Videospielverfilmungen und große Hollywoodblockbuster, das waren bislang zwei unterschiedliche Welten. Übergeht man die schwachen «Tomb Raider»-Filme, denen man zumindest irgendeine Form von Mühe ansehen konnte, waren Kinoadaptionen von Videospielen billige und schnell produzierte Schundwerke, die einzig und allein von ihrer Titellizenz lebten. Nicht zuletzt dank Deutschlands grinsendem Trash-Export Uwe Boll gaben passionierte Zocker die Hoffnung auf eine adäquate Filmumsetzung ihrer geliebten Stoffe mittlerweile völlig auf.
Auftritt Jerry Bruckheimer, der Produzent von Filmen wie «Armageddon» und der «Pirates of the Caribbean»-Saga. Bruckheimer steht für kostspielige Popcornblockbuster, die nach außen hin bombastisch und nach innen zumeist seicht sind, und bei denen nichts dem Zufall überlassen wird. Mit ihm als Produzenten hinter «Prince of Persia - Der Sand der Zeit», der Adaption des beliebten Abenteuerspiels von Jordan Mechner, ist es praktisch schon garantiert, dass der Ausflug in ein mystisches Persien zumindest technisch die Erinnerung an Boll-Werke mit einem Schlag weghaut. Dass der Schöpfer der «Prince of Persia»-Spiele an der Filmhandlung mitarbeitete und mit dem vielseitigen Briten Mike Newell («Vier Hochzeiten und ein Todesfall», «Donnie Brasco», «Harry Potter und der Feuerkelch») ein durchaus fähiger Regisseur die Strippen zieht, lässt auf dem Papier weitere Hoffnung aufkommen. Könnte dieser Film die Ausnahme von der deprimierenden Qualitätsregel für Videospieladaptionen sein? Oder ergibt das Ganze weniger als die Summe der Einzelteile?
Die erste Frage, die sich stellt, ist die nach der Handlung. Bislang neigten Videospieladaptionen entweder dazu, gar nichts mehr mit dem Videospiel gemein zu haben und so die Fans zu verärgern, oder sich zu sklavisch an der Vorlage zu orientieren und so vollkommen uncineastisch zu wirken. Die Antwort ist zunächst beruhigend: «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» nahm die entscheidenden Charaktere und Handlungselemente sowie einige Schauplätze des Videospiels und emulierte sie zu einer neuen, filmischen Abenteuergeschichte: Im sechsten Jahrhundert nimmt der persische König Sharaman (Ronald Pickup) den gutherzigen Straßenjungen Dastan in seine Familie auf. Jahre später führt dieser zusammen mit seinen Brüdern Tus (Richard Coyle) und Garsiv (Toby Kebbell) die Armee seines Vaters an, um die heilige Stadt Alamut zu überfallen. Diese soll laut eines Spions von Nizam (Ben Kingsley), dem Bruder des Königs, Waffen an Persiens Feinde verkaufen. Nur dank Dastans eigenmächtigem und voraus schauendem Handeln kann die Armee erfolgreich in Alamut einfallen und dabei auch einen geheimnisvollen Dolch ergattern, um den sich Alamuts Prinzessin Tamina (Gemma Arterton) besonders sorgt. Als während der Siegesfeier der König vergiftet wird, fällt der Verdacht auf Prinz Dastan (Jake Gyllenhaal), der daraufhin mitsamt der Prinzessin flieht um einer ungerechten Verurteilung zu entkommen. Während Dastan Pläne schmiedet, wie er seine Unschuld beweisen kann, versucht Tamina wieder an den vom Prinzen ergatterten magischen Dolch zu gelangen, der die Zeit zurückdrehen kann.
Diese Geschichte entwickelt sich auf eine Weise, die den Anforderungen der Zielgruppe von «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» dem klassischen Sommerblockbuster-Publikum, vollkommen gerecht werden dürfte. Das ist Lob und Kritik zugleich: Die Storyentwicklung des Films strotzt nicht gerade vor Einfällen, die Figurendynamik und der Verlauf zentraler Sequenzen entwickeln aber genügend Eigenständigkeit, um diese Produktion vor inhaltlicher Austauschbarkeit zu bewahren. Dass die Handlung von «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» weder sonderlich dramatisch ist, noch überaus komplex oder bahnbrechend originell, dürfte eh niemanden überraschen. So etwas vollbringen nur wenige, besonders herausragende Ausnahmen in diesem Genre, während die Story meistens nur das Vehikel für Spaß, Action und dem Popcornkino gerechte Aufregung sein soll. Eine Aufgabe, die das eine Geschichte vom Spieleschöpfer Jordan Mechner adaptierende Drehbuch von Boaz Yakin, Doug Miro und Carlo Bernard gut erfüllt.
Die von ihnen geschaffenen Figuren sind sympathisch und machen die Laufzeit von «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» zum Vergnügen, obwohl ihm eine einprägsame Rolle wie die von Captain Jack Sparrow aus «Fluch der Karibik» abhanden geht. Jake Gyllenhaal macht sich überraschend gut als Abenteuerheld und gibt einen smarten, selbstbewussten Prinzen von der Straße. Der charismatische «Brokeback Mountain»-Star erdet das übernatürliche Abenteuer, indem er zu jeder Situation den richtigen Geschichtsausdruck findet. Außerdem überzeugt er dank intensivem Training in den Kampfsequenzen. Ausgefallen amüsant gerieten seine Wortgefechte mit Gemma Arterton als Prinzessin Tamina. Die lange Zeit verflochtene und bissige Dynamik zwischen ihren Figuren gibt den beiden Darstellern Gelegenheit für kurzweilige Streitereien und den Film ungekünstelt vorantreibende Täuschungsversuche. Jedoch fällt die für Blockbuster dieser Größenordnung obligatorische, langsam aufkeimende Liebelei zwischen Prinz Dastan und Prinzessin Tamina unprickelnd aus, was die Pflichtmäßigkeit, mit der diese Romanze hineingeschrieben wurde, unterstreicht. Trotzdem ist die Besetzung Artertons eine gute Entscheidung, nicht nur aufgrund der erwähnten, gelungenen Zickereien gegenüber Gyllenhaals Rolle. Die aus «Ein Quantum Trost» bekannte britische Schauspielerin bringt dank natürlich wirkender Schminke exotische Schönheit in den Film und führt als über die Macht des Dolches informierte Prinzessin sehr gut das mystische Element in die Handlung ein. Somit erfüllt sie eine eigentlich undankbare Aufgabe, denn in solchen Filmen ist eine schlechte Vermittlung der nachgeschobenen Exposition unverzeihlich. Glücklicherweise erledigt Arterton diese Aufgabe in «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» deutlich besser als in «Kampf der Titanen», wo sie im Grunde genommen eine schlechte Abwandlung der gleichen Rolle spielte, bloß dass sie hier dem Protagonisten selbstbewusst Paroli bieten und lange Zeit eigene Ziele verfolgen darf.
In weiteren erwähnenswerten Rollen sind Alfred Molina und Ben Kingsley zu nennen. Charakterdarsteller Molina, den es seit seiner Bösewichtrolle in «Spider-Man 2» immer öfter ins Blockbusterkino zieht, hat als gewitzter und betrügerischer Ganoven-Scheich Amar dank lockerem Ganovencharme das Zeug zum Publikumsliebling. Kingsleys Rolle ist währenddessen aufgrund des Skripts durchschaubarer, als offensichtlich beabsichtigt. Dennoch gelingt es dem wandlungsfähigen Oscar-Gewinner, seiner Figur eine undurchsichtige, geheimnisvolle Aura zu verleihen. Zudem ist Kingsley, dessen Figurenrepertoire bald sämtliche Nationalitäten durchhaben müsste, der Darsteller, den der übertrieben kritische Kinogänger in diesem Film wohl am ehesten als Perser akzeptieren wird.
Während die US-amerikanische und britische Besetzung manchen kritischen Zuschauer anfangs an der Illusionsbildung hindern wird, selbst wenn der Film damit bloß seiner Vorlage treu bleibt, scheuten die Filmemacher keine Kosten, mittels imposanter Ausstattung ein mystisch-fantastisches Persien auferstehen zu lassen. Die prachtvollen Setbauten sowie die aufwändigen und detaillierten Kostüme sind für jeden interessierten Kinogänger der beste Grund, sich «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» auf der größtmöglichen Leinwand anzuschauen. Während Sommerblockbuster üblicherweise immer stärker auf Computereffekte und digitale Sets setzen, verwöhnen Produzent Bruckheimer und Regisseur Newell hier mit handgemachten Bauten. Das Produktionsdesign von Wolf Kroeger («Der 13. Krieger», «Equilibrium») und die erstaunlich detaillierten Setdekorationen von Elli Griff («Hellboy II: Die goldene Armee») vermischen passend zur übernatürlichen Elemente enthaltenden Geschichte historische und exotisch-künstlerische Einflüsse. Kostümschneiderin Penny Rose, die bereits in der «Pirates of the Caribbean»-Trilogie positiv auffiel, vermengt ebenfalls historische Authentizität und den Flair von Märchen aus Tausendundeiner Nacht zu einem beachtenswerten Ergebnis. Kameramann John Seale («Harry Potter und der Stein der Weisen», «Unterwegs nach Cold Mountain») würdigt die opulente Ausstattung mit farbenprächtigen Bildern und imponierenden Kameraeinstellungen. Der von der Ausstattung gesetzte Trend wird in den Actionsequenzen weitestgehend verfolgt: Statt auf Horden von CGI-Kämpfern und blendende Computereffekte setzt «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» auf praktische Stunts und echte Schwert-, Messer- und Säbelkämpfe. Erst im großen Finale scheinen die Filmemacher den zuvor ausgelassenen Computereffekt-Bombast nachholen zu wollen und tragen extra dick auf. Das Ende des Films ist hinsichtlich der Vorlage durchaus plausibel und somit mit etwas Nachsicht akzeptabel, trotzdem wären aus rein filmischer Sicht einige bessere Alternativen denkbar.
Entgegen der Erwartung werden Zeitlupeneffekte in «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» nicht inflationär gebraucht, sondern beschränken sich auf prägnante Stellen. Der Schnitt ist energisch, jedoch nicht hektisch. Der Zuschauer kann den Kämpfen folgen, was im modernen Actionkino allgemein immer schwieriger wird, zugleich behalten die Gefechte eine zeitgemäße Geschwindigkeit. Bloß mit der Spannung hapert es ein wenig. Zwar ist der Film durchgehend kurzweilig, doch während der gut choreographierten Kämpfen fehlt der gewisse Nervenkitzel, welcher aus einem unterhaltsamen Abenteuer ein fesselndes Erlebnis macht. Als Ausnahme herauszustellen ist eine Dolchwurfszene mit dem Briten Steve Toussaint («CSI: Miami»), in der vollkommen entgegen jeglicher aktueller Trends das Tempo heruntergefahren wird und man sich die Zeit lässt, zu zeigen wie Toussaints Figur jeden seiner Schritte überdenkt, gegen seine Angst kämpft und sich über jeden seiner Erfolge freut.
Der Film stemmt sich auch in einem weiteren Punkt gegen aktuelle Hollywoodtrends: Dieses Wüstenabenteuer ist weder comichaft albern, noch zynisch und düster um eines vermeintlichen Realismus willen oder aufgesetzt komplex. Das wird der Bruckheimer-Produktion gleichermaßen Freunde, wie auch Feinde einbringen. Nachdem insbesondere den Fortsetzungen von «Fluch der Karibik» von einigen Filmkritikern eine über die Maßen verworrene Handlung vorgeworfen wurde, wird «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» einigen sicherlich wieder zu simpel sein.
Die Musik von Harry Gregson-Williams («Die Chroniken von Narnia: Der König von Narnia», die «Shrek»-Reihe, «Der Staatsfeind Nummer Eins») ist für Kino dieser Größenordnung ungewohnt unaufdringlich und verstärkt mit geheimnisvoll-romantischen, arabischen Klänge das Tausendundeine-Nacht-Gefühl des Films. Während ruhiger Momente und Übergangsszenen ist Gregson-Williams atmosphärische Klanguntermalung optimal und passt zu der schwelgerischen Haltung dieser Produktion, doch in den Actionszenen fehlt es manchmal an Intensität.
Für eine von Jerry Bruckheimer produzierte Videospieladaption mutet «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» aufgrund der genannten Regieentscheidungen angenehm altmodisch und zeitlos an. Dazu passend wurde selbst die unvermeidliche modern-ironische Zwischennote, wie sie in der «Pirates of the Caribbean»-Reihe verstärkt zu spüren war, auf ein Minimum heruntergefahren. Sieht man vom Finale ab, schlägt «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» mit eindrucksvollem Pomp und modernen technischen Mitteln einen stilistischen Bogen zurück zu den typischen Filmen von Douglas Fairbanks und Errol Flynn. Denn diese waren, so sehr es manche Filmhistoriker auch verneinen wollen, ebenfalls nichts anderes als mit stark romantisierten Abenteuergeschichten lockender Eskapismus.
Fazit: Die Videospielverfilmung «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» verschmelzt altbewährte, exotische Abenteuerromantik mit modernem Tempo und erstaunlichen Szenenbildern. Die wundervolle Verpackung trifft in dieser Hochglanzproduktion auf eine seichte und kurzweilige Handlung sowie imposante Action. Mit einem sympathischen und fähigen Ensemble sowie einer spürbar ambitionierten, technisch-künstlerischen Crew arbeitet sich «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» auf den Thron der Videospieladaptionen vor. Für eine etwaige Rückkehr in Prinz Dastans Persien bleibt wegen der zahmen Handlung, einem mittelmäßigen Finale und nicht durchgehend spannender Kämpfe jedoch noch Luft nach oben.
«Prince of Persia - Der Sand der Zeit» ist seit dem 20. Mai in vielen deutschen Kinos zu sehen.