Story
Rechtsanwalt Herbert P. Schons schreitet ein, wenn sich Streithähne gegenseitig verklagen und wegen eigentlicher Nichtigkeiten vor Gericht ziehen wollen. Im ruhigen Vermittlungsgespräch versucht der erfahrene Streitschlichter dabei, verträgliche Lösungen zu finden und einen teuren sowie selten wirklich befriedigenden Rechtsstreit zu verhindern. Da wären zum Beispiel Volker Steinwedel und das Ehepaar Süllow, das sich von den feucht-fröhlichen Partys ihres Reihenhausnachbarn gestört fühlen. Nicht nur ist die Polizei regelmäßig Gast in der Siedlung, der Streit belastet seit zehn Jahren die Gemüter beider Parteien. Auch in einem kleinen Dorf in Bayern muss Rechtsanwalt Schons tätig werden, denn ein zugezogener Ingenieur streitet sich mit zwei altansässigen Dorfbewohnern über eine Gartenhütte, die zwar auf dem Grundstücks der Unternehmer steht, aber an das frisch sanierte Fachwerkhaus des Ingenieurs grenzt.
Kritik
Erst vor wenigen Wochen sorgte der NDR für große Aufregung in der deutschen Medienlandschaft, als ein internes Papier belegte, dass der Sender Pläne für Scripted Reality-Formate verfolge, um Kosten für teure Dokumentationen zu sparen. Tatsächlich durchleben öffentlich-rechtliches Fernsehen und Privatprogramm eine zunehmend konvergente Entwicklung: Oliver Pocher durfte schon im Ersten blödeln, Johannes B. Kerner wechselte vom sicheren Hafen des öffentlich-rechtlichen Stammpublikums zu Sat.1, Günther Jauch bekommt einen eigenen Polittalk bei der ARD und Stefan Raab und sogar Elton sind mittlerweile auch bei den Gebührenfinanzierten angekommen. Was bisher lediglich personelle Entscheidungen waren, wirkt sich in einer neuen ZDF-Produktion jetzt scheinbar auch auf das Programm aus.
Die bisher auf zwei Folgen ausgelegte Dokumentation «Immer diese Nachbarn! Ein Fall für Schons» begleitet Rechtsanwalt und Streitschlichter Herbert P. Schons bei zwei Aufträgen in verfeindeten Nachbarschaften, während er versucht, die Wogen zu glätten. Wer unweigerlich an eine typische Politik privaten Fernsehprogramms denkt, liegt nicht falsch, denn RTL programmierte bereits vor einem Jahr mit «Nachbarschaftsstreit - Kolb greift ein» ein ganz ähnliches Format, das allerdings nicht unter dem Mantel der Dokumentation versteckt wurde, sondern auch von offizieller Senderseite eine Reality-Dokumentation darstellte - und nichts anderes ist «Immer diese Nachbarn! Ein Fall für Schons». Rechtsanwalt Schons greift mit einer als innovativ proklamierten Schlichtungsmethode ein, die in beiden Fällen identisch ist: Beiden Parteien wird ein Video der jeweils anderen Partei gezeigt, um zu provozieren. Dabei inszenierte Regisseurin Iris Bettray in bisher zwei Folgen eine typisch überzogene Darstellung der Ereignisse und zelebriert besonders in der ersten Folge stereotype Gut-Böse-Muster zwischen bürgerlichen Rentnern und verkanntem Künstler im Alkoholrausch.
Die Grenze zur Peinlichkeit wird dabei aber nicht überschritten, die unausgesprochenen Regeln öffentlich-rechtlicher Programmpolitik werden bewahrt. Und wenn die betagte Martha Müller aus Bayern unter Tränen erklärt, dass ihre Gartenhütte ihr Leben sei, erzeugt das zwar peinliche Berührtheit, doch mit fortschreitender Laufzeit gewinnt das Gefühl der Trivialität die Oberhand. Das Format «Immer diese Nachbarn! Ein Fall für Schons» ist unnötig, langweilig, unspektakulär und dabei noch ein Manifest an die Verbohrtheit deutscher Mitbürger. Und den spannendsten Teil, nämlich den obligatorischen Besuch beider Parteien einige Monate später, um den Fortschritt festzuhalten, den hat das ZDF einfach ausgelassen - vielleicht sind die Schlichtungsmethoden von Schons genauso betagt wie das scheinbar innovative Format, das sich das ZDF ins Programm geholt hat.
Das ZDF zeigt die erste Folge der Dokumentation «Immer diese Nachbarn! Ein Fall für Schons» am Samstag, den 06. November 2010, um 14 Uhr und die zweite Folge am Samstag, den 12. November 2010, um 14 Uhr.