Schwierigkeiten mit dem Touchscreen und ein Reichsparteitag
Der bislang im Free-TV am meisten in Erscheinung getretene TV-Sender dieser Weltmeisterschaft war die ARD, welche an drei von vier Tagen mindestens bei einem Spiel im Einsatz war. Am Freitagnachmittag begrüßten Gerhard Delling und Günther Netzer die Zuschauer erstmals live aus dem Soccer City-Stadion in Johannesburg, bevor sie an Gerd Gottlob abgaben, der live von der Eröffnungsfeier und -spiel berichtete. Gottlob gab dabei eine gewohnt solide Vorstellung ab, in den wenigen spannenden Momenten der Partie zwischen Südafrika und Mexiko ging er einigermaßen gut mit und überzeugte durch seinen Sachverstand. Bei der Eröffnungsfeier hingegen gab es durchaus Anlass zur Kritik, denn des Öfteren quatschte er in einigen musikalischen Darbietungen hinein. Trotz Sachverstand immer wieder kritisiert wurde zuletzt auch Experte Günther Netzer, der bei diesem Turnier erneut versuchte, seine Analysen durch nicht mehr wirklich authentisch wirkende Sticheleien gegenüber Gerhard Delling aufzulockern. Auch die Tatsache, dass dieses Duo direkt vom Stadion aus berichtete, zahlte sich bislang kaum aus.
Mit Reinhold Beckmann und dem ehemaligen Bayern-Profi Mehmet Scholl durfte ein weiteres Duo am Samstag von den beiden Nachmittagsbegegnungen aus der Gruppe B berichten. Während Beckmann verkrampft wirkte und zudem der neue Touchscreen ihm einige Male deutliche Schwierigkeiten bereitete, brachte zumindest Scholl ein bisschen Leben in die ansonsten recht altbacken wirkende Übertragung und widersprach seinem Gegenüber auch einige Male. Besagter Touchscreen wirkte eher wie ein mühsamer Versuch des Ersten Deutschen Fernsehens, technisch auf dem neuesten Stand zu sein, denn der wirkliche Nutzen dieses Geräts blieb bisher im Verborgenen, es führte eher zu einigen unfreiwillig komischen Bedienungsproblemen vonseiten der Moderatoren. Kommentatoren der Samstagspiele waren neben Gottlob der durchweg solide, jedoch meist auch ebenso langweilige Tom Bartels sowie der umstrittene ARD-Sportchef Steffen Simon, welcher bei vielen Fußballfans keinen guten Ruf hat. Am Ende des WM-Tages steht noch eine Runde «Waldis WM-Club» an, welcher insbesondere am Freitagabend für einen echten Fußballfan nur schwer erträglich war. Neben Matze Knop, der wieder einmal in seine Rolle als Franz Beckenbauer schlüpfte und einen Flachwitz nach dem anderen abließ, überzeugten auch Comedian Guido Cantz und Schauspielerin Monika Gruber nicht unbedingt durch besonders große Fußballkenntnisse. Ein kleines Highlight der ansonsten eher mittelmäßigen ARD-Übertragungen stellte die Band Blumentopf dar, die auch in diesem Jahr wieder einige "Raportagen" zum Besten geben werden.
Etwas positiver fällt das Zwischenfazit vom ZDF aus, welches bislang nur am Sonntag zum Einsatz kam. Hier durften Rudi Cerne, der den Vorzug vor Michael Steinbrecher bekam und Urs Meier von den beiden Nachmittagsspielen berichten, was zumindest am ersten Tag auch gut gelang. Als ehemaliger Fußballschiedsrichter hebt sich Meier zudem vom üblichen Fernsehexperten angenehm ab, da er statt der immer ähnlichen Kommentare die Fußballspiele des Öfteren aus einer anderen Perspektive wahrnimmt. Wenig charismatisch kam hingegen Lutz Pfannenstiel rüber, der als weltweit erster Fußballspieler bereits auf allen sechs Kontinentalverbänden bereits bei einem Profiverein spielte. Das Abendspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Australien wurde dann von Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn live aus Durban präsentiert, die sich allmählich aufeinander eingestellt zu haben scheinen. Ein peinlicher Fauxpas geschah ersterer aber dennoch, indem sie zur Halbzeitpause das Gefühl von Miroslav Klose nach seinem Treffer als "inneren Reichsparteitag" bezeichnete und somit einige Kontroversen auslöste.
Gleich mehrere kleinere Fauxpas leistete sich auch der ZDF-Kommentator Thomas Wark, der die Begegnung um 13:30 Uhr kommentierte. Er bezeichnete das Team vom VfL Wolfsburg als "Absteiger" und verkündete einige Zeit vor Spielende, dass "erstmals bei dieser Weltmeisterschaft" eine Begegnung torlos enden könnte, obgleich dies bereits zuvor am Freitagabend geschah. Davon abgesehen lieferte er aber ebenso wie der später kommentierende Oliver Schmidt eine gute Leistung ab, vor allem zeigten sie bei guten Torchancen Emotionen. Der beliebteste Kommentator durfte das Topspiel des Abends kommentieren, bei der Mehrheit der Deutschen kommt der erfahrene Sportreporter weiterhin gut an. Ein weiterer Pluspunkt in Sachen seriöser Sportübertragung ist definitiv die Tatsache, dass die unsägliche Comedy-Show «Nachgetreten» in diesem Jahr nicht erneut mit platten Gags die Fußballstimmung verdirbt und stattdessen den Sendeplatz mit Dokumentationen über die südafrikanische Kultur sinnvoller nutzt. In dieser Hinsicht ist den öffentlich-rechtlichen Fernsehstationen ein Kompliment zu machen, denn bei keinem anderen Sender erfährt man derart viel über die Kultur und Lebensweise der Bewohner Südafrikas. Wer jedoch ein wirklicher Fußballfreund ist und das nötige Kleingeld besitzt, sollte sich den Pay-TV-Sender Sky zulegen, der umfassender und kompetenter von der WM berichtet als beide Öffentlich-Rechtlichen.
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