360 Grad

Dream-Team for the Win

von
Julian Miller geht der Frage nach, ob Raab oder Meyer-Landrut für Deutschlands Sieg beim «Eurovision Song Contest» verantwortlich ist.

„Germany, twelve points!“ Der Ubiquität des Lena-Raab-Teams kann man in den letzten Tagen nicht mehr entfliehen, wenn man eine Zeitung aufschlägt oder durch die Flimmerkiste zappt. Selbst für die «BILD»-Zeitung ist es nun „unsere Lena“, wie es vor einiger Zeit noch „unsere Annemarie“ gewesen ist, einem Castingungeheuer aus dem Bohlen'schen «DSDS»-Sumpf sondersgleichen, an dem so viel echt war wie an Pamela Andersons Oberweite. Und das obwohl Lena Meyer-Landrut ihr Privatleben nicht Yellow-Press-gemäß in allen Facetten in der Öffentlichkeit breittritt, sondern auf entsprechende Fragen der verkommenen Journaille mit dem schlagfertigen Satz „Ich bin zum achten Mal zwangsverheiratet“ abblockt.

In ihrem Umgang mit der Presse legt sie dabei ähnliche Muster an den Tag wie Stefan Raab. Niemand weiß, wie sein Kind aussieht oder wie seine Frau heißt. Und bevor er eine Homestory machen lässt, würde er wohl lieber einen Song mit Ralph Siegel aufnehmen.

Es war Raabs vierter Grand-Prix, der ihn zum europäischen Sieg führte und von den Blödeleien seiner ersten Auftritte ist er nun so weit entfernt wie der Mond. Schon Max Mutzkes Auftritt 2004 in Istanbul war ernst gemeint, wenn es Mutzke auch an allen Ecken und Enden an Charisma fehlte. Dennoch konnte Raab stets passable Ergebnisse einfahren, wobei er mit Lena Meyer-Landrut aber alle Rekorde gebrochen hat. Der Schlüssel zum Sieg liegt dabei jedoch nicht nur in ihrem unbestreitbaren Talent, sondern auch im Umgang von Raab und dem Brainpool-Team mit ihr. Während «Deutschland sucht den Superstar» von seinen Produzenten straff geführt wird und die Kandidaten von der Song-Auswahl bis zum Styling bevormundet werden, gibt Raab schlicht und ergreifend die Anweisung „Mach, wie du denkst“. Das schafft eine Atmosphäre, in der sich ein Künstler entfalten und seine Authentizität behalten kann. Lena Meyer-Landrut ist ein Individuum. Mehrzad Marashi ist das schon lange nicht mehr, wenn er es in seiner massentauglichen Gelecktheit überhaupt jemals war.

Fraglich bleibt, ob Lena Meyer-Landrut zusammen mit Raab nächstes Jahr den Titel verteidigen kann. Wer aber eine wirkliche Alternative zu den beiden bieten kann, werfe den ersten Stein.

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