Die Kritiker

«37 Grad: Wenn der Vater mit dem Sohne»

von

Die Reportage zeigt erwachsene „Kinder“ im Familienbetrieb anhand dreier unterschiedlicher Fallbeispiele.

Inhalt


Die Reportage von «37 Grad» zeigt erwachsene „Kinder“ im Familienbetrieb. Die zentralen Leitfragen des Films von Florian Aigner gehen dem Erwachsenwerden im Betrieb von Vater oder Mutter nach und beschreiben den notwendigen Prozess der Abnabelung von den Eltern in solchen Fällen. Dabei macht «37 Grad» am Ende unterschiedliche Erfahrungen, die anhand von drei Beispiel-Familien erzählt werden. Auch wird versucht mit dem Klischee aufzuräumen, dass sich junge Menschen, die den Betrieb der Eltern übernehmen, ins „gemachte Nest“ setzen. Denn wie in der Reportage über die drei Familienbetriebe gezeigt wird, ist dies nicht immer der Fall. Denn der Film von Florian Aigner beschreibt sowohl den Generationswechsel in der Firma als auch wie sich die Sohn oder Tochter beziehungsweise Vater und Mutter dabei fühlen, wenn der Nachwuchs in ihre Fußstapfen tritt. Wie leicht fällt es den Eltern? Und gehen die Zöglinge ihrem Traumberuf nach oder tun sie nur ihre Pflicht? Diese Fragen möchte die Dokumentation «37 Grad: Wenn der Vater mit dem Sohne» aufklären und veranschaulicht dies durch drei unterschiedliche Fallbeispiele.

Ricarda Prüfer ist Zahnärztin geworden und arbeitet mit ihrer Mutter in einer Gemeinschaftspraxis zusammen. Dabei wollte Ricarda eigentlich Grafikerin werden. Doch als Einzelkind war sie dazu bestimmt, die Praxis zu übernehmen. Mittlerweile ist sie Zahnärztin aus Leidenschaft, wie die 33-Jährige selbst sagt.

Das will Wolfgang Mistelbauer nicht mehr. Zwar hat sein 28-jähriger Sohn Kenny bei ihm das Schuhmacherhandwerk gelernt, doch die Zeiten sind zu hart, um als Schuhmacher zu überleben. So wird der 65-jährige Wolfgang Mistelbauer seine Werkstatt dichtmachen. Dann soll sein Sohn Kenny seinen Traum leben, der da lautet Moderator beim Fernsehen zu werden. Die Unterstützung seines Vaters hat er sicher.

Kritik


Die unterschiedlichen Fallbeispiele, die die Reportage gleich zu Beginn vorstellt, bieten eine gute Grundlage, um den Leitfragen des Films nachzugehen. Dabei besteht die Möglichkeit aufzuzeigen, dass es kein Patentrezept gibt, sondern eben unterschiedliche Wege eingeschlagen werden. Der Film von Florian Aigner will dabei die unterschiedlichen Facetten des wirklichen Lebens beschreiben und dem Umgang mit bestimmten Situationen auf verschiedenste Weise Tribut zollen. Doch dies gelingt nur bedingt. Zwar hat man in der Recherche alles richtig gemacht und authentische Protagonisten für die Reportage über Familienbetriebe gefunden. Zudem sind auch gegensätzliche Einstellungen und Motive vorhanden, so dass diese anschaulich gegenüber gestellt werden können. Doch bei der Umsetzung hat man leider Potenzial verschenkt. So wird der Zuschauer am Anfang der Reportage zu sehr ins kalte Wasser geworfen, denn von der ersten Minute an begleitet man schon Ricarda Prüfer auf dem Weg in die gemeinsame Zahnarztpraxis mit ihrer Mutter. Gleich darauf gibt es das erste Interview mit Mutter und Tochter. Eine kurze Einführungssequenz mit dem Anreißen der Thematik und dem Aufwerfen der Leitfragen, wäre hier von Vorteil gewesen. So wird dem Zuschauer nur nach und nach klar, worum es in dieser Dokumentation geht. Interesse an der Thematik wird also mit fortschreitender Sendezeit geweckt, doch für manchen Zuseher könnte dies bereits zu spät sein.

Auffällig ist auch gleich zu Beginn die Kameraführung. Hier wurde offensichtlich mit Hand- und Schulterkamera gearbeitet, die die Menschen im Fokus der Reportage auf Schritt und Tritt begleitet. Bewegt sich die Person im Bild, bewegt sich die Kamera mit, was an manchen Stellen immer wieder ruckelige Bilder entstehen lässt. Dies wirkt zwar authentisch und wenig inszeniert, bekommt der Zuschauer doch das Gefühl, dass die Kamera spontan das Geschehen aufnimmt beziehungsweise so als würde man selbst mit seinem Camcorder die Person begleiten. Doch wirken diese Szenen eben auch semiprofessionell. Auch haben die Bilder keine so gute Aussagestärke, wenn sie so wirken als seinen „auf gut Glück“ gedreht worden. Hervorragend sind aber die Interview-Passagen, in denen Mutter und Tochter oder Vater und Sohn in ihren jeweiligen Familienbetrieben gemeinsam vor der Kamera sitzen und abwechselnd Kommentare abgeben, während der jeweils andere zuhört oder nickend zustimmt. Auch ist die Kamera im Alltagsgeschäft dabei, zeigt wie Mutter und Tochter Prüfer in ihrer Zahnarztpraxis arbeiten oder die beiden Mistelbauers über Schuhwerke spaßen. Die Inhalte sind gut ausgewählt und tragen dazu bei, dass eine geradlinige Geschichte in der Reportage erzählt werden kann, die die Hauptfiguren selbst erzählen sollen.

Mit zunehmender Sendzeit schafft es die 45-minütige Reportage auch für die unterschiedlichen Schicksale in den Familienbetrieben zu sensibilisieren. Zur Mitte des Films sind die Fragen, denen man im Gesamten nachgehen möchte, auch klar ersichtlich. Es findet eine facettenreiche Aufarbeitung der Situationen in den Familienbetrieben statt, die parallel und konsequent erzählt werden. Der Zuschauer erfährt Hintergründe, Denkensweisen und Zukunftsperspektiven geliefert, die nicht uninteressant für de Thematik sind. Die Storyline ist also in sich schlüssig und am Ende kommt man zu einigen interessanten Erkenntnissen, die aus der Reportage hervorgehen. Ricarda Prüfer und ihre Mutter sind Kollegen geworden. Und Wolfgang Mistelbauer will solange arbeiten, bis sein Sohn Kenny auf eigenen Beinen stehen kann. Ob es mit der Fernsehkarriere von Kenny Mistelbauer etwas wird, bleibt zwar offen, erste Erfahrungen sammelt er indes bei einem Sender in der Stadt. Und so könnte man meinen, dass am Ende ein Happy End steht, doch ist dies gar nicht das Ziel der Reportage. Vielmehr sind es die emotionale O-Töne, die ins Gewicht fallen sollen, als auch die Aufarbeitung der unterschiedlichen Situationen in den Familienbetrieben. Vom Inhalt her eine klare Linie, die aber durch handwerkliche Schwächen bei der Umsetzung getrübt werden.

Das ZDF zeigt «37 Grad: Wenn der Vater mit dem Sohne» am Dienstag, den 24. August 2010 um 22.15 Uhr.

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