Auch 2011 gewann die AMC-Serie den Emmy als "Beste Serie". In Deutschland läuft die Serie bei ZDfneo und feiert somit eher eine Art Schattendasein. Worum geht es in dem Format, das nun schon zum vierten Mal in Folge als "Beste Serie" geehrt wurde? Quotenmeter.de liefert Aufklärungsarbeit.
13 Emmys, vier Golden Globes. Darunter drei Emmys aus den vergangenen drei Jahren für die „Beste Drama-Serie“ und drei Golden Globes für die „Beste TV-Serie“. Weiterhin zahlreiche weitere Preise von Institutionen wie dem American Film Institute, den Satellite Awards, der Television Critics Association oder der Writers Guild of America. «Mad Men» ist die Lieblingsserie der US-Medien und ihrer Fernsehkritiker. Von vielen Zuschauern und auch Journalisten wird das Format, das bei dem amerikanischen Kabelsender AMC ausgestrahlt wird, als beste Drama-Serie unserer Zeit bezeichnet. Und wie so oft bei Kritikerlieblingen sind die Einschaltquoten nicht die besten. Immerhin kamen mit der Mund-zu-Mund-Propaganda von Staffel zu Staffel immer wieder ein paar mehr Zuschauer hinzu – ähnlich wie hierzulande bei der Comedy «Stromberg». Seit seinem Start im Sommer 2007 bringt es «Mad Men» mittlerweile auf vier Staffeln; eine fünfte ist angekündigt.
Die „Mad Men“: So bezeichneten sich die Werbetreibenden in den 1950er Jahren, die in der New Yorker Madison Avenue arbeiteten, laut Pilotfolge. Die Serie handelt von solch einem der „Mad Men“. Der Zuschauer taucht in die frühen 1960er Jahre ein und erlebt Don Draper, den Creative Director der Werbefirma Sterling Copper und später Gründer der neuen Firma Sterling Copper Draper Price. Während das Wirtschaftswunder in Deutschland zu dieser Zeit erst richtig Fahrt aufnimmt, sind die USA schon voll dabei: Werbeagenturen verdienen irrsinnig damit, den US-Bürgern Dinge zu verkaufen, die sie eigentlich nicht brauchen. Der Konsumrausch nimmt ungeahnte Formen an; jeder will etwas kaufen und verkaufen. Und Don Draper ist als Geschäftsmann mittendrin und kann sich in diesem harten Konkurrenzgeschäft keine Sentimentalitäten leisten – er muss skrupellos und intelligent sein, um seine Mitbewerber auszustechen und in der Nahrungskette der erfolgreichen Werbeunternehmer seinen Thron zu behalten.
Don Draper ist – wie viele New Yorker Geschäftsmänner – aber nicht der, für den man ihn hält. Trotz Frau und Kindern sowie einem gut bezahlten Job ist Draper nicht glücklich und lenkt sich mit Affären ab. Das große Geheimnis um seine Person erfährt der Zuschauer schließlich nach einigen Episoden. «Mad Men» ist insbesondere dafür bekannt, die Wirklichkeit und das Gefühl, die sozialen Umbrüche und die Moralveränderungen der früher 1960er in New York detailgetreu darzustellen. Genau dafür wurde das Format auch von den meisten Kritikern in den Himmel gelobt. «Mad Men» will die 60er nicht nur abbilden, es will das Gefühl dieser Zeit atmen, es soll wie die 60er sein. Öffentliches Rauchen ist noch genauso gesellschaftlich angesehen wie ein oder mehrere Gläser guten Whiskys. Die selbstverständlichen Bilder des heute verpönten exzessiven Konsums dieser Genüsse sind sicherlich die zunächst auffallendsten, wenn man die Serie zum ersten Mal einschaltet.
Es wird auch besonderer Wert auf die Nebencharaktere und ihre Charakterisierung gelegt. Neben Drapers Ehefrau Betty, die sich in den noch konventionell-traditionellen Verhältnissen eher als gute Hausfrau und Mutter sieht, ist Peggy Olsen als Sekretärin der Werbeagentur einprägsam. Sie scheint zunächst nicht in das Rollenbild der erfolgreichen und gutaussehenden Geschäftsmänner zu passen, aber ihre Naivität legt sie nach und nach ab und zeigt ihren persönlichen Stärken. Ihre Figur verkörpert beispielsweise den Beginn der Emanzipation der Frau, die in dieser Zeit beginnt, alte Rollenverteilungen aufzubrechen. Drapers Ehefrau stellt währenddessen in der gleichen Serie genau das Gegenteil dar.
«Mad Men» ist schließlich insbesondere ein hervorragendes Dokument der 60er Jahre, einer wichtigen Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs. Emanzipation und sexuelle Revolution beginnen sich in der Masse durchzusetzen, der kalte Krieg erlebt seine gefährlichsten Höhepunkte, mehr Arbeit und Wohlstand führen zu besagtem Wirtschaftswunder und exzessivem Konsum, die Jugendlichen torpedieren die Moralvorstellungen ihrer Eltern und beschwören einen Generationenkonflikt, die Weißen hegen immer noch Ressentiments gegen die Schwarzen trotz der Gesetzesänderungen. Nirgendwo besser könnte man diese gesellschaftlichen und politischen Veränderungen darstellen als in New York, in einer Werbeagentur und mit der Figur Don Draper sowie den zahlreichen Nebencharakteren. «Mad Men» bewegt sich stets auf einem schmalen Grat zwischen Tradition und Revolution.
Kreativer Kopf hinter der Serie ist Matthew Weiner, der auch schon als Drehbuchschreiber für die «Sopranos» verantwortlich zeichnete. Die Idee für das Konzept kam Weiner 1999, als er noch Autor der Sitcom «Becker» war. In diesem Jahr schrieb er auch das Drehbuch für die Pilotepisode von «Mad Men», doch in der folgenden Zeit interessierten sich weder HBO noch Showtime, die beiden größten Pay-TV-Sender, für das Konzept. Nach dem Ende der «Sopranos» sahen viele Sender ihre Chance gekommen, die plötzliche Leere im Drama-Bereich mit innovativen und frischen Shows zu füllen. So kam auch das Konzept von «Mad Men» wieder ins Gespräch und der Sender AMC griff zu. Ed Carroll, Präsident von AMC, sagte später zu dem Einkauf: „Das Network wollte sich mit der Ausstrahlung seiner ersten eigenproduzierten Serie durch Eigenständigkeit auszeichnen und wir waren überzeugt davon, dass sich Qualität gegen den immergleichen Massengeschmack durchsetzen würde.“ Drei Jahre später können wir diese Entscheidung als völlig geglückt bezeichnen. Wer «Mad Men» nicht kennt, der verzichtet auf das Beste, was aktuell im Drama-Bereich zu finden ist.
Dieser Artikel erschien erstmals im September 2010.
Der digitale Free-TV-Sender ZDFneo zeigt «Mad Men» aktuell jeden Mittwoch um 22.25 Uhr.