Woher kommt die Faszination für düstere Neuinterpretationen wie Ridley Scotts «Robin Hood» oder «The Dark Knight»?
Die Medienwissenschaft kennt eine Mediennutzungstheorie namens Mood Management. Demnach suchen sich Rezipienten Unterhaltungsstoffe aus, die konträr zu ihrer aktuellen Stimmung verlaufen, um so einen Gefühlsausgleich zu schaffen. In gestressten Situationen suchen Personen demnach leichte Unterhaltung und Entspannung, während gelangweilte Medienkonsumenten spannendes Material anvisieren. Diese Theorie wird von vielen Filmhistorikern und Marktbeobachtern in einer auf eine höheren Ebene übertragenen Variante auch als globale Erklärung für Schwankungen in der Filmlandschaft genutzt. Angeblich biete der Markt in Krisenzeiten seichte Unterhaltung, die auch große Erfolge verzeichnet, während in entspannteren Gesellschaftsphasen Thriller und Horrorfilme en vogue seien.
Ein bereits seit längerem währender Hollywoodtrend lässt auf dem ersten Blick Zweifel an dieser Theorie aufkommen: Die keinen Abklang findende Flut an düsteren, grimm-realistischen und pessimistischen Neuinterpretationen bereits bekannter, optimistischer oder naiver Stoffe. 2004 kam «King Arthur» auf die Leinwand und ersetzte den ruhmreichen, glänzenden Hofe Camelots mit seinen strahlenden Rittern durch Dreck, Schmutz und Misstrauen. 2005 brachte Christopher Nolan mit «Batman Begins» einen schwermütigen Batman ins Kino, der psychische Probleme hatte und in einem finsteren Gotham gegen Korruption und Angst kämpfte. Dunkle Farben und pessimistische Untertöne verjagten die bunteren Superheldenfilme von der Leinwandfläche. Der neue James Bond hat keine knalligen Supergadgets mehr, geht viel gewalttätiger vor und bekämpft keine comichaften Überschurken. Auch in diesen Filmen wird auf die Schattenseite der Psyche des Helden eingegangen, wo in den Vorgängerfilmen lässig gegrinst wurde und Jetpacks durch die Gegend flogen.
Mit «Robin Hood» startete vergangene Woche eine weitere „realistische und düstere“ Version eines einst makellosen Helden in den Kinos. Und das waren nur einige wenige Beispiele.
Woher kommt das Interesse an solch finsteren Umgestaltungen unbeschwerter Stoffe, wenn uns seit über einem halben Jahrzehnt alle in den Ohren liegen, wie schlecht es ihnen doch geht? Und ist der Trend zu „ernsteren, realistischeren und tiefsinnigeren“ Filmen begrüßenswert, oder sollten wie die Unschuld des Kinos retten, so lange es noch geht?
Zumindest um letzteres müssen wir uns nicht sorgen. Für jeden «Robin Hood» von Ridley Scott oder Daniel-Craig-Bond gibt es mindestens einen «Transformers - Die Rache» oder «Mamma Mia». Munterer Eskapismus der verschiedensten Qualitätskategorien stirbt nicht aus. Das wird auch immer so bleiben. Spannender ist hingegen die Frage, wieso eine von Terrorismus und Wirtschaftsproblemen geschürte westliche Gesellschaft die ganzen düsteren Remakes und Reboots nicht ignoriert, sondern eher feiert. Meine Erklärung dieses kleinen Phänomens: Zum einen wird die Darstellung der gefühlsmäßigen Weltlage überdramatisiert. Wer in seinem Bekanntenkreis fragt, wie sich jeder einzelne so fühlt, wird man keine verängstigteren Antworten erhalten als vor zehn Jahren. Oder fünfzehn. Es gibt keine kollektive Trübsalwolke über unseren Köpfen. Wenn dem so wäre, dann dürfte man schon stärker über den Erfolg einiger Filme staunen.
Das wichtigere Element meiner Erklärung ist allerdings folgendes: So düster Daniel Craigs Bond oder Christopher Nolans Batman und alle vergleichbaren Produktionen auch sein mögen: Es sind weiterhin letzten Endes aufmunternde Filme, die positiv ausgehen. Bloß «The Dark Knight» könnte als Joker in dieser Runde durchgehen, da er ein verhältnismäßig trübes Ende nimmt. Ansonsten entlassen selbst die grimmigsten Hollywood-Blockbuster ihre Zuschauer mit einem energischen Kick. Womöglich verleben diese Filme deswegen einen Boom. In (angeblich) harten Zeiten zu sehen, wie eine deprimierende Ausgangslage letztlich ein gutes Ende nimmt, ist doch sogar noch aufbauender, als ein Film, der zwar auch spannend ist, aber nie eine realistische Brenzligkeit aufweist.
Was ich nun zu diesem ganzen Mood Management sage? Tja, ich finde, dass es die Mischung macht. Manchmal muss man sich von seiner Stimmung ablenken und etwa in einer Trauerphase seichte Unterhaltung gucken. Doch hin und wieder muss man sein Leid auch ausschwitzen oder seine gute Laune mit einer überdrehten Komödie feiern.