Die Kino-Kritiker

«Robin Hood»

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«Robin Hood» vereint zum fünften Mal Russell Crowe und Regisseur Ridley Scott. Ob sie mit dieser realistischen Neuerzählung «Gladiator»-Niveau erreichen, erfahren Sie in unserer Filmkritik.

Die Sage vom Dieb, der den Reichen nimmt und den Armen gibt, fand im Laufe der Filmgeschichte immer wieder Zugang zum Publikum. Ob als Mantel-und-Degen-Abenteuer wie im legendären Film mit Errol Flynn, als fröhlich-musikalisches Zeichentrickabenteuer aus dem Hause Walt Disney, als Persiflage oder Klamauk wie unter anderem aus der Feder von Mel Brooks oder als romantisches Heldenstück mit Kevin Costner.

Mit den zumeist fidelen Waldabenteuern des viel besungenen Meisterschützen Robin Hood hat Ridley Scotts «Robin Hood» nur noch wenig gemeinsam. Der Regisseur von «Blade Runner», «Gladiator» und «Königreich der Himmel» schließt sich vielmehr dem derzeitigen Trend an, bekannte Stoffe aus ihrem verklärt-romantischen Licht zu zerren und sie ernster und realistischer neu zu erzählen. Ähnlich wie bei der Jerry-Bruckheimer-Produktion «King Arthur» soll dies geschehen, indem Scott eine historisch plausible Vorgeschichte der Legende auf die Kinoleinwand bannt. Diese erklärt, wie aus einem einfachen Schützen der gutherzige Gesetzlose aus dem Sherwood Forest wird. Zu Beginn der im späten 12. Jahrhundert spielenden Geschichte dient Robin Hood noch unter seinem bürgerlichen Namen Robin Longstride (Russell Crowe) als gewöhnlicher Schütze im Heer von Richard Löwenherz. Aufgrund einer Auseinandersetzung fallen Robin und drei weitere Soldaten in Ungnade beim König, der bald darauf im Gefecht stirbt. Robin und seine neu gewonnenen Gefolgsleute nutzen die Gelegenheit, um zurück nach England überzusegeln und in ihre Heimat zurückzukehren. Auf dem Weg beobachten sie, wie die Garde von Sir Godfrey (Mark Strong) die Königswachen überfällt, welche die königliche Krone zum Thronfolger überbringen sollten. Es stellt sich heraus, dass Sir Godfrey im Auftrag des französischen Königs handelt und die Aufgabe hatte, den König zu ermorden. Robin und seinen Mannen schlagen Sir Godfrey in die Flucht und beschließen, sich die Rüstungen und das Gut der ermordeten Soldaten zu nehmen, um leichter und reicher in ihr Heimatland zurückkehren zu können. Robin verspricht einem der sterbenden Soldaten, dass er sein Schwert zu dessen Vater in Nottingham zurückbringen wird. In England angelangt bricht Robin nach der Krönung des arroganten König Johns (Oscar Isaac) nach Nottingham auf, um sein Versprechen einzulösen. Der Vater des Soldaten, Sir Walter Loxley (Max von Sydow), bittet Robin darum sich als seinen Sohn auszugeben, um ihn und seine Tochter Lady Marian (Cate Blanchett) davor zu bewahren, ihren Hof zu verlieren. Währenddessen nutzt Sir Godfrey das Vertrauen König Johns, um beim englischen Volk Unmut breit zu machen, und so einen Überfall Frankreichs zu erleichtern.

Gleich zu Beginn von «Robin Hood» schmeißt Regisseur Ridley Scott das Publikum ins kalte Wasser. Nach einem knappen Prolog entführt der britische Regisseur den Zuschauer mitten in ein Schlachtgetümmel. Es ist ein starker Beginn für die grimmere Neuinterpretation des Robin-Hood-Geschichte, während dem Ridley Scott erneut sein Talent für groß angelegte, realistische Kampfsequenzen vorführt. Die spannend inszenierten, harten Schlachten in «Robin Hood» sind epochal und vermitteln das Gefühl, mittendrin zu sein, ohne dabei auf Übersichtlichkeit zu verzichten. Während dieser Schlachten zeigt sich außerdem, wohin das stattliche, angeblich 200 Millionen Dollar übersteigende, Budget wanderte, da Scott nicht mit Komparsen und authentisch wirkenden Requisiten sparte. Aber auch außerhalb der Massen-Kampfsequenzen zeichnet «Robin Hood» ein beeindruckend detailliertes und schmutziges Bild des 12. Jahrhunderts.

Dass Nottingham mehr an ein matschiges, dunkles Schlachtengemälde erinnert, als an ein munteres Abenteuer im grünen Wald, ist die wohl offensichtlichste visuelle Abgrenzung von den bisherigen Robin-Hood-Verfilmungen, die Scott in Interviews allesamt als schwach abtat. Mit diesem kriegerischen Einschlag, der «Robin Hood» vor allem zu Beginn eher an einen imponierenden Ritterfilm erinnern lässt, geht auch ein Garderobenwechsel für Robin Hood einher, der seine Strumpfhosen und die grüne Robe gegen Lederhosen und Kettenhemd eintauschen musste. Einschneidender für das Filmerlebnis ist allerdings die Eingrenzung der Rollen von seinen Gefolgsleuten. Im Drehbuch von Brian Helgeland («Green Zone», «Mystic River»), welches auf einem Skript von Cyrus Voris und Ethan Reiff («Kung Fu Panda») basiert, haben Little John, Alan-a-Dale, Will Scarlet und Bruder Tuck nur eine eher geringe Bedeutung, ebenso wie der Sheriff von Nottingham. Während die zuvor genannten Änderungen wohl hauptsächlich Robin-Hood-Puristen negativ auffallen dürften, hat diese Entscheidung schon größeres Enttäuschungspotential, da sie selbst innerhalb Scotts Vorhaben nur bedingt funktioniert. Wenn der Film erzählt, wie Robin Hood zur Legende wurde, und seine Mannen ein erheblicher Teil dieser Legende sind, wie kann die Vorgeschichte seine Wegbegleiter so sehr an den Rand drängen? Vor allem aber fällt der weitgehende Verzicht auf Little John und Robins andere Freunde deshalb auf, weil die wenigen Szenen, in denen sie wieder in den Vordergrund gerückt werden, zu den besten des Films zählen. Darunter befindet sich neben einer ausgelassenen Heimkehrfeier ein Raubzug, wie man ihn eigentlich in einem Robin-Hood-Film erwartet. Diese etwas leichtherzigeren Sequenzen fügen sich nahtlos in das grimme Mittelalterepos ein und sorgen für einen dynamischen Stimmungswechsel in Ridley Scotts «Robin Hood».

Da Robin Hoods Mannen in dieser Version der Geschichte an Bedeutung verlieren, lastet umso mehr Gewicht auf den Schultern des Hauptdarstellers Russell Crowe, der eine sehr gute Figur als dunkle Robin-Hood-Inkarnation macht, obwohl er für diese Rolle bereits zu alt sein müsste. Hin und wieder erinnert sein Spiel etwas zu sehr an seine Paraderolle in «Gladiator», trotzdem kann sein ambivalent geratener Robin Hood, der zur Not auch lügt und bedroht um an sein Ziel zu gelangen, überzeugen und den Film problemlos tragen. Auch Cate Blanchett als Lady Marian mochte auf dem Papier für einige vielleicht wie eine Fehlbesetzung gewirkt haben, bringt aber den Film bereicherndes Gefühl und auch Witz mit. Die größte Überraschung dürfte jedoch Oscar Isaac sein, der als König John herrlich großspurig agiert und dem arroganten Herrscher trotzdem einige Momente gönnt, in denen er Anflüge eines Sinneswandels verspüren lässt.

Dennoch ist es das Skript, das Ridley Scott daran hindert, seine im Vorfeld des Kinostarts selbstbewusst geäußerten Versprechungen einzuhalten. Denn spätestens wenn der Abspann beginnt, wird dem von der Ankündigung eines realistischen Robin Hoods angelockten, mitdenkenden Publikum manches negativ auffallen. Vor allem im letzten Drittel geriet die Charakterzeichnung äußerst sprunghaft, wie etwa die Beziehung zwischen Robin und Lady Marian. Auch der Protagonist des Films entwickelt sich anfangs glaubwürdig vom talentierten Schützen zu einem selbstbewusst handelnden Wohltäter. Seine Anführerqualitäten verbessert er zunächst schrittweise, doch im Vorfeld des Finales mutiert er schlagartig zum erfahrenen politischen Redner und Kriegsführer. Außerdem endet «Robin Hood», wie es für solche Vorgeschichten üblich ist, recht plötzlich und unausgereift offen. Das eher kleinlaute Ende passt nicht wirklich zum epischen, groß tönenden Film, den es beschließt. Ebenso fehl am Platz ist ein marginal ausgearbeiteter Subplot über eine Truppe von Waisenkindern, die im Sherwood Forest hausen. Dieser wirkt wie ein übersehenes Relikt aus einer früheren Drehbuchfassung und beißt sich mit dem Stil des restlichen Films. Die dafür geopferte Zeit wäre zwar nicht genug, um die sprunghafte Charakterisierung oder die zu knappe Zeit für Robins Freunde auszubügeln, doch es wäre immerhin ein Anfang gewesen.

Doch auch wenn «Robin Hood» bei näherer Betrachtung den eigenen, intellektuellen und künstlerischen Ansprüchen nicht genügen kann, ist dieses Mittelalterepos spannend geraten und bietet zudem bessere schauspielerische Leistungen als viele Genrekollegen. Die Balance zwischen Schlachtengemälde, Legenden-Vorgeschichte und mittelalterlichem Politthriller ist Ridley Scott sehr gut gelungen und der Tonfall des Films fühlt sich genau richtig an, da er weder aufgesetzt finster ist, noch in seinen launischeren Momenten zu albern wird. Vor allem aber vergehen die rund 140 Minuten Laufzeit wie im Fluge und sind nach Verlassen des Kinosaals nicht sofort wieder vergessen. Trotz der Schwächen, die «Robin Hood» rückblickend offenbart, ist der Kinoeintritt sicherlich eine gute Investition.

Fazit: Mit «Robin Hood» schuf Ridley Scott trotz mancher Parallelen keinen zweiten «Gladiator». Die düster-realistische Neuinterpretierung des altbekannten Abenteuerstoffs gibt sich besser durchdacht, als sie ist, bleibt aber dennoch intelligenter als der übliche Stoff, aus dem Sommerblockbuster geschaffen werden. Mit gutem Schauspiel, imposanter Ausstattung und gewaltigen Schlachten kann dieser «Robin Hood» über viele seiner Schwächen hinwegtäuschen und erreicht sein Ziel einer historisch plausiblen Vorgeschichte der Legende besser als vergleichbare Filme. Allerdings steckt zu wenig „Robin Hood“ in diesem «Robin Hood». Wer den gutherzigen Meisterdieb und seine Freunde bei ihrer eigentlichen Tätigkeit beobachten will, wird lange auf dem Trockenen gelassen.

«Robin Hood» ist seit dem 13. Mai in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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