Schlüter sieht's

«Schlüter sieht's»: Talk-Dilemma ARD II

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Ein Kommentar zur neuen Sendezeit der ARD-Talks wie «Hart aber fair» und «Beckmann».

Vor zwei Wochen öffnete diese Kolumne unter dem Titel „Talk-Dilemma ARD“ – nun, nachdem die Entscheidungen über neue Sendeplätze für «Hart aber fair» und «Anne Will» sowie die kollektive Umstrukturierung der ARD-Primetime von montags bis donnerstags ab Herbst nächsten Jahres gefallen sind, darf dieser Titel ruhig auch ein zweites Mal als Schlagzeile herhalten. Denn er passt genau zum neuen Dilemma, das sich die ARD mit der Verlegung des erfolgreichen Polit-Talks «Hart aber fair» auf den Montagabend selbst eingebrockt hat: Frank Plasberg diskutiert künftig nicht einmal 24 Stunden nach Günther Jauch, der ab Herbst 2011 einen eigenen Polit-Talk im Ersten nach dem «Tatort» erhält und «Anne Will» verdrängt.

Künftig also startet «Hart aber fair» montags um 21.00 Uhr nach den Dokus – zumindest einen einzigen Primetime-Sendeplatz hat man den hervorragenden Natur-Dokumentationen und –Reportagen also gelassen. Die vorherige montägliche Doku-Schiene bricht allerdings auseinander: Die Doku-Reihen um 21.00 Uhr wie «Deutschland, deine Künstler» oder «Legenden» werden künftig erst ab 22.45 Uhr nach den «Tagesthemen» zu sehen sein; «Beckmann» wechselt und geht auf den Donnerstag. Als Konzessionsentscheidung verspricht die ARD, dass andere, sonst erst nach 23.00 Uhr gezeigte Dokumentationen, durch diesen neuen Sendeplatz am späten Montagabend früher starten dürfen.

Nun, die Verlegung dieser Doku-Reihen ist nicht das eigentliche Problem. Denn die hervorragenden Montags-Reportagen um 20.15 Uhr, die zum Besten gehören, was das deutsche Fernsehen zu bieten hat, werden wohl nicht angetastet und von der Programmreform ausgenommen. Das eigentliche Problem liegt nun wirklich darin, dass mit Günther Jauchs Talk und «Hart aber fair» zwei Polit-Gesprächsrunden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen gezeigt werden. Zwar überschneiden sich die Talks themenmäßig dann sicher nicht oft – aber wenn wirklich wichtige Ereignisse in der Welt oder im politischen Deutschland passieren, stellt sich zwangsweise eine Redundanz ein, da beide Sendungen dann die gleichen Themen behandeln müssen. Und das Nachsehen hätte dann wohl Plasberg, der nicht die freie Hand bei der Gästeauswahl haben wird und immer auf Jauch schauen muss – es sei denn, er will die gleichen Gesprächspartner begrüßen wie wenige Stunden zuvor der RTL-Moderator.

In der Tat überschneiden sich die Themen aktuell bei den großen ARD-Talks «Anne Will» und «Hart aber fair» nur äußerst selten: Schon immer behandelte letztere Sendung oft gesellschaftliche Themen abseits des rein politischen Diskurses – beispielsweise intensiv bei Gesundheit und Pflege. Meist zeigt sich, dass die beiden Shows ähnliche Themen innerhalb eines Zeitraums behandeln, aber nicht in derselben Woche. So sendete Frank Plasberg am 13. Oktober unter der Ausgangsfrage „Welche Zuwanderer brauchen wir?“, während Anne Will dies einen Monat später (am 14. November) unter dem Titel „Welche Zuwanderer wollen wir?“ fast identisch tat. Die Hartz-Reform war am 26. September Thema bei Anne Will, am 20. Oktober bei Plasberg. Problematisch wird es eben – wie oben beschrieben – genau dann, wenn sehr aktuelle kontroverse Themen anstehen, wie beispielsweise bei der Integrationsdebatte um Thilo Sarrazin, welche beide Sendungen innerhalb einer Woche ähnlich behandelten. Bisher fiel dies nicht besonders ins Gewicht, da Plasberg und Will mittwochs und sonntags sendeten – nun aber finden die beiden demnächst wohl wichtigsten Polit-Talks am Sonntag- und Montagabend statt. Insofern ist zukünftig eine noch stärkere Abstimmung der beiden Produktionsfirmen nötig, die «Hart aber fair» und Jauch herstellen.

Und gibt es überhaupt Gewinner der umstrittenen ARD-Programmreform? Indirekt schon: Denn wenn sich Jauch und Plasberg künftig am Ende und Anfang der Woche um dieselben Themen streiten werden, können Anne Will (die künftig mittwochs um 22.45 Uhr redet) und Beckmann (donnerstags um 22.45 Uhr) am schnellsten auf neue Themenlagen, Krisen und Entwicklungen reagieren, die in der Woche passieren – während Jauch und Plasberg einige Tage warten müssten. Liebe ARD: Gab es wirklich keine bessere Lösung?

Jan Schlüters Branchenkommentar beleuchtet das TV-Business von einer etwas anderen Seite und gibt neue Denkanstöße, um die Fernsehwelt ein wenig klarer zu sehen. Eine neue Ausgabe gibt es jeden Donnerstag nur auf Quotenmeter.de.

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