Serienlexikon

«Carnivàle»

von
Seite 2
Nackte Ziffern sind für den Kabelsender Home Box Office nicht alles. Dennoch musste sich die mehrfach ausgezeichnete Serie «Carnivàle» bereits nach zwei Staffeln wieder von den amerikanischen Zuschauern verabschieden.

Verkörpert wurde Ben Hawkins von Nick Stahl. Mit 13 Jahren spielte er an der Seite von Mel Gibson in «Der Mann ohne Gesicht» und zog so die Aufmerksamkeit der Branche auf sich. Er setzte seine Karriere als aufstrebender Nachwuchsschauspieler fort und war in mal mehr, mal minder erfolgreichen Filmen zu sehen. Eine seiner bekanntesten Rollen ist die des John Conner in «Terminator 3: Rebellion der Maschinen». Obwohl Nummer drei als schlechtester Teil der Reihe gilt, wurde Stahl angeboten, Connor auch im vierten Part zu mimen. Doch der heute 30-Jährige war der Ansicht, es müsse sich ob des Sprungs in die Zukunft um einen älteren Darsteller handeln. Der Zuschlag erhielt letztlich Christian Bale, von dem ihn nur sechs Jahre trennen. Eine zweite populäre Figur Stahls ist die des Yellow Bastards in «Sin City». Justin Crowe, sein Gegenüber in «Carnivàle» wurde von Clancy Brown porträtiert, welcher eine weitaus umfangreichere Vita vorzuweisen hat. Nicht nur als Darsteller in Filmen wie «Highlander» oder «Die Verurteilten», sondern auch als Voice-Actor machte sich Brown einen Namen. Inzwischen steht er meist für die animierten Formate der Comicmarke DC hinter dem Mikrophon, doch auch Mr. Krabs aus «Spongebob Schwammkopf» wird von ihm synchronisiert. Fans der Serie «Lost» kennen Brown als Kelvin Inman, der über Jahre hinweg gemeinsam mit Desmond die Schwanstation bewohnte.

Bevor er ins Fernsehfach wechselte, war Serienerfinder Daniel Knauf Makler für Krankenversicherungen. Gefallen hat das dem guten Mann wenig, weshalb er bereits zwischen 1990 und 1992 das Drehbuch zu «Carnivàle» schrieb – allerdings für die große Leinwand. Knauf hatte jeden Aspekt seiner Idee ausgearbeitet und konnte ihren Verlauf bis hin zur abschließenden Sequenz erläutern. Doch obgleich sein ungewöhnliches Skript 180 Seiten umfasste, war er unzufrieden mit der Arbeit. Langsam aber sicher entwickelte sich das Projekt gen Fernsehen. Knauf verfasste das Drehbuch einer Pilotepisode, doch auf Grund fehlender Kontakte in der Branche verlief sich die Vision ein weiteres Mal im Sande. Im Zuge des neuen Milleniums ergriff er den letzten Strohhalm und bot das Skript auf seiner Website an. Die Produzenten Howard Klein und Scott Winant waren angetan und machten im Folgenden HBO auf das Schriftstück aufmerksam. «Carnivàle» ward geboren. Als Showrunner wurde Ronald D. Moore («Star Trek») engagiert, der die Position jedoch nach einem Jahr an Knauf abtrat, um das Reboot zu «Battlestar Galactica» voran zu bringen.

Dass die vier Millionen Dollar pro Episode korrekt eingesetzt wurden, zeigt sich an den erhaltenen Auszeichnungen der Serie: In ihrem ersten Jahr war «Carnivàle» für sieben Emmy Awards nominiert und gewann davon insgesamt fünf, unter anderem für die herausragenden Kostüme, das Hairstyling, die Cinematography und Art Direction einer Single-Camera Serie. Zudem wurde das äußerst teuere und in seiner Produktion aufwändige Opening Theme mit einem Emmy gewürdigt. Die zweite Staffel war für acht der begehrten Trophäen nominiert, gewann aber keine davon. Hierzulande wurde die Serie vom Fox Channel ausgestrahlt, zu empfangen über Sky und Unitymedia. Für das Free-TV hat noch kein Sender Interesse bekundet.

Schuld daran ist nicht nur der weit zurückliegende Broadcasttermin in den Vereinigten Staaten und das einzigartige, kaum massenkompatible Storytelling, sondern auch das unzufriedenstellende Finale. Niemand findet Gefallen an unabsichtlich offenen Enden. Wobei genau das das Problem von «Carnivàle» ist. Hätte Home Box Office den Gehaltspoker nicht ganz so ernst genommen, das Produktionsteam mehr auf die deutlichen Zeichen geachtet und Knauf sich nicht so sehr auf seinen Plan von sechs Staffel versteift, hätte man die Serie mit Episode 24 definitiv zu einem runden Abschluss bringen können. Das Schicksal hatte Ben und Justin endlich zusammen geführt, alle Fäden konzentrierten sich auf diesen Punkt und waren soweit auch beendet. Die Vergangenheit um die Figuren Henry Scudder oder das Management waren nicht zu 100 Prozent aufgeklärt worden, allerdings nur insofern, da man ihren Anfangspunkt nicht kannte.

Doch die Intention, der Konflikt, das Thema konnte man durch die rasante zweite Staffel ohne Schwierigkeiten verstehen. Nun musste nur noch eine Seite gewinnen. Und eigentlich ist auch genau das geschehen. Doch anstatt die letzten Minuten für eine ausklinge Szene zu nutzen, machte man aus 'New Canaan' mehr Staffel-, als Serienfinale. Knauf ließ zwei neue Handlungsstränge entstehen, deren alleinige Existenz wiederum die vor Sekunden gefestigte Zukunft von Ben und Justin erneut zweifelhaft erscheinen lässt. «Carnivàle» hätte enden können, doch wie auch noch heute meint Knauf, es wäre die einzige Lösung gewesen, an seinem Konstrukt festzuhalten. Im Gegensatz zu anderen vorzeitig beendeten Serien wie «Gilmore Girls» oder «Veronica Mars» steht eine Filmfortsetzung zwar dank Fans seit Jahren im Raum, blieb von Verantwortlichen aber bislang unangetastet.

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