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So viel sei gesagt: Verstecken brauchte er sich nicht. Im vergangenen Jahr wurde der Jahresrückblick mit einer Dauer von 225 Minuten noch als eine Hetzjagd mit acht Werbepausen bezeichnet, in diesem Jahr hatte sich alles etwas gebessert. 175 Minuten lang sendete Kerner und das weitaus gemütlicher als noch 2009. Dass man es manchmal immer noch zu eilig hatte, ist wohl ein Überbleibsel des vergangenen Jahres. Nach 30 Minuten Sendezeit hatte man beispielsweise schon die Themen WM und Rettung der Chile-Kumpel komplett abgehandelt. In kurzen Einspielern wurde zudem auch die Sarrazin-Debatte und Missbrauch durch Priester angeschnitten. Das sind alles Themen, die Günther Jauch am Sonntag im RTL-Rückblick ausführlich behandeln wird. Zum Start legte Kerner ein gutes Tempo vor, war manchmal vielleicht sogar zu schnell, was letztlich aber auch an einigen Schnitten in der Sendung lag.
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Zurück zum Thema Tempo: Der Talk mit Ferres, die Filme des Jahres und ein Ausschnitt auf «Marco W.» wurden in sagenhaften acht Minuten abgehandelt, Kerner moderierte sozusagen im fünften Gang. Danach ließ man sich mehr Zeit – was auch gut war. Mit dem Auftritt von NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ging es zurück zu harten Themen. Politik schnitt Kerner gerade einmal eine knappe Minute an, man wollte den typischen Sat.1-Zuschauer wohl nicht allzu sehr verschrecken. Mit ihr und ihrem Sohn besprach Kerner dann auch das wohl stärkste Thema des Abends: Das Unglück bei der Loveparade.
Um 21.53 Uhr war es dann soweit. Rainer Schaller, Veranstalter der Loveparade, trat bei Kerner auf. Ausschnitte zeigte Sat.1 den ganzen Tag über schon bei Bild.de, es war ein richtig starkes Gespräch, das aber auch eins klar machte: «Kerner» talkt in seinem wöchentlichen Magazin viel zu wenig – aus Angst die Quote damit zu drücken laufen vermehrt Einspieler und das, obwohl solche Gespräche mit Kerner oftmals unglaublich intensiv sind. Zehn Minuten lang spricht er mit Schaller und zwei Betroffenen. Im Studio herrschte dabei absolute Stille.
Ohnehin gewann die Show an Klasse, je länger sie lief. Es machte sich auch bezahlt, dass ein Großteil der Gäste die ganze Sendung über auf der großen Couch sitzen blieb. So sangen Ferres und Kraft „Geboren um zu Leben“ mit. Ab 22.52 Uhr wurde es dann sogar politisch im Sat.1-Jahresrückblick: Joachim Gauck sprach über die Bundespräsidentenwahl – fünf Minuten lang. Das Tempo der Sendung war inzwischen angenehm geworden. Die zweistärkste Phase hatte die Show nach dem letzten Werbeblock, als Kerner unter anderem mit einem Taxifahrer sprach, der Gäste wegen des Flugverbots im April von Köln bis nach Griechenland fuhr.
Auch außergewöhnliche Torjubel nach einem Fußballspiel waren kurz vor Schluss noch Thema des Sat.1-Jahresrückblicks, der – ganz wie früher im ZDF – mit dem Gedanken an in diesem Jahr Verstorbene endete. Mit elfeinhalb Prozent Marktanteil erreichte die Show mit Sicherheit nicht die Quote, die sie eigentlich verdient hatte. 14 oder 15 Prozent wären angemessen gewesen, dennoch kann Johannes B. Kerner mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein. Es war eine gelungene Show, die er und sein Team auf die Beine stellten. Und so blieb am Ende nur eine Frage: Was genau hatte Veronica Ferres in dem Jahresrückblick verloren?