Der Richterspruch: Christian Richter blickt zurück auf den Monat Mai.
Das Thema des Monats
... ist der Sieg von Lena beim «Eurovision Song Contest». Wie könnte es anders sein? Selbst wer den Wettbewerb am Abend des 29. Mai 2010 nicht verfolgt hat - und davon kann es nicht viele geben - konnte sich der Lena-Euphorie nicht entziehen. Den gesamten Sonntag wechselten sich Sondersendungen mit Spezial-Ausgaben ab. Von der Ankunft der Künstlerin am Flughafen bis zum ausführlichen Portrait, egal ob in der ARD oder bei ProSieben, überall lief ihr Hit „Satellite“ in Dauerschleife. Und obwohl der erste Sieg Deutschlands nach 28 Jahren noch nicht einmal 12 Stunden alt war, begannen bereits die Verhandlungen über den Austragungsort des Finales im Jahr 2011. Die größte Chance dürfte wohl Berlin als Hauptstadt haben. Doch auch Hamburg steht als Sitz des verantwortlichen NDR nicht schlecht da. Andererseits kündigte der NDR bereits an, dass sich an der Finanzierung der teuren Show alle Anstalten beteiligen müssten, was Hamburg als Veranstaltungsort wieder schwächt. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff kämpft für Lenas Heimatstadt Hannover und auch Köln dürfte durch Stefan Raab keine schlechten Chancen haben. Allerdings sind an dem betreffenden Wochenende in der O2-World in Hamburg und in der Lanxess-Arena in Köln schon andere Veranstaltungen angesetzt.
Es wird genauso spannend werden, wer dann die großen Galas moderieren darf. Da der NDR federführend produzieren wird, dürfte Reinhold Beckmann ganz oben auf der Liste stehen, hat er bereits einen Vorentscheid moderiert. Doch auch Hape Kerkeling könnte in Frage kommen. Er äußert schon seit Jahren immer wieder, dass die Moderation dieses Events die Erfüllung seines Lebenstraumes wäre. Kompetent wäre der Entertainer allemal, ist er doch ein bekennender Fan der Veranstaltung. Außerdem hat er als Moderator früherer Qualifikationen und als diesjähriger Jury-Vorsitzender reichlich Erfahrung in der Materie. Oder wird Stefan Raab selbst bzw. sein Zögling Matthias Opdenhövel zum Zuge kommen?
Geklärt ist inzwischen auch die Frage, wer Deutschland 2011 vertreten wird: Stefan Raab sprach sich auf einer Pressekonferenz in Köln dafür aus, dass Lena die Chance bekommt, ihren Titel im eigenen Land zu verteidigen. Experten und Kritiker sind sich nicht einig, ob dies eine gute Idee war.
Vielleicht muss sie 2011 zu anderen Mitteln greifen, um sich einen Vorteil verschaffen zu können. Eine effektive Möglichkeit zeigte der diesjährige Beitrag der Spanier auf. Während der Live-Show kletterte ein Fan auf die Bühne und tanzte in der Choreographie mit. Aufgrund dieser Störung durfte der spanische Sänger Daniel Diges seinen Song wiederholen. Im kommenden Jahr muss dann einfach Elton auf die Bühne stürmen, ein bisschen Quatsch machen - aber nur soviel, dass die Performance nicht wesentlich gestört wird - und schon können wir mit etwas Schummelei unser Lied direkt vor der Abstimmung noch einmal vortragen und damit den Ohrwurmeffekt erhöhen. Einfach und wirkungsvoll.
Eines steht aber jetzt schon fest. Neben Lena ist auch Stefan Raab der große Gewinner des Abends. Nachdem er bereits 1998 als Komponist des Liedes von Guildo Horn zum ersten Mal beim europäischen Wettbewerb mitmischte und im Jahr 2000 sogar selbst antrat, initiierte er für den «Song Contest» im Jahr 2004 schon einmal eine Castingshow namens «SSDSGPS» . Damals trat Max Mutzke für Deutschland an, schaffte jedoch nur den achten Platz. Nun endlich ist Raab endgültig in die Fußstapfen von Vorbild und Rivale Ralph Siegel getreten, auch wenn der deutsche Song diesmal nicht aus seiner Feder stammte. Trotzdem kam Raab seiner Unsterblichkeit einen weiteren Schritt weiter. Was wäre das deutsche Fernsehen des neuen Jahrtausends ohne ihn?
Die Zahl des Monats
... hängt ebenfalls mit dem «Eurovision Song Contest» zusammen. Im Schnitt verfolgten 14,69 Millionen Menschen die Übertragung. Dies entspricht dem zweitbesten Wert seit Beginn der Messung. Darunter waren 8,38 Millionen werberelevante Zuschauer und damit rund doppelt soviel wie beim Finale von «Deutschland sucht den Superstar». Sagenhafte 61,6 Prozent standen am Ende des Abends auf der Uhr. In der Spitze (gegen Mitternacht) waren übrigens sogar über 20 Millionen Lena-Fans dabei. Die Marktanteile lagen zu dieser Zeit bei rund 80 Prozent. Angesichts dieser Zahlen muss sich die kommende Fußball-WM anstrengen, um höhere Quoten zu erreichen.
Die Lieblinge des Monats
Auch hier kommt man um den «Eurovision Song Contest» nicht herum. Im zweiten Halbfinale schickten die Niederlande ihre Vertreterin Sieneke mit dem "Lied Ik ben verliefd (Sha-la-lie)" ins Rennen. Der Song stammt aus der Feder von Vadder Abraham, der durch sein Lied der Schlümpfe legendär wurde. Und genauso klang auch seine 2010er Komposition, die obendrein verspielt und traditionell interpretiert wurde. Da wurden Erinnerungen an die Kindheit wach. Schade, dass es der Beitrag nicht ins Finale schaffte.
Seit längerem wiederholt der MDR am Sonntagmittag Natur- und Tierdokumentationen. Am 16. Mai 2010 hatte der Sender auf diesem Sendeplatz mit der Wiederholung von «Afrika – Die große Wanderung der Gnus» ein absolutes Highlight im Programm. In der BBC-Dokumentation von John Downer wurde eine riesige Herde Gnus auf ihrem beschwerlichen Weg quer über den Kontinent begleitet. Mit absolut spektakulären Bildern wurden die Angriffe von Löwen, Geparden, Krokodilen und Hyänen hautnah gezeigt. Atemberaubend, selbst für Nicht-Naturfans fesselnd und zudem auch informativ, denn das Team verriet immer wieder wie die sensationellen Bilder aufgenommen wurden. Wer es verpasst hat, bekommt am Freitag, den 11. Juni um 21.00 Uhr im RBB eine weitere Chance die weltweit größte Wanderung von Landtieren zu erleben.
Der Haufen des Monats
Den Preis für den größten Dünnpfiff des Monats erhält die Sendung «Kripo Live» für ihre Ausgabe vom 16. Mai 2010. Normalerweise wird versucht in solchen Fahndungssendungen ähnlich wie bei «Aktenzeichen XY... ungelöst» spektakuläre und besonders hinterhältige Taten aufzuklären. Nicht so in der Sendung vom MDR. Dort wurden Zeugen für den Vandalismus am kleinen Bruder des größten funktionierenden (!) Nussknackers der Welt gesucht. Das grausame Verbrechen wurde entsprechend dramatisch in Szene gesetzt und vom Sprecher kommentiert. „[Der Nussknacker] befindet sich in einem erbärmlichen Zustand, denn Unbekannte haben ihn übel zugerichtet. [...] An besagtem Morgen wurde er nach 03:00 Uhr aus seinem Häuschen herausgedrückt und lag schließlich in Einzelteilen auf der Straße.“ Bisher fehlt von den Tätern noch jede Spur. Doch wie soll es nach diesem Trauma weitergehen? Auch darauf fand der Bericht die passende Antwort: „Sollte das riesige Einzelstück nun jeden Abend in einen Schuppen gebracht werden? Schwer vorstellbar und sehr aufwendig, aber angesichts rücksichtsloser Zeitgenossen wohl notwendig.“
Doch damit nicht genug. In der selben Ausgabe wurde zusätzlich um die Mithilfe der Aufklärung des Diebstahls einer Heiligenfigur aus einer Kirche in Quedlinburg gebeten. Ein Fall, der nicht minder dramatisch war: „Aus dem Sockel ragen nur noch Schraubenreste heraus. Jemand hat sich an der hölzernen Statue vergriffen, sie abgebrochen und gestohlen.“ Ironischerweise handelt es sich bei der Figur um ein Abbild des heiligen Antonius – dem Heiligen für diejenigen, die etwas verloren haben. Gleichzeitig ist er jedoch auch der Schutzpatron der Bäcker, Bergmänner und Sozialarbeiter und er soll bei Krankheiten helfen. Wieso also sollte jemand ausgerechnet diese Figur klauen? Nach Ansicht des MDR kann es dafür nur eine Erklärung geben: „War jemand zornig, weil Antonius nicht geholfen hat?“ Sachdienliche Hinweise nimmt die Kripo in Quedlinburg entgegen.
Und sonst noch...
... hat Sophia Thomalla die dritte Staffel von «Let’s Dance» gewonnen, Klitschko seinen Boxtitel verteidigt, «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten» die Volljährigkeit gefeiert , «Lost» und «24» ihr Serienende erlebt, RTL die Schummeldoku «Unterm Hammer» abgesetzt und Sat.1 die Soap «Eine wie keine» eingestellt. Kurz, es ist rein gar nichts passiert, was auch nur annähernd so spektakulär, so dramatisch und so wichtig war wie Lenas Sieg in Oslo. Vielleicht abgesehen von Michael Ballacks Verletzung. Die „Wade der Nation“ wird dadurch bei der WM ausfallen und hat unserem Land einen tiefen Schock verpasst. Oder wie eine Berliner Tageszeitung formulierte: „Deutschland krückt zusammen“. Das Verletzungsdrama war sowohl dem Ersten als auch dem ZDF jeweils eigene Sondersendungen wert. Eine tiefe Enttäuschung für den Kapitän der deutschen Mannschaft. Sollte es hier vielleicht einen Zusammenhang geben? Ist es am Ende Ballack, dem Antonius nicht geholfen hat? Immerhin ist seine Heimatstadt Görlitz nicht allzu weit von Quedlinburg entfernt. Wir werden das im Auge behalten...
«Der Richterspruch»: Immer zu Beginn des Monats blickt Christian Richter bei Quotenmeter.de auf die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Wochen zurück und kürte die „Lieblinge“ und den „Haufen“ des Monats.