Die Kino-Kritiker

«Megamind»

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Dreamworks' neuer Streich «Megamind» nimmt das Superheldengenre und stellt es quer: Im Zentrum steht kein Strahlemann, sondern ein Alienschurke mit der Stimme von Bastian Pastewka.

Universal Pictures‘ «Ich – einfach unverbesserlich» nahm weltweit über eine halbe Milliarde Dollar ein und schlug hierzulande mit 2,4 Millionen Besuchern sogar «Toy Story 3» an den Kinokassen. Diese Woche startet mit «Megamind» der zweite Animationsfilm des Jahres, der einen Superschurken ins Scheinwerferlicht drängt. Während der Überraschungserfolg des «Ice Age»-Produzenten Chris Meledandri zeigte, wie ein Schurke drei Waisen adoptiert um den Mond zu stehlen, will der neuste Streich von Dreamworks Animation den klassischen Kampf von Gut gegen Böse auf den Kopf stellen. Die Grundidee zur animierten Superheldenparodie lautet nämlich: Was wäre, wenn Lex Luther Superman töten würde?

Ein schwarzes Loch radiert ein gesamtes Sonnensystem aus. Allein zwei Babys unterschiedlicher Planeten überleben die Katastrophe: Megamind (Will Ferrell bzw. Bastian Pastewka) und Metro Man (Brad Pitt bzw. Oliver Welke) werden von ihren Eltern in kleine Raumschiffe geschnallt und fliegen quer durch die Galaxie. Bereits im Anflug auf die Erde entsteht zwischen ihnen, dem blauen Riesenkopf Megamind und der geschniegelten Strahlebacke Metro Man, eine Rivalität. Und schon in den ersten Momenten dieses Wettstreits zieht Megamind den kürzeren: Von Metro Mans Raumschiff gerammt, stürzt er mitten in einem Gefängnishof ab. Das Alienbaby wird von den Gefangenen aufgezogen und sozialisiert. Von ihnen lernt Megamind schon früh, was gut und was schlecht ist und dass er sich auf der Seite des Schlechten einzuordnen habe. Als Megamind wegen guter Führung die Erlaubnis erhält, in die Schule zu gehen, begegnet er erneut Metro Man. Die Rivalität zwischen ihnen eskaliert und Megamind beschließt, von nun an die Erznemesis Metro Mans zu sein. Als Erwachsene spielen sie ein ewiges Katz-und Maus-Spiel: Megamind bedroht immer wieder die Großstadt Metrocity und entführt die Metro Man anhimmelnde Reporterin Roxanne, deren Kollege Hal nur hilflos zusehen kann, woraufhin Metro Man die fiesen Pläne des blauen Ganoven durchkreuzt. Auch Megaminds neuster Plan scheint sich nicht von sonstigen Schurkentaten zu unterscheiden. Bis Metro Man aufschreit, sein Erzfeind hätte per Zufall seine einzige Schwäche gefunden. Ehe Megamind die Situation begreifen kann, steht er unverhofft als endgültiger Sieger im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse da. Daraufhin stellt sich die Frage, die er sich nie zu stellen wagte: Was tut ein Superschurke ohne seinen Gegenpart?

Vergleicht man «Megamind» mit dem anderen Superschurken-Animationsstreifen des Jahres, fällt sofort auf, dass beide Produktionen visuell in der gleichen Liga spielen. Nicht dass sie sich ähnlich sähen, aber sie stehen in einem ähnlichen Verhältnis zur aktuellen Trickkonkurrenz. «Megamind» befindet sich, wie «Ich – einfach unverbesserlich», animationstechnisch auf einem wirklich respektablen Niveau. Metro City wird sehr detailliert dargestellt und menschliche Haut sieht nicht wie Plastik aus, sondern weist auch Unebenheiten und Unreinheiten auf. Im direkten Vergleich zu «Toy Story 3», dem nächste Woche in Deutschland startenden «Rapunzel» und Dreamworks’ hauseigener Konkurrenz «Drachenzähmen leicht gemacht» wirken Andy Bialks Figuren- und David James‘ Produktionsdesign für «Megamind» allerdings blass und ideenlos. Aus gestalterischer Hinsicht stechen vornehmlich die Jonah-Hill-Karikatur Hal und der im Roboter-Gorillaanzug steckende Kugelfisch Minion hervor, die auch am ausdrucksstärksten animiert wurden. Dadurch, dass Minion zudem einige der treffsichersten Sprüche abbekommt und Hal im ganzen Film die spannendste Charakterwandlung durchmacht, kristallisieren sie sich schnell als die generell interessantesten Figuren in «Megamind» heraus. Die Titelfigur selbst bleibt dagegen im Schatten dieser Nebenrollen hängen: Obwohl er sich als sympathischer Antiheld bewährt und in bester Dreamworks-Manier für einige Lacher sorgt, hat Megamind keine Qualitäten, die ihn von vergleichbaren Leinwandfiguren abheben lässt – und die Gagtrefferquote war etwa bei Gru aus «Ich – einfach unverbesserlich» deutlich höher.

Für die meisten Kinobesucher, die mit «Megamind» liebäugeln sind diese Dinge jedoch sicherlich nebensächlich. Entscheidend sind bei einer Superheldenparodie bzw. Superschurkenkomödie die Lacher und die Action. Anfangs erweckt «Megamind» den Anschein, in diesen Bereichen punkten und für die weniger beeindruckenden visuellen Leistungen entschädigen zu können. Sowohl der offensichtlich an «Superman» angelehnte Rückblick auf Megaminds Herkunft, als auch seine neue Perspektiven auf den steten Kampf zwischen Helden und Schurken eröffnende Erzählungen über seine Kindheit sind clever und mit viel Ironie durchzogen. In der Gegenwart angekommen, kann auch der Gefängnisausbruch des Schurken, dessen Talent man nie wirklich zwischen verplant und verkannt einordnen kann, sowie seine neuste Superboshaftigkeit gegen Metro City und Metro Man überzeugen. Hier nimmt der Film gekonnt Genreklischees auf die Spitze und lässt den charmanten Außenseiter Megamind gegen einen gezielt als schnöseligen Lackaffen dargestellten Superhelden auflaufen. Nach Megaminds glänzend unglamourösen Sieg gegen Metro Man, verliert das Skript der Autorenneulinge Alan J. Schoolcraft und Brent Simons allerdings zusehends an Biss und Konsequenz. Von der Genialität des Konzepts eines Superschurken ohne Gegenstück bleibt im Mittelpart von «Megamind» kaum etwas übrig, stattdessen verkommt die neuste Arbeit des «Madagascar»-Regisseurs Tom McGrath mittelfristig zur uninspirierten Familien-Animationskomödie mit Grimassen schneidenden Figuren, routiniertem Slapstick und dem zwischendurch eingeworfenen Dialogwitz.

Zur Hälfte des Films versucht sich McGrath des Weiteren daran, seiner Komödie Emotionalität zu verleihen, noch immer eine Rarität im Dreamworks-Animationskanon. Was dem Regieduo Dean DeBlois & Chris Sanders in «Drachenzähmen leicht gemacht» furios glückte, lässt «Megamind» jedoch wegen mauer Dialoge und einer trockenen Inszenierung altbacken und bemüht wirken. Der romantische Subplot zwischen Megamind und seinem einstigen Lieblingsentführungsopfer, der Reporterin Roxanne Ritchi, will überhaupt keine Funken sprühen lassen und Megaminds Persönlichkeitskrise wirkt zu sehr wie ein Plotvehikel, als dass sie den Zuschauer von Charaktertiefe überzeugen könnte. Wenn dann im letzten Drittel des Films mit Titan (beziehungsweise Tighten) ein neuer Supermensch die Bühne betritt, kommt «Megamind» endlich wieder in die Gänge. Zwar ist das tatsächliche Ergebnis weiterhin ein bloßer Schatten dessen, was das Konzept hinter dem Film alles ermöglicht hätte, doch die sehr gut inszenierten Actionszenen und das gesteigerte Tempo der Gags lassen darüber hinwegsehen.

Die deutsche Synchronisation von «Megamind» ist für den informierten Zuschauer eine klare Geschmacksfrage. Bastian Pastewka gibt sich als Megamind redlich Mühe, die Emotionen seiner Figur zu vermitteln, zumindest so weit das Drehbuch es ihm zulässt. Allerdings ist seine Figur überdeutlich dem Originalsprecher Will Ferrell nachempfunden, weshalb einige Macken Megaminds mit Ferrells deutschem Stammsprecher griffiger wirken würden. Sein Gegenspieler Metro Man verliert durch die deutsche Fassung noch mehr an Wirkung: Zwar gibt Oliver Welke eine überraschend gute Leistung als widerlicher Strahlefuzzi ab, jedoch geht seiner Rolle durch die verlorenen Bezüge zum Originalsprecher Brad Pitt sehr viel an Witz verloren. Vom «Der Wixxer»-Trio schlägt sich deswegen ganz klar Oliver Kalkofe am besten, der Minion zu einer liebenswürdigen und witzigen rechten Hand des Bösen macht und mehr Persönlichkeit als das Original hat. Die weiteren Nebenrollen sind ebenfalls glücklicher besetzt: Ein kurzer Gastauftritt von Ben Stiller wurde beispielsweise von dessen Stammstimme Oliver Rohrbeck gesprochen, so dass die Assoziation für den firmen Kinogänger vorhanden bleibt, genauso wie Jonah Hills Rolle von seinem hier besonders gut aufgelegten Sprecher Tobias Müller eingesprochen wurde. Leider bügelt das Synchronbuch manche der Filmanspielungen aus der Komödie raus. Unter anderem wird Marlon-Brando-Parodie in der deutschen Fassung einfach nur zu einem seltsam nuschelnden alten Mann degradiert.

Die Musik besteht aus einigen Rock-Klassikern wie AC/DCs «Back in Black» sowie Originalmusik von Hans Zimmer und dessen Zögling Lorne Balfe («Modern Warfare 2»). Während die Songklassiker pointierte Verwendung finden, ist Zimmers und Balfes Score funktionabel, doch ideenlos. Schon «Ich – einfach unverbesserlich», dessen Musik von Zimmer und Heitor Pereira sowie Pharrell Williams stammte, war in diesem Bereich unerwartet schwach, aber «Megamind» muss gänzlich auf markante Original-Musikstellen verzichten.

So ließe sich generell das Verhältnis zwischen «Ich – einfach unverbesserlich» und «Megamind» beschreiben: Dreamworks’ Schurkenkomödie ist (in seinen komischen Phasen) für die Dauer eines Kinobesuchs kurzweilig genug, um nicht vollkommen zu enttäuschen, ist danach aber schnell vergessen. Die scheiternden melancholischen Momente rauben «Megamind» an Eindrucksfähigkeit, lassen sich aber mit etwas Geduld durchsitzen. «Ich – einfach unverbesserlich» dagegen gelang die Kombination aus frechem Witz und Herzlichkeit um Längen besser – und deshalb bliebt er einem länger und positiver in Erinnerung.

Fazit: Für Fans des typischen Dreamworks-Humors ist «Megamind» aufgrund des guten Starts und äußerst unterhaltsamen Finales durchaus einen Blick wert, wer sich allerdings eine unkonventionelle Superheldenparodie verspricht, sollte sich den Kinobesuch zweimal überlegen. Im Schurkensektor war «Ich – einfach unverbesserlich» deutlich stärker und von den drei diesjährigen Dreamworks-Produktionen ist «Megamind» trotz markantem Konzept die schwächste. «Für immer Shrek» war witziger und «Drachenzähmen leicht gemacht» spielte in einer gänzlich anderen Liga. Schade um das Potential, das hinter «Megamind» steckte…

«Megamind» ist seit dem 2. Dezember in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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