Kinokolumnist Sidney Schering sieht hinter Ben Afflecks Comeback an die Spitze Hollywoods.
Mit seinem Kriminaldrama/-thriller «The Town» schaffte es Ben Affleck wieder an die Spitze der US-Kinocharts. In Deutschland sollte es leider nicht so sein, aber dennoch scheint Afflecks Comeback vollkommen. Er bewies, dass er als Teil eines augenwischerischen Ensembles auf Platz 1 der Charts gelangen kann («Er steht einfach nicht auf Dich»), dass er als Schauspieler («Die Hollywood-Verschwörung») und Regisseur («Gone Baby Gone») die Kritiker zu begeistern weiß und jetzt erreichen ihn sowohl Schauspiel- und Regielob sowie kommerzieller Erfolg. Die Tage, in denen Affleck der Buh-Mann der Filmbranche war, scheinen vergessen.
Und ich will für den armen Mann unbedingt eine Lanze brechen, indem ich sage: Wurde aber auch verflucht noch eins Zeit! Es mag zwar lange für viele Filmfans und -Kritiker chic gewesen sein, auf die schauspielerisch talentiertere Hälfte des einstigen Boulevard-Lieblingspaares Bennifer einzudreschen, aber ich denke, dass Affleck seine Strafe für solche Gurken wie «Gigli» und «Wie überleben wir Weihnachten?» längst abgesessen hat. Und mit ihr auch die Strafe dafür, dass er die gesamte Welt mit seinem Privatleben konfrontierte. Generell möchte ich sagen, dass viele Filmliebhaber überreagierten, als sie Affleck wegen seiner Überpräsenz in der Boulevardpresse derartig abstraften.
Als Filmzuschauer sollte man sich bis zu einem gewissen Grade vom Privatleben eines Darstellers entfernen und stärker auf seine eigentliche Leistung einlassen. Natürlich ist es richtig, wen einem heuchlerische Darstellungen aufstoßen und man beispielsweise jemandem mit notorischem Jetset-Lifestyle eine aufgesetzt grüne Moral nicht abkauft. Allerdings wird ein Schauspieler nicht direkt schlecht, bloß weil er in den Klatschspalten zu Hause ist. Affleck drehte um das Aus mit Lopez herum einige Stinker, ja, aber darüber darf man nie vergessen, dass er auch einige gute Darstellungen ablieferte. In Kevin Smiths Liebesdrama «Chasing Amy» etwa war er oscarreif und auch in «Die Hollywood-Verschwörung» hinterließ einen bleibenden (positiven!) Eindruck.
Vor allem aber hat Affleck meinen Respekt, weil er zu den Schauspielern gehört, die zwischen den Kinowelten wandern. Bevor er zum Gespött Hollywoods wurde, tauchte er simultan in B-Horrorschund wie «Phantoms», kontroversen Komödien wie «Dogma», Popcorn-Krachern wie «Armageddon» und dem Oscar-Abräumer «Shakespeare in Love» auf. Weshalb ihm einige genau dies vorwerfen wollen, während Johnny Depp erst als Captain Jack Sparrow die Multiplexe zum Platzen bringen und danach für ein Randpublikum den singenden, mordenden Barbier geben darf, bleibt mir unklar. George Clooney ist da auch nicht anders: Erst raubt er mit seiner stetig wachsenden Ganovenbande Vegas aus, dann gibt er den Volltrottel in einer zynischen Komödie der Coen-Brüder, dann ist er wieder «Up in the Air» und völlig berechtigter Oscar-Kandidat. Und es ist nicht so, als wäre der Clooney-Schorsch frei von schwer verzeihlichen Ausrutschern. Oder, liebe Batman-Fans?
Aber vielleicht hatte das Affleck-Bashing etwas gutes. Wäre er sonst je hinter die Kamera gegangen, um sich als Regisseur zu beweisen? Mit «The Town» und «Gone Baby Gone» brachte er zwei richtig starke Kriminaldramen in die Kinos, und wenn er diesen Trend einhält, könnte er in Zukunft mehr aufgrund seiner Regiearbeit bekannt sein, und weniger durch seine Beziehungseskapaden oder Filme, die einer Goldenen Himbeere würdig sind.
Also halte ich vielleicht doch wieder meine Klappe, wenn ein Schauspieler aus dem Rampenlicht gemobbt wird.
Hey, vielleicht ist Robert Pattinson der nächste Hitchock?