliche Kontur. Hoffen wir, daß sie die Zeit bekommen und sich ein Herz fassen, um sich als Person mit ihrer Kompetenz mehr einzubringen. Ob sie allerdings wirklich zu Mentoren und Förderern taugen, ist bislang nicht zu erkennen. Zu sehr agieren die Jurorenstatisten noch im luftleeren Raum und geben den Entertainer und Kommentator.
Heidi Klum hat offensichtlich unterschätzt, dass eine zuverlässige und kompetente Jury für ein Castingformat wichtig ist, denn:
Jetzt fehlt die Stabilität für den Zuschauer: Wo ist meine Jury?
Jetzt mangelt es an Zusammenarbeit: Warum berät sich die Jury nie? Wer ist Pro und wer ist Kontra bei welcher Kandidatin – und warum?
Jetzt fehlt menschliche Wärme, Vertrautheit und Lob für die jungen Frauen.
Hanna, eines der Mädchen, schafft es nicht, sich beim Shooting eine Schlange um den Hals zu legen. Als sie offensichtlich traumatisiert Hilfe bei der Jury sucht, wird sie von Heidi Klum mit einem bösen Scherz veralbert. Sie ahmt die Giftzähne der Schlange nach und macht sich über das Mädchen lustig. Eine völlig unpassende Haltung für eine selbsternannte Mentorin.