Eine Odyssee durch die DVD-Regale brachte eine Erkenntnis: Mario Barth oder Bully gesellen sich gern zu Hildebrandt oder Loriot.
Neulich im Eletromarkt: Nichts ahnend stöbere ich genüsslich in den CD- und DVD-Regalen. Für mich ist das Schlendern durch die schmalen Gänge, zwischen denen links wie rechts haufenweise Silberscheiben verpackt in robuste Kunststoff-Hüllen dicht aneinander gestapelt sind, ja ein Vergnügen. Wie Schuhe gucken bei Frauen. Schön alphabetisch sortiert sind die Scheiben, auf denen – größtenteils – hochwertiges Film- und TV-Material gepresst ist. Sternstunden des Fernsehens, aber auch ebensolche Todsünden. Megablockbuster, die die Kinokassen klingeln ließen. Aber auch nostalgische Meisterwerke. Von der Action- oder Horrorserie, die man immer schon mal sehen wollte, aber dies aus unerklärlichen Gründen nicht geschafft hat, bis hin zu den Lieblings-Comedyserien, die man immer wieder schauen kann. Genug geschwärmt. Nachdem ich also wie so oft stundenlang zwischen den Filmen und Serien verweilte, bin bei letzterem Genre auch stehen geblieben – der Comedy-Abteilung. Doch was sehe ich da? Zwischen den auf DVD erhältlichen Live-Programmen von Mario Barth, Matze Knop, Hirschhausen und Mittermaier steht doch tatsächlich eine DVD der «Münchner Lach- und Schießgesellschaften». Kennt ihr nicht? Sie wurden bereits 1956 von Sammy Drechsel und Dieter Hildebrandt gegründet. Nostalgie pur. Und eindeutig Kabarett. Nicht Comedy. Dieter Hildebrandt, der Gründer des ARD-«Scheibenwischer», ist fast schon das Synonym für politisch-satirisches Kabarett. Und so einer steht unter Comedy?
Als Film- und Serienliebhaber, der gerne seine Ordnung in den Genres hat, hat mir das natürlich keine Ruhe gelassen. Über Fernsehen und bestimmte Sendungen lässt sich bekanntlich streiten. Es gibt kaum ein Thema – außer Fußball vielleicht – worüber man stets diskutieren kann. So entstehen zwischen mir und Freunden regelmäßig angeregte Fachsimpeleien, welchem Genre diese oder jene Serie denn zuzuordnen sei, vom Inhalt mal ganz abgesehen. Doch eindeutig politisches Kabarett unter Comedy einzuordnen? Geht gar nicht. Geistesgegenwärtig habe ich also die DVD gepackt. Am liebsten hätte ich sie den offensichtlich inkompetenten Mitarbeiter dieses Elektromarkts, dessen Namen wir hier lieber verschweigen, auf die Ladentheke geworfen und sie gefragt, was das denn solle. Stattdessen habe ich aber dann doch beschlossen, die Sache lieber selbst in die Hand zu nehmen und für Ordnung zu sorgen. Weg mit der Kabarett-DVD aus der Comedy-Abteilung. Wie Hausmeister Krause sagen würde: Ordnung muss sein. Und wo brachte ich sie hin? Natürlich, in die Kabarett-Abteilung des besagten Elektromarkts. Das heißt, das war mein Vorhaben. Dabei blieb es. Denn zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass es gar keine Kabarett-Abteilung in diesem Laden gibt. Nun war ich völlig perplex. Was nun? Also doch hin zum Elektromarkt-Mitarbeiter.
Auf meine Frage hin, wieso die «Münchner Lach- und Schießgesellschaften» denn in der Comedy-Abteilung stehen, obwohl es ja offensichtlich Kabarett ist, kam genau die Antwort, die ich schon befürchtet hatte. Dieser Elektromarkt macht zwischen Comedy und Kabarett keinen Unterschied. Auch deren Konkurrenz nicht. Selbst im Internet fand bei meinen hektischen Recherchen (es ließ mir einfach keine Ruhe) in diversen Online-Shops einen bunten Mischmasch aus Kabarett, Sitcoms oder Stand-Up – alles unsortiert. Bei diesem Online-Auktionshaus ja sowieso. Kabarett ist also heute Comedy? Ein Blick in den Duden bestätigt unterschiedliche Definitionen. Während Kabarett die Kleinkunst meint, die zur Aufführung gebracht wird, ist Comedy eine in Serie produzierte Humorsendung. Das Stand-Up-Programm ist hier schon die moderne Comedy, die kabarettistische Elemente teilweise vereint. Doch Sitcoms, Panel-Shows und die Königsdisziplin Late-Night haben im Fernsehprogramm ohnehin das Kommando übernommen. Mit dem dualen Rundfunksystem kam auch eine Veränderung des Programms. Das Kabarett ist nur noch vereinzelt vertreten, der «Scheibenwischer» - heißt bekanntlich jetzt «Satire Gipfel» - einer der ältesten Veteranen. In ARD, ZDF und den dritten Programmen hat sich das Kabarett dank dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag noch gehalten. Die Privaten setzten auf Formate von Übersee, die auf Unterhaltung und Lachen getrimmt sind. Sie sind auch bequemer als das politisch-kritische Kabarett. Mehr Programm brachte auch neue Sendungen und der Comedy-Boom ließ sie auch in Deutschland etablieren, waren sie auf dem US-Markt schon ein Renner. Das beste Beispiel im aktuellen TV-Programm ist die US-Sitcom - allen voran «Two and a half Men» oder «Scrubs», die momentan vor allem ProSieben und kabel eins glücklich machen. Ein Trend, der nicht von ungefähr kommt. Und so stehen Dieter Hildebrandt oder Loriot heute in den Regalen auch mal neben Bully Herbig oder dem «Switch Reloaded»-Team. Kabarett heißt heute auch Comedy.
«Kirschs Blüten» gehen auch nächste Woche wieder auf – jeden Dienstag! Nur bei Quotenmeter.de!