Statistisch gesehen

Quoten schönrechnen leicht gemacht

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Marktanteile fälschen können die Sender natürlich nicht. Aber eine clevere Auswahl der Zielgruppe wirkt wahre Wunder.

Statistisch gesehen finden sechs von zehn jungen Frauen unter 40 glatt rasierte Männerbrüste sexy. Das ergab eine Studie im Auftrag der Apotheken-Umschau, hätte aber auch aus der Marktforschung eines US-Senders stammen können.

Wenn eine Serie, eine Show oder ein Magazin schlecht läuft, dann wird die Sendung abgesetzt. So ist das Gesetz der Quote im Fernsehen. Wer das nicht glaubt, kann gerne einmal bei RTL II oder kabel eins nachfragen, die haben in letzter Zeit so einiges in ihrem Primetime-Programm vorzeitig aufräumen müssen. Wenn eine Serie nicht abgesetzt wird, dann läuft sie gut. Das ist logisch zwar nicht korrekt, stimmt auch oft nicht, ist aber das Gesetz, nach dem die Presseabteilungen der Sender arbeiten.

Aber dass man Pressemitteilungen, die den Erfolg der neuesten Serien und Shows bejubeln, nicht unbedingt für bare Münze nehmen sollte ohne selbst einen Blick auf die Einschaltquoten zu werfen, ist klar. Doch auch der hat so seine Fallstricke zu bieten, die die Sender höchstpersönlich aufgestellt haben. Natürlich kann kein Sender höhere Einschaltquoten angeben als für ihn tatsächlich gemessen wurden, aber es bleiben zahlreiche Möglichkeiten zu selektieren. Man muss ja nicht immer die ganze Wahrheit sagen, wenn die besser klingende Hälfte es auch tut. In den Videotexten der Sender kann man einige dieser Tricks gut nachvollziehen.

Recht einfallsreich ist das ZDF gewesen, das in seinem Videotext täglich eine Quotenrangliste der Primetime ausgibt: die Durchschnittsquoten von 19 bis 23 Uhr. Hoppala! 19 Uhr? Geht man beim ZDF etwa davon aus, dass in den Altersheimen um Acht das Licht ausgemacht wird und man dem betagteren Publikum auch noch einen Teil Primetime zugestehen wollte? Mitnichten. Ab 19 Uhr kann das ZDF lediglich mit «heute» und den anschließenden Vorabendreihen gute Quoten einfahren, die das Resultat angenehm aufhübschen. Das funktioniert derzeit besser denn je, da das Programm im Ersten in der Stunde vor 20 Uhr unterirdisch läuft.

So konnte sich das ZDF am Mittwoch als großen Primetime-Gewinner feiern. Mit 15,8 Prozent Marktanteil hatte man Das Erste mit nur 14,1 Prozent deutlich abgehängt. Nimmt man allerdings mal die übliche Deutung der Primetime als den Zeitraum von 20 bis 23 Uhr zur Hand, sieht die Sache schon ganz anders aus: Das Ergebnis des ZDF fällt zwar nur leicht auf 15,5 Prozent, das des Ersten schnellt hingegen ohne Quoten-Rohrkrepierer «Das Duell» und «Wissen vor 8» auf 16,3 Prozent in die Höhe. Und plötzlich ist ein anderer Sender Sieger der Primetime.

Bei den Privaten versucht man es statt mit unterschiedlichen Zeiten lieber mit unterschiedlichen Altersgruppen. Besonders Sat.1 sorgt dafür, dass immer irgendwas dabei ist, das passt: ab 3, ab 14, von 14 bis 49 und weil Sat.1 dort viel besser wegkommt: von 30 bis 49. Kernzielgruppe nennt sich das. Und weil die Sendergemeinschaft ja zusammenhält, gibt es auch noch Angaben für die Zuschauer zwischen 14 und 29 Jahren, bei denen ProSieben punkten kann. Und gelingt es tatsächlich mal, in einer dieser Zuschauergruppen Klassenführer RTL zu schlagen, dann blinken die Zahlen im Text sogar euphorisch.

Ein Blick in die USA zeigt, wie man die Schönrechnerei auf die Spitze treiben kann: Der Sender The CW, Heimat von Serien wie «Gossip Girl», das auf ProSieben gewaltig strauchelte, kann mit den Großen der Branche schon längst nicht mehr mithalten. Genauer gesagt konnte das relativ junge Network, das aus der Fusion von UPN und TheWB hervorging, das noch nie. Die Reichweiten der Serien sind mittlerweile in Bereiche gefallen, mit denen selbst deutsche Sender ihre Probleme hätten. Trotzdem werden Serien wie «Gossip Girl», die nicht einmal mehr zwei Millionen Zuschauer erreichen, als Hits gefeiert.

Natürlich kann CW sich dabei nicht auf die Gesamtreichweiten beziehen. Oder die werberelevante Zielgruppe der 18- bis 49-Jährigen, die bereits nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung einschließt. Selbst bei den jungen Zuschauern zwischen 18 und 34 läuft es nicht gut genug. Wenn sich CW in Gestalt von Senderchefin Dawn Ostroff mit guten Einschaltquoten brüstet, dann mit den Werten bei den weiblichen 18- bis 34-Jährigen. Dort kommt etwa «Gossip Girl» auf sechs Prozent Marktanteil, ein Wert, mit dem sich selbst die großen Sender mittlerweile des Öfteren begnügen müssen. Wieviele junge Frauen tatsächlich zusehen, habe ich hier mal an der Bevölkerungspyramide verdeutlicht:



Die letzte Folge hatte eine Reichweite von 2,3 Ratingpunkten, das bedeutet 2,3 Prozent der gesamten Bevölkerung in der Kernzielgruppe hatte den Fernseher an und CW eingeschaltet. Das macht rund 770.000 Zuschauerinnen, die der Sender zum großen Erfolg aufbauscht, wohlgemerkt in einem Land mit über 300 Millionen Einwohnern. Es lässt sich halt alles irgendwie schönrechnen. Man muss nur wissen wie. Dessen sollte man sich dann aber auch beim Blick auf die nächste Pressemitteilung bewusst sein - nicht dass das ZDF noch heimlich die Zielgruppe 70+ in die Zahlen schmuggelt.

Oft steckt mehr hinter den Zahlen des TV-Geschäfts als man auf den ersten Blick sieht. Oder weniger. Statistisch gesehen nimmt sie unter die Lupe.

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