Die Kritiker

«Friedliche Zeiten»

von

Story


Deutschland in den 1960er Jahren: Nach ihrer Flucht in den Westen sollten für die Striesows eigentlich friedliche Zeiten beginnen. Aber Mutter Irene lässt die Vergangenheit nicht los: Sie sehnt die vertraute DDR zurück, misstraut der Waffenruhe und mutmaßt, dass ihr Mann Dieter ihr fremdgeht. Am liebsten würde Irene jung sterben. Darüber lässt sie auch Dieter und die drei Kinder Ute, Wasa und Flori nicht im Unklaren. Als sich das heimische Wohnzimmer immer mehr in einen Kriegsschauplatz verwandelt, beschließen die Geschwister, selbst dafür zu sorgen, dass Irene endlich glücklich wird, Dieter wieder unbeschwert Witze über den Osten machen kann und der dritte Weltkrieg womöglich doch nicht stattfindet.

Darsteller


Katharina Schubert («Shoppen») ist Irene Striesow
Oliver Stokowski («Das Experiment») ist Dieter Striesow
Nina Monka («Idas Reise») ist Ute Striesow
Leonie Charlotte Brill («Kommissar LaBréa: Tod an der Bastille») ist Wasa Striesow
Tamino Wecker ist Flori Striesow
Axel Prahl («Tatort») ist Karl

Kritik


Jungregisseurin Neele Leana Vollmar wurde für ihren Untergrundbestseller «Meine Eltern» mit zahlreichen Festivalpreisen bedacht und schaffte es 2005 mit «Urlaub vom Leben» und im vergangenen Jahr mit «Maria, ihm schmeckt’s nicht», bundesweit die Kinosäle zu füllen. Weniger bekannt, aber nicht minder gelungen ist ihr zweiter Spielfilm aus dem Jahre 2008, die Tragikomödie «Friedliche Zeiten». Das Drehbuch stammt von der renommierten Drehbuchautorin Ruth Toma, die unter anderem für «Emmas Glück» oder «Kebab Connection» verantwortlich zeichnet.

Im Westdeutschland der 60er-Jahre ist die vermeintlich glückliche DDR-Familie Striesow gestrandet, die mit drei Kindern, schmuckem Eigenheim und eigenem Auto eigentlich alles besitzt, um glücklich zu sein. Doch was nach Familienidyll im freien Westen anmutet, ist in Wahrheit nur Schein: Mutter Irene, in wunderbarer Neurose von Katharina Schubert verkörpert, ist gedanklich nie in der neuen Heimat angekommen, fürchtet den Dritten Weltkrieg und glaubt, ihr Mann betrüge sie. Dieter, von Oliver Stokowski als sympathischer Lebemensch charakterisiert, ist zwischen Problemzone Familie und persönlichem Wohlbefinden in der neuen Heimat hin- und hergerissen. Und die Kinder Ute, Wasa und Flori stehen zwischen den Stühlen: Sie wollen, dass beide Eltern glücklich sind. Was auf den ersten Blick nach Komödie aussieht, ist eigentlich eine knallharte Tragödie über Menschen, die ankommen wollen, aber nie richtig glücklich sind; deren Leben zerrissen ist zwischen Pflichtgefühl und Fluchtreflex.

Leider schafft es der Film nicht, über weite Strecken wirklich tragisch zu sein. Die aus der Sicht der Kinder erzählten Begebenheiten und Vorfälle sind in ihrer Naivität zwar ergreifend, dringen vor einem allzu künstlichen Hintergrund aber nicht wirklich zum Zuschauer vor – was teils gut gelingt, artet an anderer Stelle sogar unrealistisch aus: Dann, wenn sich die Eltern wie Kinder verhalten und den Kindern Lebensweisheiten und große Worte in den Mund gelegt werden, die weit über die anfänglichen infantilen Gedankengänge à la «Wie alt muss man eigentlich werden, um jung zu sterben» hinausgehen. Etwas mehr Subtilität hätte «Friedliche Zeiten» gut getan, um wirklich ein Meisterwerk zu sein, das beim Zuschauer hängenbleibt. So darf man sich auf einen gemütlichen Film freuen, der in seiner ungewöhnlichen Erzählweise zwar besonders ist und aus der breiten Masse heraussticht, aber letztendlich sein eigenes Potential verschenkt. Trotzdem lohnenswert.

Das Erste zeigt «Friedliche Zeiten» am Mittwoch, den 28. Juli 2010, um 20:15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/43500
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