Hingeschaut

«Deutschlands Meisterkoch»: Tunfischröllchen im Brennnesselmantel

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Mit «Deutschlands Meisterkoch» startete Sat.1 ein Koch-Casting, das seine Kandidaten ernst nimmt, aber unter einiger großen konzeptuellen Schwäche leidet: Es gibt kein Geschmacksfernsehen.

Sänger, Models, Comedians, Tänzer, Musical-Darsteller, Erfinder - all das hat Sat.1 in den vergangenen Jahren schon gecastet. Meist mit demselben Ergebnis: Totaler Quotenflop. Und doch hat man den Mut nicht aufgegeben und versucht es am Freitagabend erneut mit einer Castingshow. Dieses Mal stellen sich Köche und solche, die es werden wollen, den Urteilen und insbesondere den Geschmacksknospen der Jury. Doch «Deutschlands Meisterkoch» knüpfte am Freitagabend dort an, wo mit den letzten Castingversuchen aufgehört wurde und zeigte, dass der gute Wille in diesem Genre bei Sat.1 weiterhin mehr zählt als die optimale Vermarktung. Das mag eine ehrenhafte Einstellung sein, aber ob sie der Sendung gut tut, bleibt abzuwarten.

Im Gegensatz zu den großen deutschen Gesangs- und Model-Castings startete «Deutschlands Meisterkoch» nicht mit einem offenen Casting, sondern mit einer Vorauswahl von 100 eingeladenen Kandidaten, die aus 1400 Bewerbern ausgewählt wurden. Diese erhielten eine Stunde Zeit, ein von ihnen kreiertes Gericht zu kochen und der Jury zu präsentieren. Das zog sich beim ersten Kandidaten ordentlich in die Länge, als alle drei Jury-Mitglieder - die Köche Nelson Müller, Thomas Jaumann und Tim Raue - einer nach dem anderen vom Jury-Pult nach vorne schritten und nahezu wortlos vom Gericht probierten, um sich anschließend zu beraten. Beim nächsten ging es dann aber schon deutlich zügiger und lockerer zu. Warum ausgerechnet diese langatmigste Verkostung eines mit Kartoffelstampf, Lammkotelett und Möhrchen nicht einmal allzu außergewöhnlichen Gerichts, trotzdem als erstes gezeigt wurde, ist etwas rätselhaft.

Überhaupt stand das Casting, das die erste Hälfte der Auftaktfolge ausmachte, vor dem Problem, überhaupt interessante Szenen zusammen zu bekommen. Die Paradiesvögel und Antiköche, die sich nur beworben hatte, um ins Fernsehen zu kommen, waren ja bereits vorab aussortiert, so dass nur drei Kandidaten etwas aus dem Rahmen fielen: mit einem labbrigen Ciabatta-Brot, das angeblich direkt aus der Pfanne kam, einem ordinären Nudelgericht und einer Flasche Ketchup, die laut Kandidatin nur versehentlich mitgebracht und gar nicht benutzt wurde, deren Inhalt sich dann seltsamerweise aber doch auf dem Teller wiederfand. Davon abgesehen fand die Jury eigentlich alle Gerichte ganz toll. Mit welchen Begründungen trotzdem 65 Kandidaten aussortiert wurden, die sich wohl keine solch krassen Anfängerfehler leisteten, erfuhr man nicht.

Die erste Casting-Runde zeigte zudem überdeutlich ein Problem, das der Show zum Verhängnis werden könnte: Als Zuschauer hört man Sänger singen, sieht wie Models sich präsentieren oder ob Komiker wirklich lustig sind - wie das Essen tatsächlich schmeckt, das die Kochanwärter dort zaubern, das erfährt man als Zuschauer natürlich nicht. Und das machte es teilweise sehr schwer, das Geschehen nachzuvollziehen.

In der zweiten Runde, als es um handwerkliches Geschick ging, hätte das besser funktionieren können. Die Aufgabe, die aus dem massenweisen Schneiden von Zwiebeln in Streifen und Würfel bestand, ließ aber erneut kaum eine Bewertung seitens der Zuschauer zu, denn ob gut oder schlecht gearbeitet wurde, ließ sich nur in den wenigen Großaufnahmen der Zwiebelschüsseln erkennen. Auch die letzte Aufgabe, die das Zubereiten auf dem Grill als Thema hatte, litt unter dem Problem des "Nur dabei statt mittendrin"-Gefühls. Mit Ausnahme von Kandidat Rudolf, der seinen Fisch verbrannte und lieber Zigarette rauchen ging statt sein Gericht noch zu retten, musste man auch hier als Zuschauer blind der Jury vertrauen ohne sich eine eigene Meinung bilden zu können.

Bei den Kandidaten setzte sich die Methode fort, nach der Sat.1 schon bei früheren Castingshows verfahren ist. Zwar kam man auch hier nicht an der alleinerziehenden jungen Mutter vorbei oder der, deren Tochter die Magersucht mittlerweile auf die Intensivstation befördert hat, die Schicksale werden aber nicht ausgeschlachtet. Als letztere der Jury auf die Frage, wer zuhause kocht, sich bezüglich ihrer Tochter darauf beschränkt, zu sagen, dass diese wegen einer Behinderung dazu nicht in der Lage sei, reichte das als Antwort. Man kann wohl schwer davon ausgehen, die «Popstars»-Jury hätte in einer solchen Situation so lange nachgehakt bis Tränen geflossen wären. Die Jury von «Deutschlands Meisterköche» verhält sich hingegen überaus respektvoll und fair ihren Kandidaten gegenüber, bleibt dadurch ziemlich sympathisch, allerdings auch erschreckend blass.

Das erschwert Sat.1 die Arbeit natürlich enorm, trotzdem Dramatik in die Show zu bringen. Hier hätte man vielleicht gut daran getan, die recht gelungenen Einspieler über die Kandidaten, die während der ersten Castingrunde gezeigt wurden, in den späteren Runden fortzusetzen, damit einige Längen herauszunehmen und vielleicht noch ein paar Charaktere zu beleuchten, die schon in Folge eins scheitern. Denn so war eigentlich früh klar, dass jeder, der einen eigenen Einspieler bekommen hatte, am Ende auch weiter dabei bleiben würde.

12 Kandidaten standen am Ende auf der Seite der Sieger als der unter freiem Himmel ausgetragene Wettkampf im Grillen entschieden war und werden in die nächste Runde einziehen. Dann bleibt abzuwarten, wie Sat.1 mit dem schwierigen Thema sieben weitere Folgen füllen möchte, wo die Möglichkeit zur massenweisen Eliminierung nun nicht mehr gegeben sein wird. Denn die Kombination aus einem Wettbewerb, der versucht sich auf das Wesentliche des Kochens zu konzentrieren, und der Tatsache, dass der Zuschauer bei jeder geschmacklichen Entscheidung außen vorbleibt, machten «Deutschlands Meisterkoch» schon zum Auftakt zu einer manchmal ziemlich zähen Verantstaltung.

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