360 Grad

Fernsehen fürs Publikum

von  |  Quelle: Focus, Ausgabe 23/10
Julian Miller setzt sich mit einem internen Memo von Peter Boudgoust auseinander, das derzeit in den Büros der ARD kursiert.

Seit einigen Wochen kursiert in den Büros der ARD ein internes Memo des Vorsitzenden Peter Boudgoust. Der Titel: „Neun von Zehn guten Gründen für die ARD“. Der Zweck des Schriftstücks besteht wohl darin, unangenehmes Fahrwasser zu vermeiden, wenn Mitarbeiter in der Öffentlichkeit über so kontroverse Punkte wie die Gebührenfinanzierung, das überalterte Publikum und die zumeist verkommenen, debilen Eigenproduktionen im Fiction-Bereich sprechen müssen.

Ein Grund auf Boudgousts Liste für die ARD ist dabei besonders interessant: „Die ARD ist unverzichtbar, weil wir Programm fürs Publikum machen – und nicht, um Werbung zu verkaufen.“ Wer also Werbung verkauft, macht laut Boudgoust kein Programm fürs Publikum? Gerade das ist ein Widerspruch in sich. Denn Werbepreise bauen, wie jeder weiß, auf den Zuschauerzahlen auf. Je mehr Zuschauer, desto mehr Gewinn für den Werbungsverkäufer. Das Ziel der ARD ist also dasselbe wie das des Privatfernsehens: eine möglichst große Zuschauerschaft. Werbung hin oder her.

Denn selbstverständlich macht auch das Privatfernsehen Programm fürs Publikum. Nur eben mit dem Unterschied, dass für RTL & Co. ein kausaler Zusammenhang zwischen Einschaltquoten und Gewinn besteht. Ein Problem, das man bei der ARD nicht hat. Dennoch muss man sich auch dort an den Zuschauerzahlen orientieren, um eine Existenzberechtigung zu haben, die man aufgeben würde, würde man am Publikum vorbeisenden. Während die Privatsender Programm für die Generation 50- machen, besteht die Zuschauerklientel der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz eben zum größten Teil aus Rentnern. Fernsehen ohne Werbung, für das dank der Gebührenreform bald jeder zur Kasse gebeten wird.

Hinzu kommt noch, dass das Erste ja in keiner Weise ein werbefreies Umfeld bietet. Lediglich in der Prime-Time bleibt man von Spots verschont, doch tagsüber sieht das vollständig anders aus. Laut einem Bericht des Nachrichtemmagazins FOCUS bieten ARD und ZDF ihren Werbekunden anlässlich der derzeitigen Fußball-Weltmeisterschaft alles, was das PR-Herz begehrt. Von „attraktive[n] Sonderwerbeformen“ bis hin zu Splitscreens während der Halbzeitpause. Das hört sich doch ziemlich ui-ui-ui an, nicht wahr, Herr Boudgoust?

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