Heute bleibt die Glotze kalt: Unser Kolumnist gibt Kinoempfehlungen für alle, denen das runde Leder am Allerwertesten vorbeirollt.
In wenigen Tagen beginnt die Fußball-WM, und während sich fast alle darüber freuen, bekommen die Kinobesitzer das kalte Grausen. Denn während Fußball-Großereignissen läuft in dieser Branche fast nichts. Und die Verleiher machen den Kinobesitzern die Jagd nach Besuchern nicht gerade leichter: Während der WM starten nur sehr wenige Filme, die meisten davon auch bloß in Form streng limitierter Alibistarts. Was macht der geneigte Filmfreund also, wenn es ihm in den kommenden Wochen nach einem Film gelüstet? Kino scheint ausgeschlossen, aber wenn man zu Hause eine DVD einlegen will, rasselt man vielleicht mit dem heimischen Fußballfanatiker zusammen.
Die Lösung: Einfach nicht so schnell die Flinte ins Korn werfen und das Kino aufgeben. Denn bloß, weil kaum größere neue Filme starten, muss man Deutschlands Lichtspielhäuser nicht ganz aus dem Terminplaner streichen. Für den interessierten Kinogänger gibt es auch während der WM genügend Möglichkeiten für Spaß im Kinosaal. Zunächst eine ganz simpel gedachte Idee: Die WM ist ideal, um Filme nachzuholen, die man in ihren ersten Wochen verpasst hat. Da kaum neues Futter nachkommt, bleiben ältere Filme noch mal ein Stückchen länger im Kino. Als unbeschwertes Actionfutter bietet sich etwa der vom Publikum bislang unverdient verschmähte «Prince of Persia - Der Sand der Zeit» an. Wer seine Action ein kleines bisschen anspruchsvoller mag, dem sei dagegen «Robin Hood» empfehlen, der nach einem starken Startwochenende ebenfalls seine Besucher verlor. Und wer die Augen offen hält, wird bestimmt in seiner Nähe noch ein Multiplex finden, dass weiterhin den hervorragenden Animationsfilm «Drachenzähmen leicht gemacht» zeigt. Die hibbeligen, ungeduldigen Kinder haben de Film mittlerweile alle gesehen, was könnte einen also noch immer vom Kinobesuch abhalten?
Wer einer gewissen Konsequenz handeln will, lässt bei seinem alternativen Anti-WM-Programm natürlich auch die großen Kinopaläste bei Seite und besucht das Programmkino seines Vertrauens. Dort kann der findige Kinobesucher allerlei Futter für seine Filmlust entdecken und begegnet sicherlich gleichgesinnten Fußballmuffeln. Von der deutschen Tragikomödie «Vincent will meer» über den vielfach gelobten Animationsfilm «Der fantastische Mr. Fox» bis hin zu ungewöhnlichen Titeln wie «Die Beschissenheit der Dinge» wird man schon noch irgendetwas ausfindig machen, das dem eigenen Gusto genügt. Außerdem wird man bei häufigeren Besuchen eines Programmkinos garantiert die eine oder andere skurrile Anekdote mit nach Hause nehmen.
Manche Programmkinos bieten sogar eine stattliche Auswahl älterer Filme an. Das beginnt bei Blockbustern, die gerade aus der Rotation in Multiplexen rausfielen (wie etwa dem frisch gebackenen Milliardär «Alice im Wunderland») und führt von Hits des vergangenen Jahres bis hin zu waschechten Klassikern wie «Spiel mir das Lied vom Tod». Und so viel sei gesagt: Solche Filme im Kino zu erleben, ist ganz was anderes, als daheim einfach eine DVD einzulegen!
Apropos ältere Filme: Einen absoluten Geheimtipp gibt’s da noch. Denn zahlreiche Universitäten haben ein Studentenkino, das in vielen Fällen für jeden Besucher zugänglich ist. Nur wissen die wenigsten über diese von Studenten geleiteten Programmfenster Bescheid, so dass sie zu reinen Insiderveranstaltungen verkommen. Deshalb kann es nicht schaden, sich mal umzuhören, ob die Studenten einer nahe gelegene Universität nicht ebenfalls einmal die Woche oder sogar öfter abends einen Hörsaal an sich reißen und dort ausgewählte Filme vorführen. Der Animationsfilm «#9» beispielsweise tingelt mit einer einzigen Kopie durch Deutschland und macht öfter auch in solchen Studentenkinos halt. Erfahrungsgemäß ist die Stimmung in diesen Kinos eine ganz eigene, die man mal erlebt haben sollte. Das ist garantiert deutlich spannender als das Vorrundenspiel zwischen “Was, das Land gibt’s noch?” und “Die sind eh schon ausgeschieden”.