Nächste Woche finden in New York City wieder die alljährlichen Upfronts statt. Julian Miller über ein Phänomen, bei dem es mittlerweile weniger um Inhalte als um die richtige Show geht.
Die alljährliche Zitterpartie hat wieder begonnen, denn nächste Woche ist wieder einmal die Woche der Wahrheit, in der darüber entschieden wird, welche Serien in Amerika fortgesetzt und welche schnellstmöglich in den Giftschrank der Networks wandern werden. Wie jedes Jahr veranstalten die großen Sender in den USA Galas mit Kaviar, Champagner und Pressemappen in so edlen Schuppen wie der "Radio City Hall" und der "Carnegie Hall" in New York City. Kritiker und Werbekunden wollen auf vielfache Weise überzeugt werden, und dem künftigen Sendematerial vertraut man da eben nicht allein. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise wird hier gerne mit dem einen oder anderen Glas Sekt nachgeholfen. Ain't no business like showbusiness.
Die Upfronts sind dabei mittlerweile jedoch mehr Schein als Sein. Gut unterrichtete Kreise wie etwa die Redaktionen von «Variety» und vom «The Hollywood Reporter» werden meist schon Tage vorher von der einen oder anderen Quelle darüber unterrichtet, welche Sendung weitermachen darf, und welche das Zeitliche segnen wird. Die großen Präsentationen in New York sollen wohl eher verdeutlichen, dass für den Sender im Herbst trotz der öden Sommerpause, die man mit langweiligem Reality-Gewäsch und Wiederholungen am laufenden Band füllen wird, nicht komplett die Lichter ausgehen werden.
Ein gutes Indiz, ob eine Serie am Rande der Absetzung schwebt oder nicht, ist natürlich auch, wie der Sender mit ihr umgeht. Wenn sie in Sweeps-Zeiten aus dem Programm genommen wird, ist das alles Andere als ein Vertrauensbeweis. Und so gut wie abschreiben kann man eine Serie wohl, wenn ihr Staffelfinale auf einen Samstag verlegt wird. Selten gibt es hier wirkliche Überraschungen. Dass «American Idol», «Glee» und «Desperate Housewives» wohl auch im Herbst noch mit neuen Folgen in der amerikanischen TV-Landschaft präsent sein werden, darf man jetzt schon guten Gewissens behaupten. Für das TheCW-Remake «Melrose Place» wird es aber wohl eher ein Wunder brauchen.
Ferner sind viele Entscheidungen, die bei den Upfronts präsentiert werden, noch keineswegs endgültig. Sei es, weil ein Sender Interesse an einem von einem anderen Network abgesetzten Programm hat und dieses zu sich holt (das «Medium»-Phänomen), oder NBC sich wieder einmal dafür entscheidet, nach der Bekanntgabe der Line-Ups der Konkurrenz sein Eigenes noch einmal komplett umzuschmeißen, wie dies etwa 2006 geschehen ist, damit der neue Hoffnungsträger «Studio 60 on the Sunset Strip» nicht gegen «Grey's Anatomy» und das damalige Nummer-Eins-Zugpferd «CSI» antreten muss. Gebracht hat das nichts und trotz ausgezeichneter Drehbücher, guter Schauspieler und sehr hohem Aufwand bei der Produktion überlebte «Studio 60 on the Sunst Strip» seine erste Staffel nicht.
Dennoch: Die Upfronts sind immer noch die alles bestimmende Woche des amerikanischen Fernsehens. Wenn auch wohl eher aus traditionellen Gründen als aus Gründen des Informationsgehalts.
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