Inhalt:
Ein Schulausflug endet mit dem Fund einer Leiche: Der Motorradfahrer Erik ist offenbar in der Nähe der prähistorischen Stätte 'Ale Stenar' über eine Klippe gestürzt. Die Gerichtsmedizin fördert allerdings ein anderes Ergebnis zu Tage, das neue Fragen aufwirft. Dem Befund zufolge wurde dem Opfer vorsätzlich das Genick gebrochen – anschließend ließ man die Tat wie einen schrecklichen Unfall aussehen. Das Überwachungsvideo eines dänisch-schwedischen Grenzübergangs verdeutlicht dem Team um Kurt Wallander, dass es sich bei Erik um einen Kurier gehandelt haben muss. Durch einen gewissen Nico, der vor zwei Jahren den Motor der Maschine anfertigte, kommen die Ermittler auf die Spur eines Motorradclubs, der von Wallanders altem Bekannten Mats Runberg geführt wird.
Runberg behauptet dahingegen, der Gang den Rücken gekehrt zu haben und sich nun auf das seriöse Baugewerbe zu konzentrieren. Ganz anders sieht es da bei Hans Kolt aus, der ebenfalls in den Tod des Fahrers verwickelt ist und dank der Aussage von Polizistin Isabelle vor Gericht unterliegen soll. Doch der jungen Frau, die den Angriff eines von Kolts Hunden auf ihren Kollegen Svartman miterlebte, wird in ihrem Heim aufgelauert. Als sie den Dienst quittiert, um ihre Familie nicht zu gefährden, wird Wallander und Martinsson klar, dass mehr hinter der ganzen Sachen steckt. Sie sollen Recht behalten: Offensichtlich ist die Drogenmafia in das Geschehen involviert.
Darsteller:
Krister Henriksson («Die Treulosen») ist Kurt Wallander
Lena Endre («Verdammnis») ist Katarina Ahlsell
Stina Ekblad («Gossip») ist Karin Linder
Mats Bergman («Fanny und Alexander») ist Nyberg
Douglas Johansson («Die Rache des Tanzlehrers») ist Martinsson
Nina Zanjani («Farsan») ist Isabelle
Sverrir Gudnason («6 Points») ist Pontus
Thomas Köhler («Vergebung») ist Mats Runberg
Rafael Pettersson («Höök») ist Hans Kolt
Kritik:
Abgesehen von der Auftaktfolge 'Vor dem Frost', die im Jahr 2005 entstand, basieren die Drehbücher der Reihe «Mankells Wallander» mit Krister Henriksson in der Titelrolle nicht auf den Romanen des Schöpfers Henning Mankell, sondern werden von diesem und einem Team aus Autoren eigens für das Zweite Deutsche Fernsehen verfasst. Dass das keineswegs von Nachteil sein muss, beweißt 'Der Kurier', ein von der ersten bis zur letzen großartiger Fernsehkrimi. Entstanden ist der Film gemeinsam mit Stefan Thunberg und Stephan Apelgren. Letzterer hat mit Henriksson bereits im Rahmen der Produktion «Die Rache des Tanzlehrers» zusammengearbeitet. Ins Bild gesetzt wurde die Geschichte von Regisseur Leif Magnusson, der es verstand, das Konzept mit unheimlich viel Liebe zum Detail und all den Facetten der Figuren umzusetzen. Kurt Wallander selbst tritt dabei etwas in den Schatten und lässt seinen Kollegen sowie den durch die Bank interessanten Gegenspielern den Vortritt.
Bereits die gelungene Schnittfolge zu Beginn des Filmes lässt vermuten, dass es sich um ein Highlight der Serie handelt: Es wird der Eindruck vermittelt, der Zuschauer säße selbst auf dem Motorrad, das von der Figur Erik gesteuert wird. Man weiß augenblicklich, dass der gute Mann nicht mehr lange zu leben hat – nach einem Zwischenfall am Grenzübergang hält die Maschine und eine Person tritt Erik aus dem Schatten gegenüber. Wenige Tage später sichtet eine Gruppe von Schülern den Leichnam des Kuriers. Doch wie sich das Publikum bereits bewusst ist, handelt es sich um Mord. Diese Erkenntnis öffnet Wallander und seinem Stab die Türen zu einer zwielichten Motorradgang und letztlich der Drogenmafia. Das Bemerkenswerte an der Episode ist, dass man nur wenig interessiert an der Auflösung der Tat ist. Ohnehin ahnt man bereits nach kurzer Zeit die Identität des Täters. Um Spannung bringt das 'Der Kurier' allerdings nicht. Während der Betrachter von Anfang an in die wahren Gesichter und Motive der Charaktere eingeweiht ist, muss sich Wallander erst seinen Weg ebnen. Unterstützt wird er dabei tatkräftig von den Neulingen Pontus und Isabelle, die für frischen Wind in der Einheit sorgen. Doch vor allem Martinsson lässt neuen Enthusiasmus spüren, immerhin hat er vor, sich für Wallanders Stelle zu bewerben. Der hört es aber gar nicht gern, wenn von seiner nahenden Pensionierung in drei Jahren gesprochen wird. Eine fantastische Storyline, die man gekonnt langsam aufbaut und aus der man künftig noch viel mehr machen kann, wie das intime Gespräch zwischen Wallander und Martinsson am Ende der Folge deutlich macht.
Das Sehenswerte an 'Der Kurier' ist schlicht die dunkle Seite der Macht. Tomas Köhler als eigentlich gerissener, aber überforderter Mats Runberg und Rafael Pettersson in der Rolle des wortkargen Hühnen Hans Kolt bilden die Elite des Motorradclubs. Zwei sehr unterschiedliche Charaktertypen, die man ohne Umschweife in sein Herz schließt, wird man doch zwangsläufig nicht viel Zeit mit ihnen verbringen können. Dragomir Mrsic porträtiert Jovan, den unzufriedenen Geschäftspartner Mats', während Sophus Windeløv Motorradfahrer Johannes Andersson darstellt, der nach Eriks Tod als neuer Kurier rekrutiert werden soll. Und diese drei sehr unterschiedlichen Gesellschaftskreise schaffen eine außergewöhnliche Atmosphäre, an der man gerne in umfangreicherem Rahmen als lediglich 90 Minuten teilhaben möchte. Hinzu kommt die Kompromisslosigkeit der Story. Mats und Kolt gefallen die Widerworte von Johannes nicht, der sich um seine schwangere Freundin sorgt, also wird er eben kurzerhand in eine Grube geworfen, die sie mit Beton füllen, bis er das Jobangebot annimmt. Auf diese Art werden Geschäft gemacht.
So gewinnt der Film auch an Glaubwürdigkeit. Was in vielen Krimis vermisst wird, ist die falsche Vernunft. Mats braucht einen neuen Kurier, Johannes weigert sich, ergo: Betonbaad. Isabelle will gegen Kolt aussagen und wird folglich von einem maskierten Mann in ihrer Wohnung überrascht, der sie erpresst. Auf jede Aktion folgt hier eine verständliche Reaktion. Leider markiert letztgenannter Gegenschlag gleichzeitig den Storyschnitzer, der nach der Auflösung teilweise an Rechtfertigung verliert, unter dem das Gesamtbild aber nicht leidet. Zum Schluss kommt es dann gar zum Feuergefecht und Showdown in einer Kirche. Mit Wallander, der sich seine Angst eingesteht, nach seiner Pension nichts mehr zu haben, wofür sich das Leben lohnt, dem neuen ehrgeizigen Martinsson, dem adäquaten Spiel der Darsteller und der anständigen Synchronisation (Bodo Wolf leiht Krister Henriksson seine Stimme) macht das 'Der Kurier' zu definitiv empfehlenswerter Unterhaltung.
Das Erste zeigt «Mankells Wallander: Der Kurier» am Freitag, den 21. Mai 2010, um 21:45 Uhr.