Unser Praktikant wünscht sich eine Zeit zurück, als nachmittags keine schlechten Dokus, sondern amerikanischen Serien gezeigt wurden.
Es gab eine Zeit, in der es noch Spaß machte, nachmittags Fernsehen zu schauen. Eine Zeit, lang bevor die täglichen Talkshows den geschmacklichen und qualitativen Abstieg einläuteten. Eine Zeit, als es noch keine gestellten Realityshows mit schlechten Darstellern und haarsträubenden Geschichten gab. Eine Zeit, ohne Zurschaustellungen von Menschen mit unterdurchschnittlichen sozialen und geistigen Fähigkeiten.
In dieser Zeit – irgendwo in den dunklen Schleiern der 90er Jahre vergessen – zeigte der Sender ProSieben keine fragwürdigen Dokunovelas, sondern amerikanische Serien wie «Emergency Room», «Superman – Die Abenteuer von Lois & Clark» oder «Babylon 5» am Nachmittag und bot damit ein Kontrastprogramm zu den auf anderen Kanälen längst etablierten Talkshows. Wie wohltuend wäre eine Rückkehr zu diesem Konzept angesichts der aktuellen Planungen des Senders, künftig drei Folgen seiner Reality-Doku «We Are Family» am Stück zeigen zu wollen.
Es wäre die Chance zu den unerträglichen Fake-Dokus und Gerichtsshows eine Alternative anbieten zu können. Obendrei kostengünstig, könnte man sich doch komplett aus dem Archiv bedienen. Ansätze dafür gab es auch in jüngster Zeit immer mal wieder, doch die Planer setzten mit «Charmed», «Desperate Housewives» oder «Grey’s Anatomy» auf die falschen Kandidaten. Die Fangemeinde war zu eingeschworen und kannte bereits jede Folge. Ein Phänomen, was vor allem den Hausfrauen und jungen Ärzten auch bei Wiederholungen in den USA stets zu schaffen macht. Zeitlose Comedyserien und Krimis wären eine bessere Wahl – oder Dramaserien, die bisher nicht endlos wiederholt wurden. Von Produktionen wie «NYPD Blue», «Viper», «Chicago Hope», «Practice – Die Anwälte» oder «JAG – Im Auftrag der Ehre» liegen bis zu zehn Staffeln vor und das Zielpublikum passt zum Profil des Senders. ProSieben hätte die Möglichkeit einen männlichen Kontrast zu den frauenaffinen Serien auf VOX zu etablieren.
Vielleicht könnte man auch ehemalige Kultserien der 90er wie «Baywatch» oder «Dawson’s Creek» reaktivieren. Denkbare wäre auch die Ausstrahlung alter Sitcoms wie «Chaos City», «Grace» oder «Alle unter einem Dach». Diese Programmierung wäre zwar kein Gegenangebot zu den Serien auf kabel eins, aber definitiv die bessere Entscheidung im Vergleich zum aktuellen Trümmerfeld. Zum Anfang sollte es schon einmal reichen auch die ersten beiden Staffeln von «Malcolm Mittendrin» in die Dauerrotation aufzunehmen, um so etwas mehr Abwechslung schaffen zu können.
Aus Sicht der deutschen Fernsehbranche wäre eine tägliche Programmierung alter Importe ein herber Rückschlag, der Produktionsaufträge und Arbeitsplätze gefährden könnte. Gerade für einen Praktikanten, der seinen Platz in der Medienbranche noch sucht, könnte dies fatale Folgen haben. Doch angesichts der derzeitigen Verhältnisse überwiegt das gebrochene Herz des entsetzten Zuschauers. Und außerdem, wer will schon ernsthaft für die Sendungen des gegenwärtigen Programms verantwortlich sein?