«The Social Network» ist ein gelungener Film, aber passt er auch in die Vita von David Fincher?
Wenn es im verdienten Jubeltrubel rund um «The Social Network» eins gibt, was mehrfach betrauert wird, dann ist es seine vermeintliche Stellung als „vollkommen untypischer Fincher-Film“. Der 1962 geborene Amerikaner Fincher dürfte für «Fight Club» bestens bekannt sein, dem Kultthriller mit schwarzem Humor und einer sein schwaches Kinoeinspiel vergessen lassenden Langzeitwirkung. Eine ganze Generation von Filmfans wurde durch «Fight Club» geprägt, und so erwarten viele eine gute Dosis eben dieses modernen Klassikers in Finchers Filmen. So nachvollziehbar ständige Vergleiche mit dem beliebtesten Werk eines Regisseurs sind, so problematisch ist es, wenn man den Publikumsfavoriten automatisch zum Prototypen deklariert. Ist «Pulp Fiction» nun ein untypischer Tarantino-Film, weil er, anders als sein kommerziell größter Erfolg «Inglourious Basterds», nicht durchgängig linear erzählt wurde, sondern narrative Vor- und Rückgriffe enthält? Sind Michael Moores «Bowling for Columbine» und «Sicko» untypisch, weil sie im Gegensatz zu «Fahrenheit 9/11» nicht von George W. Bush und dem Irakkrieg handeln?
Doch halten wir uns nicht zu lange am Prototypen-Modell auf, suchen wir stattdessen nach typischen Merkmalen der Regiearbeiten von David Fincher. Unter seinen Filmen befinden sich hauptsächlich Thriller – womit «The Social Network» schon mal eine klare Außenseiterposition einnimmt. Aber Genreeinteilungen sind nicht immer so leicht. Gerade «Fight Club» kann, je nach Humor des Zuschauers, auch problemlos, und ohne diskreditiert zu werden, als tiefschwarze Komödie durchgehen. Womit eine wichtige Vergleichsgröße wegfiele.
Dass «The Social Network» auf wahren Begebenheiten basiert, wird ebenfalls häufiger als Argument angebracht, dass er aus Finchers Schaffen rausfällt. Ein Gedanke, bei dem der ebenfalls auf Tatsachen beruhende «Zodiac» komplett übergangen wird. Zudem sehe ich die Verwurzelung von «The Social Network» in unserer Realität nicht als Bruch mit Finchers restlichem Hauptwerk. «Der seltsame Fall des Benjamin Button», mit seiner durch und durch unwirklichen Atmosphäre und seinem fantastischen Konzept eines rückwärts alternden Mannes, ist zusammen mit «Alien 3» eine Ausnahme, aber «Fight Club», «Seven» und «The Game» sind in meinen Augen allesamt Filme, die Teilaspekte der Realität herausgreifen und stilisiert überspitzen. Und «The Social Network» ist davon nicht all zu fern. Er ist, was in der Natur des Stoffes liegt, realistischer als die meisten anderen Fincher-Filme, aber dennoch nimmt er sich ein Element des aktuell gesellschaftlich Relevanten und stellt dies in seinen Fokus. Eingestreute, unwirkliche Elemente verstärken die Wirkung von «The Social Network», und bringen ihn zugleich näher an „typische“ Produktionen des Kultregisseurs.
Im Endeffekt entscheiden sich solche Zugehörigkeitsfragen eh durch das Bauchgefühl. Es bringt nichts, wenn alle Markenzeichen eines Regisseurs an Ort und Stelle sind, sich aber nicht wie integrale Teile des Films anfühlen. Wüsste man nicht, dass «The Social Network» von David Fincher gedreht wurde, ich denke nicht, dass man im Abspann aufspringen würde: „Na klar, der ist vom «Sieben»-Typen, das war ja offensichtlich!“ Aber man kann noch weniger behaupten, dass man nach Bewunderung von «The Social Network» nicht glauben kann, dass er von David Fincher ist. Sein visueller Stil, sein Tempo, die dichte Atmosphäre, das alles ist in «The Social Network» vorhanden.
Vor allem aber ist «The Social Network» ein richtig guter Film. Und das zählt mehr als jegliche Probleme, die man beim Einkategorisieren in irgendwelche Schubladen vielleicht haben könnte.