Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Kabel-Irrsinn

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Kabelfernsehen und Pay-TV: Der Verträge-Dschungel bringt uns Zuschauer zur Verzweiflung.

Vor einigen Tagen habe ich einen Bekannten getroffen, der sich als Cineast und TV-Fan meist ziemlich gut mit dem Fernsehgeschehen auskennt – auch in Hinblick auf diverse Angebote der Pay-TV-Anbieter. Auf meine Frage, wie zufrieden er denn mit seinem Kabel-Komplettangebot (Internet, Fernsehen und Telefon) sei und wie man bei Kündigungen mit alten Anbietern zwecks Rufnummernportierung verfahre, entgegnete er mir nur: „Ich hab` mittlerweile vier Smartcards zuhause – da blickt man nirgendwo mehr durch.“ In diesem Moment konnte ich den Kollegen verstehen. Denn die undurchsichtige und völlig unflexible Vertrags- und Kundenpolitik der Kabelanbieter – in diesem Fall Unitymedia – treibt so manche ahnungslose Zuschauer zur Verzweiflung.

Die meisten vernetzten Bundesbürger besitzen mittlerweile ein sogenanntes Anbieter-Komplettpaket, das Internet und Telefon als Flatrate zu einem Pauschalpreis anbietet. Die Kabelfernsehanbieter werben in ihren Bundesländern mit Dreifach-Angeboten, in welchen zu genanntem Internet und Telefon noch das Digitalfernsehen hinzukommt. Eigentlich eine praktische und löbliche Sache, die zudem den Ausbau des digitalen Fernsehnetzes vorantreibt.

Doch unflexibel zeigt sich beispielsweise Unitymedia in der Kundenpolitik: Hat man schon einmal einen Vertrag für Digital-TV abgeschlossen und möchte nun auf das Komplettangebot mit zusätzlichem Internet und Telefon wechseln, verweigert der Kabelanbieter die sofortige Auflösung des alten Vertrages. Das heißt, dass der alte Vertrag für das Digitalfernsehen (meist mit einer Mindestlaufzeit von 24 Monaten) weiterbezahlt werden muss, obwohl man eine zweite Smartcard und einen zweiten Receiver mit dem neuen Komplettangebot erhält. Der Kunde bezahlt also solange doppelt, bis der alte Vertrag abgelaufen ist und gekündigt wurde. Alles natürlich rechtens, da Vertrag Vertrag ist – dennoch völlig unsinnig und wenig kulant. Hinzu kommt der zusätzliche logistische und umweltfeindliche Aufwand: Denn mit jeder neuen Smartcard bekommt man einen weiteren Receiver, der ohnehin nicht genutzt wird.

Hat man beispielsweise noch eines der zahlreichen Pay-TV-Pakete von Unitymedia abgeschlossen, lässt sich dieses ebenfalls nicht in den neuen Vertrag integrieren bzw. auf die neue Smartcard übertragen – obwohl Unitymedia beispielsweise sogar ein Komplettpaket für Internet, Telefon, Digital-TV plus Pay-TV anbietet. Natürlich zum günstigeren Preis als bei einzelner Bestellung – aber dieser gilt eben nur für komplette Neukunden. Bereits treue und zahlende Kunden, die schon ein oder mehrere Pay-TV-Pakete einzeln abonniert haben, dürfen doppelt löhnen oder müssen auf das praktische Angebot verzichten. Vertrauensvolle Kundenbindung ohne lästigen Vertragsärger sieht anders aus.

Seit einigen Monaten bietet Unitymedia zudem eine HD-Box an (Kabel Deutschland plant ähnliches). Mit dieser soll der Kunde hochauflösende Sender empfangen. Bisher speist der Anbieter jedoch nur vier ein: die ohnehin frei und ohne Smartcard empfangbaren öffentlich-rechtlichen Sender sowie Servus TV. Pikant: Letztgenannter Sender ist aktuell einzig und allein mit der von Unitymedia angebotenen HD-Box zu empfangen – ansonsten weder mit einem anderen Receiver oder dem im Fernseher integrierten Modulschacht. Kunden befürchten, dass zusätzliche HD-Sender, die in den nächsten Monaten aufgeschaltet werden, ebenfalls nur mit der Box des Anbieters zu empfangen sind. Dies wäre eine irrsinnige Bevormundung des Kunden, der dann an die Hardware seines Kabelanbieters gebunden wäre – und damit auch an die vorgegebenen Preise.

Aktuell kostet der HD-Receiver fünf Euro Miete pro Monat. Mit einem Pay-TV-Paket zehn Euro oder mit allen vier Paketen zwanzig Euro pro Monat. Doch ahnungslose Kunden sollten nicht einfach die neuen Angebote bestellen, um endlich hochauflösendes Fernsehen auf ihren sündhaft teuren LCD- und Plasma-Fernsehern genießen zu können: Denn mit dem HD-Box-Angebot geht der Kunde wieder einen neuen Vertrag mit Unitymedia ein und bekommt eine neue Smartcard. Besitzt er also schon Digital-TV wahlweise mit weiteren Pay-TV-Paketen, zahlt er erneut doppelt; zumindest solange, bis die alten Verträge gekündigt werden.

Der Irrsinn wird dadurch noch komplettiert, dass die aktuellen HD-Angebote mangels entsprechender Sender noch völlig sinnlos sind. Wenn im Laufe des Jahres dann das angekündigte HD-Paket im Pay-TV mit hochauflösenden Sendern angeboten wird, dann schauen Kunden, die die HD-Box schon jetzt bestellt haben, in die schwarze Röhre. Denn sie haben mit den aktuellen Angeboten kein HD-Paket bestellt. So steht’s im Vertrag geschrieben. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt: Möglicherweise ist Unitymedia so kulant und integriert die neuen Pakete zum geringen Aufpreis in die schon aktuell abgeschlossenen Verträge. Denn sonst gibt es die nächste Smartcard und den nächsten Vertrag – viel Spaß im Kabel-Irrsinn von Unitymedia!

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