Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Die perfekte Unterhaltung?

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Unser Kolumnist hält die «perfekte Minute» in Sat.1 für großes Fernsehen. Hat es das Zeug zum Quotenhit?

Mit einem durchaus bemerkenswerten Marktanteil von 14,4 Prozent bei den jungen Zuschauern startete am Freitagabend die lang erwartete Gameshow «Die perfekte Minute» in Sat.1. Ersehnt wurde das Format nicht nur von Fans der Moderatorin Ulla Kock am Brink, die nach mehr als fünf Jahren Abstinenz wieder auf die Bildschirme zurückkehrte, sondern auch von den TV-Machern selbst, für die diese Show ein live gelebtes Experiment ist, ob das Genre der Gameshow überhaupt noch funktioniert.

In den USA stellt sich diese Frage gar nicht, denn dort war noch bis vor kurzem die Show «Deal or No Deal» ein Mega-Erfolg und wurde teils mehrmals pro Woche auf den Sender geschickt. Dort löste das Kofferspiel eine kleine Renaissance der Gameshows aus, von denen «Minute to Win It» (so der US-Name der «perfekten Minute») nur eines der Produkte ist. In Deutschland sollte es ähnlich sein, doch hier verkam die Umsetzung von «Deal or No Deal» zum Desaster, nachdem Sat.1 mehrmals den Sendeplatz, das Studio und die Regeln geändert hat. Besonders Moderator Guido Cantz blieb in allen Jahren der Ausstrahlung sehr blass und bremste die Show ungemein aus.

Wie wichtig die richtige Moderation ist, durften wir Zuschauer am Freitagabend bei der Premiere von «Die perfekte Minute» erleben. Ulla Kock am Brink präsentierte das Spiel mit Charme und fieberte mit den Kandidaten so enthusiastisch, als wären wir um 15 Jahre in der Zeit zurückgereist und schauen die «100.000 Mark Show». Wenn „Welt Online“-Autorin Katharina Miklis nach der Show in ihrer Rezension schreibt, es habe Kock am Brink an “Feuer, Leidenschaft” gefehlt und sie verkörpere eine „angestrengte Gelassenheit“, dann hat sie entweder Wahrnehmungsprobleme oder die Sendung gar nicht erst gesehen. Denn genau diese Eigenschaften brachte 90er-Quotenqueen Kock am Brink am Freitag mit: Feuer, Leidenschaft, Emotionen und gleichzeitig höchste Professionalität. Wie die Show ausgesehen hätte, wenn sie von Leuten wie Guido Cantz oder Kai Pflaume moderiert worden wäre, will man sich nicht ausmalen. Nein, Kock am Brink ist zur richtigen Zeit bei der richtigen Show.

Es gibt nur sehr wenige Aspekte, die bei der Premiere überhaupt kritisiert werden können. Das Spielkonzept hat gezeigt, dass es zwischen der spielerischen Ausgelassenheit eines TV-Kindergeburtstags und eines nervenzerreißenden Spannungsmarathons von Minute zu Minute hin- und herpendeln kann – je nach Spiel und Schwierigkeit der Aufgabe. Wenn ein Kandidat ein Ei mittels Salz auf ein anderes Ei stellen soll und dies mehrmals nicht schafft, nach den Regeln alle Leben verliert und im letzten Versuch 59 Sekunden lang vergeblich und verzweifelt die Aufgabe lösen will, es dann in der buchstäblich letzten Sekunde auch irgendwie schafft, dann erlebt man als Zuschauer großes Fernsehen, inklusive Atem-Stock-Garantie.

Das Studio ist hervorragend gestaltet, das Lichtdesign tut sein Übriges zur tollen Atmosphäre. Die Erklärung der Spiele erfolgt mittels Bildschirm und Computerstimme. Zunächst mutet dies ungewöhnlich und irritierend an, doch auch hier waren die Macher klug. Denn viele Spielshows verlieren zu viel Zeit und damit zu viele Zuschauer durch die langwierige Erklärung der Aufgaben. «Die perfekte Minute» ist getrimmt auf Schnelligkeit, auf ein gutes Pacing. Mit Kock am Brink funktioniert die Balance zwischen zügigem Spiel und ausreichender Interaktion mit dem Kandidaten (durch kurze Interviews mit ihm und seinen Verwandten) bisher perfekt, so wie es der Showtitel will. So schaffte es die Sendung auch mit zwei Stunden Dauer größtenteils zu überzeugen und nicht zu langweilen. Auch die berühmte K-Frage bei Spielshows wurde ordentlich gelöst: Zwar waren die beiden Kandidaten gecastet, aber ihre überschwängliche Freude und ihre starken Emotionen hat man ihnen vollends abgenommen – im Gegensatz zu vielen anderen gecasteten Gamehsow-Teilnehmern der letzten Jahre (erinnern wir uns nur an das grässliche «Rich List»). Wenn es überhaupt einen minimalen Schwachpunkt gab, dann war es jener der Kandidatenauswahl.

Die Zahl, die am Ende für all die Mühen zu Buche stand, war 14,4. So hoch war der Marktanteil bei den werberelevanten 14- bis 49-Jährigen bei der Auftaktshow – Sat.1 lag im April durchschnittlich bei 11,7 Prozent. Ein durchaus starkes Ergebnis also angesichts der Tatsache, dass RTL mit dem Klassiker «Wer wird Millionär?» und «Let’s Dance» starke Geschütze auffuhr, die zudem noch gleiche Zielgruppen ansprechen: Show-Fans und Liebhaber von Spielshows (im Falle von «WWM?»). Das RTL-Promitanzen konnte man sogar erstmals unter den Senderdurchschnitt drücken. Es bleibt nun zu hoffen, dass die Anfangsquoten von der «perfekten Minute» kein Strohfeuer waren, sondern dass die Zuschauer von der Qualität der Sendung so überzeugt wurden, dass sie wieder einschalten. «Die perfekte Minute» ist perfekte Unterhaltung und die beste Alternative zu Jauch, die es seit vielen Jahren gegeben hat.

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.

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