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Zwei Jahrzehnte dominierten NBCs Serien von «Cheers» bis «Friends» den US-Fernsehmarkt. Heute schlittert der Sender von einem Flop zum nächsten. Eine Chronologie des Niedergangs eines großen Networks.
Nach dem Ausscheiden Silvermans wurde die Politik, mit günstigen Programmen wie der «Jay Leno Show» die niedrigen Quoten zu kontern aufgegeben. Stattdessen wollte NBC wieder Geld in die Hand nehmen, um das Programm aufzupolieren und Zuschauer zurückzugewinnen. Die großen Hoffnungsträger für den Herbst 2010: der gehypte Verschwörungsthriller «The Event» und die neue Agentenserie «Undercovers» von «Lost»-Schöpfer J. J. Abrams - zwei Serien, in denen der Sender große Hits vermutete. Auch vor radikalen Umbrüchen schreckte man nicht zurück: Die Krimiserie «Law & Order» wurde nach 20 Staffeln und nur ein Jahr vom Rekord als am längsten laufendes Primetime-Drama eingestellt und durch den Nachfolger «Law & Order: Los Angeles» ersetzt. Alles sah danach aus, als könne NBC einer der großen Gewinner der neuen Saison werden.
Diese Hoffnungen haben sich nach dem Start der Saison vor acht Wochen schnell zerschlagen, die Prestige-Serien liegen bereits am Boden. «The Event» legte zwar einen der besten Starts des Jahres hin, hat mittlerweile in der Zielgruppe aber mehr als die Hälfte seines Publikums verloren und liegt mit vier Prozent Marktanteil weit im roten Bereich. Unter «Undercovers» wurde trotz des großen Namens hinter dem Projekt aufgrund vom Start weg katastrophaler Quoten bereits der Schlussstrich gezogen: Die Serie endet nach 13 Folgen. Die jüngsten Ratings der beiden Serien, die in Prozent der Gesamtbevölkerung angegeben werden, lagen zuletzt bei 1,7 und 1,2. Vor Beginn der Saison konnte alles unter 2,0 getrost als Flop betrachtet werden. Zum Vergleich: NBC erfolgreichste Serie der Vorsaison - «The Office» - kam auf einen Schnitt von 4,0.
Konsequent alles unter 2,0 abzusetzen, ist für NBC aber unmöglich geworden, denn kaum eine Dramaserie erreicht diese Minimalmarke noch. Den weiteren Neustarts ist es nämlich nicht besser ergangen: «Law & Order: Los Angeles» sackte nach gutem Start ebenfalls auf 1,7 ab, die Bruckheimer-Produktion «Chase» floppte mit zuletzt 1,2 komplett - und bekommt nach aktuellem Stand trotzdem neun zusätzliche Episoden. Das Rating des neuen Anwaltsdramas «Outlaw» fiel am Freitag gar auf unter einen Punkt. NBC versendet die restlichen Folgen mittlerweile am Samstag, dem Friedhof des US-Fernsehens.
Durch ein starkes Rahmenprogramm kann NBC diese Flops schon längst nicht mehr auffangen, denn das bewährte Programm altert rasant und weist dieselben Probleme auf. Die Realityshow «The Apprentice» vegetiert am Donnerstag vor nicht einmal vier Millionen Zuschauern vor sich hin, «The Biggest Loser» hat ebenfalls viel von seinem früheren Glanz verloren. Das im letzten Frühjahr noch überraschend erfolgreiche «Parenthood» findet ebenfalls kaum noch fünf Millionen Zuschauer und kratzt oft an einem Rating von 2,0.
Es kann aber nicht allein das mangelnde Vertrauen und er schlechte Ruf durch die Aktionen der letzten Jahre sein, in denen teure Serien eher als lästige Anhängsel gesehen wurde, die für diese Misserfolge verantwortlich sind. «The Event» und «Undercovers» erfüllten auch einfach nicht die hohen Erwartungen, die beim Publikum geschürt wurden. Letzteres entpuppte sich als äußerst handzahmes Drama, während ersteres dem Publikum mit dem Pilotfilm einen Stapel offene Fragen ohne eine packende Hintergrundstory zu liefern und schnell zu einem neuen «FlashForward» wurde und vermutlich auch wie dieses enden wird. Bei NBC scheint man mit der inhaltlichen Ausrichtung genauso wenig zufrieden zu sein: Nach Silverman muss zum Jahresende auch Zucker seinen Posten räumen. Auf seinen Nachfolger Steve Burke wartet viel Arbeit, die verlorenen Zuschauer wieder mit gutem Programm zurück zu gewinnen.
Immerhin eine Bastion besitzt NBC noch, auf die man aufbauen kann: der Donnerstagabend. Längst kein "Must See TV" mehr und lange nicht mehr Marktführer, aber durch «The Office» und «30 Rock» ist der Comedytag immer noch stark besetzt. Mit «Outsourced» gesellte sich NBCs von den Quoten her stärkster und einzig erfolgreicher Neustart des Jahres hinzu. Es ist nicht verwunderlich, dass die Ausweitung des Comedy-Blocks im Frühjahr auf drei Stunden probiert wird. Es ist ein Schritt, an die verbliebenen Stärken im Programm anzuknüpfen und würde die Möglichkeit bereiten, im nächsten Herbst eventuell sogar einen zweiten Comedytag zu installieren und wieder eine Basis für neue Serien zu schaffen.
Es ist bezeichnend für die Leistungen der letzten Jahre, dass NBC somit auch heute noch von der goldenen Ära der 80er und 90er zehrt.