Glenns Gedanken

Moral vs. Unterhaltung bei «Big Brother»

von
«Big Brother» schmiss Rüpel René aus moralischen Gründen aus dem Haus. Zu Recht, meint unser Kolumnist Glenn.

Wie weit darf Unterhaltung gehen? Diese Frage ist fast so alt wie das Fernsehen selbst. Das Reality-Format «Big Brother» steht seit dem Premierenjahr 2000 regelmäßig in der Kritik und wird kontrovers diskutiert. Die aktuell laufende 10. Staffel stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Nun gab sich RTL II vergangenen Montag überraschend moralisch. Seit Monaten dominiert Bewohner Klaus, seines Zeichens Pornodarsteller und Ex-Callboy, das Geschehen im Haus. Er nimmt kein Blatt vor den Mund, hetzt wahllos gegen die anderen Bewohner, verbreitet Lügen und setzt Gerüchte in die Welt. Keine andere Staffel zuvor war derart von niveaulosen Streits und aggressiven Auseinandersetzungen gekennzeichnet. Doch Klaus hat es geschafft, die Mehrheit der Zuschauer auf seine Seite zu ziehen und sie zu dirigieren. Seitdem folgen sie devot seinen Nominierungsanweisungen und wählen einen Gegner nach dem anderen für ihn raus. Bewohner René wollte es ihm gleich tun und versuchte Klaus noch zu toppen, indem er sich pausenlos mit seinen Mitbewohnern anlegte, sie aufs Äußerste provozierte und wie ein Maschinengewehr einen verbalen Angriff nach dem anderen abfeuerte. Ohne Rücksicht auf Verluste. Von Feingefühl, Empathie, Respekt, Anstand, Disziplin und guten Manieren keine Spur.

Am vergangenen Montag war das Fass dann voll, als er bei seiner Nominierungsbegründung Mitbewohner Daniel beschuldigte, er würde Schicksalsschläge (3 seiner Verwandten sind im Verlauf der Staffel tragischerweise verstorben) zu seinem Vorteil ausnutzen. Dies führte zu einem Eklat im Haus und großer Empörung bei den Zuschauern, und hatte letztendlich zur Folge, dass René vom Großen Bruder kurzerhand des Hauses verwiesen wurde. Als Grund wurde seine pietätlose und verletzende Nominierungsbegründung genannt. Diese Konsequenz von «Big Brother» war dringend notwenig, nachdem es in den vergangenen Monaten schon zu ähnlich drastischen Vorfällen gekommen ist und man nicht gehandelt hat. Doch besser spät als nie. Einige Zuschauer sind empört über den plötzlichen Rauswurf und argumentieren, dass René nur seine Meinung gesagt habe und man ihn im Sinne des Unterhaltungsfaktors nicht aus dem Projekt hätte entfernen dürfen. Doch alles hat seine Grenzen und man kann nicht jegliches asoziale Verhalten mit dieser Pseudo-Begründung entschuldigen, indem man stur das "Unterhaltung"-Schild hochhält.

Offenbar ist man bei «Big Brother» endlich aufgewacht. Seit vergangenem Montag sind Buhrufe der Zuschauer in der Liveshow auch wieder ausdrücklich verboten. Auch dies ist angesichts des primitiven Verhaltens des Studiopublikums leider eine unvermeidliche Maßnahme. Denn jeder, der es auch nur ansatzweise wagte, Kritik an Klaus zu üben, wurde in den letzten Wochen konsequent und merkbefreit ausgebuht. Auch die Entwicklung im Internet ist gefährlich. In diversen Gästebüchern und Foren gehen sich die Fans gegenseitig an die Gurgel und die Bewohner werden aufs Übelste beleidigt. Einige Exbewohner haben sogar Morddrohungen fanatischer Zuschauer erhalten. Das wurde «Big Brother» nun wohl zu bunt und man sah sich in der Pflicht einzuschreiten.

Für mich ist klar: Es wird auch in dieser Staffel kein Typ wie Klaus gewinnen. Auf keinen Fall. Er war für RTL II lange Zeit der Quotenbringer, aber man will einem Bewohner, der mehrfach durch asoziales und erniedrigendes Verhalten auffiel, mit Sicherheit nicht das Geldköfferchen überreichen. Unterhaltung schön und gut, aber kein Applaus für Arschlöcher.

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