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Quotenmeter.de vor Ort: Harald Schmidt fast schon in Höchstform

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Die Formkurve des Late-Night-Talkers in seiner Show «Harald Schmidt» im Ersten zeigt deutlich nach oben. Jürgen Kirsch besuchte die Aufzeichnung im Studio 449 in Köln.

Harald Schmidt ist und bleibt der König der deutschen Late-Night-Show. Diese Erkenntnis entstand nicht erst nach dem Besuch der gleichnamigen Sendung «Harald Schmidt» im Studio 449 in Köln-Mülheim, sondern war anhand der anhaltend steigenden Formkurve des Late-Night-Talkers in den letzten Wochen festzumachen. Denn wahrlich ist auch die klassische Late-Night die Königsdisziplin im Bereich der Comedy und keiner beherrscht sie so wie der Altmeister. Dies soll keine reine Lobeshymne auf Harald Schmidt darstellen, der in den vergangen Jahren auch Schwächephasen seiner Show im Ersten durchlebt hat, sondern die Erwartungshaltung beschreiben, mit der ein Studiobesuch bei «Harald Schmidt» sicherlich für viele Menschen im Publikum verbunden war. Sie wurden nicht enttäuscht: Harald Schmidt zeigte sich wieder in guter Form und präsentierte eine Mischung aus Witz und Satire, die einfach genial war.

Von Lustlosigkeit, die Schmidt beispielsweise während der letzten Staffeln von «Harald Schmidt» im Ersten immer wieder attestiert wurde, keine Spur. Der Late-Night-Talker ist Feuer und Flamme mit seiner Show und scheint von der Lethargie beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit stets ungenauen Sendezeiten und auch mal gelegentlich unfreiwilligen, einwöchigen Sendepausen weg hin zu neuer Angriffslustigkeit gefunden zu haben – nicht zuletzt wohl auch, weil er demnächst im Privatfernsehen vermutlich wieder mehr Freiräume genießen kann. Die Angriffslustigkeit äußert sich schon beim starken Warm-Up, das Harald Schmidt jedes Mal höchstpersönlich macht, mit bissigen Kommentaren und einem kleinen Gag-Feuerwerk als Vorgeschmack auf das, was bei der Aufzeichnung selbst noch kommen mag. Dabei ist es nicht unüblich, dass sich eine Gag-Schiene auch mal vom Warm-Up durch die ganze Show zieht.

So bekam diesmal Schmidts Ex-Showpartner Oliver Pocher den Zynismus des Altmeisters zu spüren. Ob jemand schon mal bei einer «Harald Schmidt»-Aufzeichnung gewesen sei, fragt er das Publikum vor der Sendung. Ein Zuschauer meldet sich. „In welcher Phase der Show?“, will Schmidt wissen. Der Gast kann sich nicht daran erinnern – die Sendung habe sich nicht bei ihm eingeprägt. „Hat dieser Zwerg mir da noch assistiert?“, glaubt Harald Schmidt den Grund dafür gefunden zu haben. Den Seitenhieb auf Pocher haben die Zuschauer verstanden. „Wir haben ihn ja immer gewarnt vor dem Freitagabend in Sat.1. Jetzt geht es ihm schlecht – und er merkt es nicht mal“, plauderte Schmidt aus dem Nähkästchen. Auch Schmidts Glanzzeiten beim Bällchensender haben damals 1995 mit einem Freitagabend- Sendeplatz begonnen und endeten erst 2003. Es spricht die Erfahrung.

Auch in der Show selbst, die später eins zu eins im Live-On-Tape-Verfahren im Fernsehen zu sehen war, wettert Schmidt voller Ironie gegen seinen ehemaligen Showpartner, den er 2007 als Quoten-Hoffnung mit im Boot haben wollte. Die Trennung von «Schmidt & Pocher» lief offensichtlich wenig reibungslos. Bei Scherzen über die neue ARD-Talk-Schiene in 2011 witzelt Schmidt: „«Beckmann» am Donnerstagabend ist ein guter Sendeplatz. Es gibt nur einen Sendeplatz der besser ist: Der Freitagabend, 23.15 Uhr auf Sat.1“. Und auch beim Thema „Wikileaks“ hält er sich nicht zurück und präsentiert „Geheimnisse“ aus den «Harald Schmidt»-Redaktionskonferenzen – Begriffe und Sätze, die dort und hinter den Kulissen gefallen seien. Darunter ein Schild mit der Aufschrift „Steht Sandy etwa auf Männertitten?“. Doch auch die anderen Schilder mit Begriffen wie „Koksende Kochschwuchtel“, „Frisiert sich die Haare mit Pisse“ oder „Leckschwester“ haben es in sich. Harald Schmidt und seine Gag-Fabrik sind also schon beinahe zur Höchstform aufgelaufen.

Denn hauptsächlich stehen nicht Schmidts Ex-Kollegen im Schussfeld, sondern vor allem Politiker, Schlichter, Fußball- und andere Prominente. Zu den Themen der Sendung gehören also die aktuellsten Themen, die wir täglich im Radio und Fernsehen mitbekommen: Der Wintereinbruch, Jörg Kachelmann hat einen neuen Verteidiger, Jopi Heesters hört auf zu Rauchen, Schlichtung bei „Stuttgart 21“, die „Wikileaks“-Enthüllungen sowie der FDP-„Spion“ und natürlich ganz frisch die Entscheidungen zur Vergabe der WM 2018 und 2022 an Russland und Katar, die erst kurz vor dem Aufzeichnungstag bekannt wurden. Die Witze dazu sind hochprofessionell und lustig. Harald Schmidt bringt sich gekonnt ins Ziel. Denn vor allem hier kann der eine oder andere Witze auf der Strecke bleiben, kann der Late-Night-Host ihn seinem Publikum nicht rüber bringen. Für Harald Schmidt ist das Routine.

Eine bunte Palette aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport sowie ein wenig Boulevard: Die Mischung stimmt und mit dem gekonnt-genialen Stand-Up hat Harald Schmidt schon zu Beginn eine hohe Gagdichte vorzuweisen. Am berüchtigten Late-Night-Tisch hat der Altmeister weitere Witze vorbereitet. Er präsentiert das Schlichtungs-Frühstück oder den Adventskalender der europäischen Zentralbank mit brennenden Geldscheinen. Trotz Löschtuch brennt Schmidt dabei nicht nur ein Gag-Feuerwerk, sondern fast auch das ganze Studio ab. Man hat natürlich vorgesorgt – wie auch bei der Außenaktion von Assistentin Kathrin Bauerfeind, die eingefrorene Autos demolieren darf und einem Glühwein-speienden typischen Weihnachtsmarkt-Besucher, der nicht aufhören will seine Fontäne über die Windschutzscheibe zu sprühen. Doch – und das wollte Kathrin Bauerfeind demonstrieren – den Schnee räumt der damit fast komplett weg. Ein Bild für Götter.

Im Studio sitzt ein verkleideter Mitarbeiter als Chile-Kumpel zwischen den Zuschauern, ein Wink mit dem Zaunpfahl auf die zahlreichen verfrühten Jahresrückblicke im deutschen Fernsehen. Die Gags zünden jedes Mal, sind es doch gerade diese Aktionen, die «Harald Schmidt» lebhafter machen. Einen Dauer-Gag gibt es auch. In unerwarteten Momenten setzt der Late-Night-Talker sie ein und verkündet unverhofft: „Oh, es gibt Neues von Heiner Geissler.“ Es folgt ein ganz kurzer Beitrag mit einer gelungenen Schlichterspruch-Pointe. Gewürzt wird die Late-Night-Mischung von Harald Schmidt noch mit privaten Anekdoten (hier über Cindy aus Marzahn), gelegentlich spontanen Gesprächen mit seinem Bandleader Helmut Zerlett und einem Talk-Gast zum Ende der Sendung – diesmal Jasmin Tabatabai, die allerdings trotz Flug von Berlin nach Köln nur rund fünf Minuten mit Schmidt sprechen konnte.

Zwar geht die Humorkurve zum Ende der Show hin meistens steil nach unten - gerade dann, wenn der Gast wenig Lustiges zu erzählen hat, sich das Gespräch nicht in eine amüsante Richtung entwickelt oder schlichtweg zu kurz ist. Doch das Konzept der Show von Harald Schmidt ist erstklassig und hat sich über Jahre bewährt. Um die Hochglanz-Zeiten der «Harald Schmidt Show» von 1995 bis 2003 zu erreichen bedarf es sicherlich noch einiger Qualitäts-Sprünge, denn offensichtlich ist die Handbremse bei Harald Schmidt im Ersten noch nicht ganz gelöst. Noch kann man sich ab und zu einen Tick mehr Bissigkeit und Zynismus wünschen, gerade bei heikleren Themen.

Oft aber trifft Harald Schmidt den richtigen Ton und den Humor seiner Zuschauerschaft. Die Handbremse dürfte sich spätestens im Herbst 2011 lösen, wenn der Altmeister zu Sat.1 zurückkehrt. Auch wird er dort vorerst zweimal in der Woche zu sehen sein, was dann auch die eine oder andere gute Show-Aktion möglich macht, auf die man aus Zeitgründen derzeit noch verzichtet. So erfolgte kein Anruf bei der Firma für die Reparatur und den Austausch von Windschutzscheiben, was sicherlich witzig geworden wäre. Die Zeitgründe verhinderten dies. 40 Minuten sind manchmal doch etwas knapp bemessen. Schmidt: „Wenn wir täglich wären, würd‘ ich‘s machen.“ Und die Hoffnung seiner Fans auf eine tägliche «Harald Schmidt Show», sie stirbt bekanntlich zuletzt.

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