Kennst Du schon Baran Bo Odar? Die Quotenmeter.de-Reihe wird mit dem Regisseur von «Das letzte Schweigen» fortgesetzt. Quotenmeter.de-Geschäftsführer Fabian Riedner traf Barab Bo Odar zum Interview.
Der gebürtige Schweizer Baran Bo Odar ist den deutschen Kinogängern weitgehend unbekannt. Dennoch engagierte sich der Regisseur für seinen ersten abendfüllenden Spielfilm Roeland Wiesnekker, der sich durch den Sat.1-Flop «Blackout» in das Herz der wenigen Zuschauer und vieler Kritiker spielte. Wotan Wilke Möhring ist ebenfalls an Bord, seine Karriere startete mit dem Spielfilm «Der Schatz des weißen Falken», bei ProSieben bekam er in «Die Unbeugsamen» die Hauptrolle. Inzwischen ist Möhring zu einem erfolgreichen Kinoschauspieler aufgestiegen: «Operation Walküre», «Soul Kitchen» und «Henri 4» sind nur drei aktuelle Beispiele. Jetzt ist der Schauspieler neben Ulrich Thompson, Katrin Saß, Sebastian Blomberg, Karoline Eichhorn und Claudia Michelsen in «Das letze Schweigen» zu sehen.
„Ich bin ein unbekannter Regisseur, am Ende überzeugte einfach das Drehbuch. Die Schauspieler konnten nicht groß auf mich vertrauen, weil sie noch keine Sachen von mir gesehen haben. Sie fanden das Buch und die Rollen toll, die wollten das unbedingt spielen“, sagte Regisseur und Drehbuchautor Baran Bo Odar im exklusiven Quotenmeter.de-Interview. Der 32-Jährige gehört zu den ganz frischen Talenten der deutschen Kinoszene. An der Hochschule für Fernsehen und Film studierte er zwischen 1998 und 2006 Regie, zwischendurch absolvierte er ein Praktikum bei Dorris Dörries Kinofilm «Nackt». Inzwischen hat er an den Universitäten St. Gallen und München einen Lehrauftrag. Leute, die zum einen Drehbuchautor und Regisseur sind, gibt es nur wenige in Deutschland. „Ich kenne ein paar Drehbuchautoren, die auch zu meinen Freunden zählen, aber es ist wahnsinnig schwer, eine Gemeinsamkeit zu finden. Als Drehbuchautor hat man eine gewisse Vorstellung von den Geschichten, die man erzählen will und ich habe noch nicht das ‚tolle tolle‘ Buch in Deutschland gelesen. Das ist eher aus der Not heraus, dass man das selber schreibt.“
Bis zu seinem Abschluss drehte Baran Bo Odar Werbespots und Videoclips. Bei solch kleineren Produktionen konnte man das Handwerk gut erlernen. „Doch Kino ist die Königsklasse. Es ist ein Unterschied, ob man Champions League, Bundesliga oder Regionalliga spielt. Man spielt gerne Fußball, aber am Ende will man in der Champions League mitspielen. An Kino ist das Tolle, dass jeder eine Meinung im Gegensatz zum Theater hat. Nicht jeder geht ins Theater oder nicht jeder liest ein Buch, aber es geht fast jeder ins Kino“, so der Autor weiter. Zwischenzeitlich gehörte Baran Bo Odar zusammen mit einem Freund die Produktionsfirma „Illegalefarben filmprorduktion“, die Videoclips herstellte. Doch nachdem das Geschäft immer schlechter bezahlt wurde, wechselte er wieder in die Königsdisziplin.
Der Debütfilm «Unter der Sonne» erschien 2006, damals finanzierten das ZDF und arte das 60-minütige Projekt. Die Produktion lief vorwiegend auf Filmfestivals, wie in Saarbrücken, Montreal World Film Festival, Slamdance Film Festival in Park City (USA), Raindance in London, Sao Paulo, der Pariser German Film Week und dem International Film Festival in Frankfurt. Trotz des großen Kritikererfolges zieht Baran Bo Odar das große Kino dem Festival vor: „Ich mag eher Reaktionen von Normalsterblichen, die einfach Filme gucken, weil sie Lust haben auf einen guten Film und nicht etwa Vergleiche ziehen. Ich bin zu sehr Bauch- als Kopfmensch, deshalb finde ich es schöner. Mein Abschlussfilm lief beispielsweise auf ganz vielen Festivals, aber der lief auch einmal dort, wo auch eine alte Frau ihn sehen konnte und auf mich zukam und sagte, der Film habe sie sehr berührt. Das sind die schönen Momente.“
Erneut haben der Kultursender arte und das ZDF seinen Spielfilm überstützt, denn «Das letzte Schweigen» wurde mit diesen Partnern gedreht. „1986 wird ein Kind in einem Feld brutal ermordet und vergewaltigt“, beschreibt Odar seine Produktion, „23 Jahre später geschieht dann an der selben Stelle das Gleiche noch einmal. Der Film beinhaltet die Figuren von damals, die damit konfrontiert werden, wie auch die Figuren von heute und vor allem auch die Täter von damals.“ Sein Drehbuch basiert auf dem Roman „Das Schweigen“ von Jan Costin Wagner, jedoch hat er das Ende deutlich abgeändert. „Am allerbesten und die größte Szene war es, als Wotan Wilke Möhring auf die Mutter von damals trifft“, antwortet der Regisseur auf die Frage, was der Reiz an diesem Projekt gewesen sei. Inzwischen kann er seinen Film nicht mehr selbst sehen, denn es standen sehr viele Pressevorführungen, Sneak-Previews und Kinobesuche an.
Da Baran Bo Odar noch kein Michael „Bully“ Herbig, Roland Emmerich und Fatih Akin ist, musste er auf die Kostenbremse treten. „Der Film hat knapp zwei Millionen Euro gekostet, was für einen Spielfilm schon ganz ordentlich ist. Allerdings ist dies nicht genug. Alle, die mitgemacht haben, wissen woran wir gespart haben und was dies dann noch für einen Einsatz bedeutet, so einen Film zu machen“, so Produzent Florian Schneider. Die Schauspieler verzichteten auf einen Großteil ihrer sonst so üppigen Gagen, auch die Produktionszeit wurde verkürzt. „Vom Buch her waren die Schauspieler relativ schnell überzeugt, die Finanzierung hat allerdings einen Moment lang gedauert“, erklärte Produzentin Maren Lüthje, „Aber auch in diesem Punkt waren wir relativ zügig, wenn man sich überlegt, was man dann auf die Beine stellen konnte und was wir auch wollten. Aber mit den Schauspielern war dies doch relativ einfach, weil denen das Buch gefiel.“
Die gesamte Produktion nahm zwei Jahre in Anspruch, wie der Regisseur erzählt. „Ich habe den Roman im Sommer 2008 auf den Tisch bekommen und das Buch dann relativ schnell innerhalb eines halben Jahres geschrieben. In dieser Zeit versucht man dann Schauspieler zu finden, danach muss man Geld zusammen bekommen und daraufhin haben wir tatsächlich letzten Sommer gedreht (40 Drehtage) und anschließend geht man direkt in den Schnitt. Wir waren bis Ende Februar 2010 mit dem Film beschäftigt“, schildert Baran Bo Odar.
Für die Zukunft hat sich Baran Bo Odar vorgenommen, noch weitere gute Spielfilme zu drehen. Er selbst ist Fan von alten Hollywood-Produktionen: „Geprägt hat mich vor allem «Blade Runner». Dies ist die ungeschlagene Nummer eins auf meiner Topliste, danach kommt «Lawrence of Arabia».“ Weiterempfehlen könne er aus der heutigen Zeit die Christopher Nolan-Produktion «Inception» mit Leonardo Di Caprio. „Es ist der teuerste Art-House-Film aller Zeiten und der artigste Blockbuster, wobei der auch seine Schwächen hat. Ich war extra zwei Mal im Kino. Ich habe mich gefreut, dass es auch einmal wieder Kopfkino gibt.“