Kirschs Blüten

«Kirschs Blüten»: WM-Drehbuch

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Wer schrieb eigentlich das Drehbuch dieser WM? Unser Kolumnist sucht nach TV-Parallelen.

In letzter Zeit werde ich häufig gefragt: Wer schreibt eigentlich das Drehbuch dieser Weltmeisterschaft in Südafrika? Eine Antwort fällt schwer, doch dass die Ereignisse um das Weltturnier, das uns die Sender ARD, ZDF, RTL und nicht zuletzt das Pay-TV Sky ins Wohnzimmer und auf die Großbildleinwände transportieren, mittlerweile Hollywoodreif sind, ist unbestritten. Unzählige vergebene Torchancen, verrückte Eigentore, haarsträubende Torwartfehler, kuriose Elfmeter, brutale Fouls, ein Gelbe-Karten-Rekord-Versuch sowie Unstimmigkeiten in den Favoriten-Mannschaften von Frankreich und England – all das sind Schlagzeilen, die die Weltmeisterschaft auf dem afrikanischen Kontinent Tag für Tag macht. Würde es tatsächlich ein Drehbuch geben, wäre es ein Genre-Mix und könnte eine Mischung aus «Ups! Die Super-Pannenshow» und «Die 25 skurillsten Fußballszenen» sowie einer Brise «Mitten im Leben» zwischen den Spieltagen darstellen. Manchmal reicht vielleicht auch eine «perfekte Minute» zum glücklichen Sieg gegen den eigentlichen WM-Favoriten. So waren auch die Schweizer der David, der gegen den spanischen Goliath gewann – nur ein Beispiel von vielen. Die Sensations-Ergebnisse, die dadurch zustande kommen, zu tippen oder gar eindeutig vorherzusagen, wäre sicherlich selbst für die Kandidaten der Show «The Next Uri Geller» eine große Herausforderung, wenn nicht sogar unmöglich. Genügend Szenen für eine fußballerische «Fight Night» wären auch vorhanden, wenn selbst Weltstars wie der Brasilianer Káka sich zu fiesen Ellbogenchecks hinreißen lassen. Dass teils rüde gefoult wird, braucht nicht extra erwähnt werden. Denn hier sind die Schiedsrichter gefragt, die alles über der normalen internationelen Härte unterbinden sollen. Doch mal hangelt es nur so Gelbe Karten, ein andermal versucht es der Referee eher diplomatisch, was dann durch Tumultszenen auch nach hinten losgeht – es ist eben seine «Entscheidung am Nachmittag», wenn auch meistens eine schwierige und nicht selten falsche.

Diese Wortspiele könnte man beliebig fortsetzen, liefert diese verrückte Weltmeisterschaft doch genug Szene, um ein beinahe komplettes Abbild des Fernsehens zu zeichnen. Und da das Fußball-Weltturnier alle Facetten so schön vereint, werden alle anderen Sendungen natürlich überflüssig, was sich an den Spitzenmarktanteilen der übertragenden Sender auch deutlich zeigt. Doch auch abseits des Rasens wird für feinste Unterhaltung gesorgt. In der ARD sind Günther Netzer und Gerhard Delling gut gelaunt in Höchstform und zum gegenseitigen Bashing allzeit bereit. Da würden selbst «Schmidt & Pocher» zur ihren besten Zank-Zeiten auf gleichem Sender nur ungläubig aus der Wäsche gucken. Immer wieder schießen sie sich die Verbal-Bälle zu, die der Gegenüber dankend annimmt, um dem anderen wiederrum „einen reinzudrücken“. Der Konter kommt natürlich retour. Und so geht das Spielchen hin und her – zwischendurch kommt es auch mal zu fundierten Analysen – bis das eigentliche Fußballspiel beginnt. Ähnlich – nur in dem Fall ist es purer Ernst und weitaus schlimmer – soll es ja bei den Nationalmannschaften von Frankreich und England zugehen. Über «Verdachtsfälle» und «Betrugsfälle» könnte man anhand der dort entstandenen Storys ein Format der Marke Sondersendung mit dem Titel «Nationalteams im Brennpunkt» machen.

Im ZDF hat man den Blick erweitert und auch das neue Web 2.0 nicht aus den Augen verloren. Der WM-Fanexperte der Mainzer berichtet regelmäßig über das Fanbarometer in den Netzwerken wie Facebook, von Umfragen im Web oder Meinungen beim Microbloggingdienst Twitter. Da sind auch all die Hasstiraden auf den spanischen Schiedsrichter, der die Partie zwischen Deutschland und Serbien leitete, fokussiert worden. Der ganze Frust der Deutschen über die WM-Pleite im zweiten Vorrunden-Spiel entlud sich wie schon einst bei einer «Schlag den Raab»-Sendung mit dem polarisierenden Hans-Martin. Allein diese Geschichten nachzuerzählen würden den Rahmen hier sprengen. Doch genau das ist das Interessante, was das vielschichtige WM-Drehbuch in diesem Jahr ausmacht. Emotionen, Kuriositäten sowie Skandale und Sensationen sind die Eckpfeiler. Auch wenn sie häufiger bei Turnieren dieser Art auftreten, so ist die Schlagzahl der Vorfälle und Auffälligkeiten beim Kampf um den Weltpokal in Südafrika doch erstaunlich hoch. Mit ein wenig Humor lassen sich aus all diesen kleinen WM-Geschichten schöne Parallelen zum Fernsehen ausmalen, die im Gesamtpaket ein fulminantes Drehbuch ergeben und jeden Programmdirektor ob der damit zu erwartenden Einschaltquote umhauen würden. Doch das vielschichtige WM-Drehbuch ist noch lange nicht fertig. Es darf weiter gebastelt werden, denn die Weltmeisterschaft wird mit jedem einzelnen Spiel weitere spannende Geschichten schreiben. Das Ende der Fahnenstange ist hier mit Sicherheit noch nicht erreicht.

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