Hingeschaut

Bemüht professionell: «Galileo X.perience»

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Im neuesten Ableger des Wissensmagazins versucht Aiman Abdallah mittels authentischer Aufnahmen erstaunliche Überlebensgeschichten aufzuklären.

Seit über zehn Jahren ist das Wissensmagazin «Galileo» ein wichtiger Bestandteil des Vorabendprogrammes von ProSieben. Und obwohl das Format aufgrund seiner oftmals recht boulevardesken Aufbereitung von Alltagswissen und einer auffälligen Neigung zu Lebensmitteltests und spektakulären, aber wissenschaftlich wertlosen Experimenten auch heute noch oft belächelt wird, hat sich über die Jahre doch ein ganzes Franchise gebildet. Die beiden bislang wichtigsten und bekanntesten Ableger von «Galileo»: Das 2009 eingestellte «Galileo Mystery», das Geheimnissen von Vampiren bis Ufos auf den Grund zu gehen versuchte sowie das abendfüllende «Galileo Big Pictures», das sich derzeit als spektakuläre Eventshow etabliert hat.

Seit einer Woche schickt sich ein weiterer Ableger an, seine Zuschauer zu finden und insbesondere in die Fußstapfen von «Galileo Mystery» zu treten. «Galileo X.perience» verfolgt ebenfalls den Ansatz, Geheimnisse wissenschaftlich aufzuklären, bleibt dabei aber deutlich bodenständiger: Hier geht es nicht um Übernatürliches, sondern um extreme Unfälle, deren Beteiligte völlig unerwartet überlebten oder die Ereignisse sogar vollkommen unverletzt überstanden. Geschichten, die auf den ersten Blick unglaublich erscheinen, aber wahr sind. «Galileo X.perience» will die Frage klären: Wie war das möglich?

Jede Folge ist dabei in drei unabhängige Geschichten gegliedert, die von Aiman Abdallah, dem Mann für die Primetime-Ableger des Magazins, das er früher selbst moderierte, knapp, aber gewohnt souverän präsentiert werden. Mittels Original-Filmmaterial, Zeugen- und Expertenaussagen, Versuchen und Computersimulationen wird der jeweilige Unfall nachvollzogen, um dem Rätsel des Überlebens auf die Spur zu kommen.

Dass nicht jede Geschichte dabei gleich spektakulär ist und gleichermaßen fesseln, dessen sind sich die Macher der Sendung offenbar selbst allzu bewusst. So musste in den bisherigen beiden Ausgaben nach den ersten beiden Themen noch eine Füllstory herhalten. Beim ersten Mal ging es um einen Rollerfahrer, der von einem Auto angefahren wurde und unbeschadet wieder auf den Beinen landete. Des Rätsels Lösung: Auf der Motorhaube richtig abrollen. Dass das von einem Stuntman noch gezeigt wurde, machte die Geschichte nicht viel spektakulärer. Solche Experimente hat man bei «Galileo» schon oft genug gesehen. Auch die zweite Folge musste am Schluss einen Gang zurückschalten: Zwei Männer schwammen in der Themse und wurden via Motorboot aus dem Wasser gefischt.

Was «Galileo X.perience» allerdings in den Minuten davor aufbietet hat durchaus Potential zum Staunen. Ein nahezu ungebremster Absturz eines Fallschirmspringers, ein Lkw, der auf ein Auto kippt, ein Kinderwagen, der von einem Zug überrollt wird. Auch wenn das meiste davon schon des Öfteren im Fernsehen gezeigt wurde, kann man sich dem Sog der Originalaufnahmen der dramatischen Momente nur schwer entziehen. So stehen und fallen die Geschichten aber auch mit dem Umfang der Aufnahmen. Während der Fallschirmabsturz, detailliert gefilmt vom Aufstieg im Helicopter bis zu den Rettungsversuchen am Boden, genug Material bot für den zwanzigminütigen Beitrag bot, wurden beim Zugunfall die kurzen, nur wenige Sekunden langen Aufnahmen immer wieder gezeigt, wodurch sie sich schnell abnutzten.

Gleich zum Auftakt demonstrierte «Galileo X.perience», dass man im neuen Format keine Mühen scheut: Um aufzuklären, wie ein Mensch einen Absturz aus mehreren tausend Metern Höhe überstehen konnte, wurden Experimente in der Zentrifuge und einem vertikalen Windkanal durchgeführt. Mit Interviews der Beteiligten und Experten rundet sich die Spurensuche ab. Allerdings stellt man schnell fest: Nicht hinter jedem Video, das spektakulär aussieht, ist auch eine spektakuläre Erklärung zu finden, für die es große Experimente braucht.

War die Spurensuche beim Absturz des Fallschirmspringers, bei der das Team die Fallgeschwindigkeit durch verschiedene Faktoren immer weiter runterrechnen konnte, noch spannend und nachvollziehbar, so waren andere Geschichten schnell sehr offensichtlich. Schon beim zweiten Video, in dem ein Auto von einem umfallenden Lkw-Anhänger zerquetscht wurde und der Insasse unbeschadet überlebte, war direkt ersichtlich, dass sich ein Hohlraum gebildet hatte. Bis «Galileo X.perience» zu dieser Erklärung gelangte vergingen aber erst einmal viele Minuten, in denen das Team selbst Pkws zerlegte. Denn oft beweist die Sendung zunächst, dass man einen Unfall nicht überleben kann bevor sie dazu kommt, dass man es doch kann.

Leider sabotiert sich die Reihe ihren professionalen Anspruch oft selbst, indem sie die typischen Seuchen des «Galileo»-Franchises aufweist. Mit Formulierungen wie "gegen alle Gesetze der Physik" oder "immer rätselhafter wird" werden die Geschichten, die zwar erstaunlich, aber wahrlich nicht unglaublich sind, oft unnötig überhöht. Auch die Glaubwürdigkeit bleibt ab und an auf der Strecke: Dass bei einem Baseballschlag auf die Brust eines Dummy-Torsos dieser in alle Richtungen zerplatzte während beim selben Schlag auf die Schulter alles unbeschädigt blieb, ließ einen an der Übertragbarkeit des Experiments zweifeln. Auch bei einigen anderen Experimenten war der Eindruck zu gewinnen, dass sie nicht mit der nötigen Präzision durchgeführt wurden.

Richtig ärgerlich wird es bei völlig offensichtlichen und haarsträubenden Fehlern. So bezeichnete die zweite Sendung die Energie eines aufprallenden Zuges mit 1,5 Megajoule, nach der Abbremsung durch einen davor stehenden Lkw mit 1 Kilojoule und betonte mehrfach, dass das nur noch ein Hundertstel sei. Und lag damit gleich mal um den Faktor 15 daneben.

Insgesamt bleibt «Galileo X.perience» aufgrund der authentischen Bilder sicherlich sehenswert, um sich einfach mal von den erstaunlichen Ereignissen fesseln zu lassen. Die dazugehörige Spurensuche bleibt aufgrund ihrer wissenschaftlichen Oberflächlichkeit und der zweifelhaften Genauigkeit eher schmückendes Beiwerk, fällt wegen ihrer realen Hintergründe aber immerhin noch klar glaubwürdiger aus als beim Quasi-Vorgänger «Galileo Mystery».

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