Die Kritiker

«Der kalte Himmel»

von

Story


In der ländlichen Gemeinde in der Hallertau steht der sechsjährige Felix im Herbst 1967 kurz vor seiner Einschulung. Felix ist der Sohn einer Hopfenbauern-Familie und ein stiller, zurückhaltender Junge, dessen sonderbare Wesenszüge und plötzlichen Stimmungsschwankungen sich nach und nach verstärken. Mit Stolz erfüllt seine Eltern sein ausgeprägtes Zahlenspiel und das stundenlange Spiel mit Hölzern und Steinen. Seine Mutter Marie kann dieses ungewöhnliche Verhalten und seine unterschiedlichen Charakterzüge zwar nicht begreifen, hat jedoch längst akzeptiert, dass ihr Sohn eben „anders“ ist, doch keineswegs „dumm“, wie ihre Mitmenschen meinen.

Für die Dorfgemeinschaft ist Felix schon längst zum Sonderling geworden, für die abergläubische Großmutter zum Besessenen, für seinen Vater Paul gar zum Problem, das er mit einer Einweisung in die Sonderschule aus der Welt schaffen will. Nur Mutter Marie stemmt sich dagegen. Sie glaubt an ihren Sohn, verteidigt ihn und sucht nach echter Hilfe. Doch sie läuft gegen eine Wand der Ablehnung. Einziger Lichtblick ist die neue Kantorin im Dorf. Denn auch Alex hat mit der Ablehnung in der Dorf- und Kirchengemeinschaft in bayerischen Landen zu kämpfen. Eine Frau in Hosen und noch dazu im tiefsten Bayern der 60er Jahre, wird besonders als neue Kantorin nicht gerade willkommen geheißen. Durch Alex lernt die verzweifelte Mutter Marie den idealistischen Psychologen Niklas Cromer kennen.
Er ist scheint der Erste zu sein, der sich auf Felix besondere Persönlichkeit einlässt und seine Verhaltensweisen schrittweise analysiert.

Doch der kehrt mit Alex zurück nach Berlin. In der Großstadt versucht Mutter Marie ihr Glück. In der Hoffnung Hilfe zu finden, reist sie dorthin und sucht Niklas Cromer auf. Doch während sich das Geheimnis um Felix' Krankheit langsam lüftet, droht die Ehe mit Paul zu scheitern, denn Marie kämpft in der Großstadt, fernab ihrer ländlichen Welt, allein um die Behandlung ihres Sohnes. Als Dr. Cromer Felix' mathematische Begabung entdeckt, ist er sich seiner Diagnose sicher: Felix leidet an autistischen Störungen. Für Marie und Paul wird die Diagnose zur letzten Bewährungsprobe, die über die Zukunft ihrer Familie entscheidet.

Darsteller


Leopold Nüßl («Meine liebe Familie») ist Max Moosbacher
Wolfgang Hübsch («Der Winzerkönig») ist Xaver Moosbacher
Monika Baumgartner («Der Bergdoktor») ist Elisabeth Moosbacher
Christine Neubauer («Die Landärztin») ist Marie Moosbacher
Marcus Mittermeier («Der Staatsanwalt») ist Paul Moosbacher
Tim Bergmann («Die Tochter des Mörders») ist Dr. Niklas Cromer
Natascha Paulick («Die Welle») ist Alex Brunner
Marc Hermann ist Felix Moosbacher
Eric Hermann ist Felix Moosbacher
Joelle Rose Kleber ist Lena Moosbacher

Kritik


Es braucht eine besonders hohe Aufmerksamkeit beim Anschauen dieses Zweiteilers im Ersten. Denn die detailgenaue Geschichte aus dem Drehbuch von Andrea Stoll erfordert, dass der Zuschauer sich auf die Situation der Protagonisten in diesem Familiendrama, das in einen historischen Kontext gesetzt wurde, der nicht gerade als „leicht“ zu bezeichnen ist, einlässt. Denn nur wer wirklichen Zugang zu der Geschichte um den autistischen Felix und seine für ihn kämpfende Mutter findet, kann darin ein Gesellschaftsporträt des Deutschland der 60er Jahre erkennen und den unausweichlichen Kontrast zwischen veralteten Vorstellungen auf dem Land und revolutionären Strömen in den großen Stadt, welche Umstände in diese Zeit bestens passen. Auch die Krankheit Autismus wird nach diesem Film kein Fremdwort mehr sein, auch wenn Regisseur Johannes Fabrik keine wörterbuchtaugliche Erklärung liefert.

Viel besser noch: Anhand einer sehr guten Inszenierung und einer Detailgenauigkeit wird ein fotografisch-scharfes Bild des Autismus gezeichnet. Dass dies gelingt, ist vor allem auch den jüngsten Hauptdarstellern im Film zu verdanken. Den die beiden Zwillinge Marc und Eric Hermann waren für Regisseur Johannes Fabrik, der zuletzt unter anderem «Die Tochter des Mörders» in Szene setzte, ein echter Glücksgriff. Den autistischen Felix spielen sie glaubhaft authentisch und doch mit einer Zurückhaltung, die gerade deswegen ein so echtes, lebensnahes Bild erzeugt.

Einen Zugang zu dem Zweiteiler «Der kalte Himmel» zu finden ist nicht sonderlich schwer. Hat man den etwas trägen Einstieg der Geschichte auf dem Land hinter sich gebracht, dann wird der Film von Johannes Fabrik spannend, gefühlvoll in jede Richtung und vor allem ambitioniert. Denn auch die Hauptdarsteller Christine Neubauer und Tim Bergmann sind in ihren emotionalen Rolle, als Mutter Marie und Doktor Cromer, die direkt mit dem autistischen Felix in Berührung gehen und mit den Gefühlen ihrer Charaktere auch den Zuschauer berühren, sind besonders überzeugend. Mit Marcus Mittermeier und Natascha Paulick hat der Zweiteiler-Film weitere Schauspieler im Aufgebot, die zu beeindrucken wissen. Durchweg sind also alle Rolle gleichauf authentisch und voller Überzeugung gespielt worden. Erst das setzt ein Gesamtbild zusammen, das die sehr detailverliebte Story dem Zuschauer nahe bringt.

Besonders hinsichtlich des hauptsächlichen Handlungsstrangs rund um das dramatische Schicksal des autistischen Felix, der Teufelsaustreibungen über sich ergehen lassen muss, von Ärzten gequält wird bis seine autistischen Störungen sowie seine Hochbegabung von Dr. Cromer nach langem Kampf und Leidensweg erkannt werden, kommt eine Spannung in die Storyline, die den Zuschauer nicht nur fesselt, sondern auch mitfühlen lässt. Der Film schafft es – und das ist ein sehr gutes Zeichen – den Zuschauer für das Schicksal des Jungen zu sensibilisieren und ein gewisses Interesse an dem Ausgang der Geschichte zu wecken.

Die sehr authentische Entwicklung des jungen Felix und der aufopferungsvolle Kampf seiner Mutter Marie um Hilfe für ihn, machen den Film erlebbar. Vor allem die Toleranz, die dem „Anders sein“ von Felix entgegen gebracht wird und die detailgenaue Beschreibung von Gefühlen in einer eher zurückhaltenden Erzählweise, macht den Film sympathisch. Hat man einen Zugang zu der Thematik gefunden, nimmt man auch die Nebengeschichte wahr, die den Zeitgeist der 1960er Jahre beschreibt wahr. Es ist die Geschichte der Mutter Marie, die Christine Neubauer spielt. Denn auch sie macht im Film eine Entwicklung durch. Von der ländlichen Hopfenbauersfrau wird sie zur emanzipierten, an modere Umstände angepassten Großstadtfrau, die sich eine Großraumwohnung mit einer Hippie-Bewegung teilt.

Natürlich bleibt das Wohl ihres Kindes Felix stets im Mittelpunkt, doch gerade deswegen oder dafür muss Marie im Berlin der 1960er Jahren auch hier mit Toleranz und Anpassung sich an die neuen Lebensumstände gewöhnen. Aus dem mittelalterlich anmutenden Zuständen im bayerischen Land ist sie ausgebrochen, um im sich in der Großstadt des sich im Umbruch befindlichen Deutschland selbst einem Umbruch zu unterziehen. Da den Machern von «Der kalte Himmel» auch hier eine glaubwürdige Geschichte gelungen ist, die zugleich ein genaues Gesellschaftsbild der Menschen in den 1960er Jahren malt, sammelt das Familiendrama auch hier Pluspunkte. Einen Wermutstropfen gibt es dann aber doch noch: Im zweiten Teil von «Der kalte Himmel» fällt die Spannung leider etwas ab, weshalb der Handlungsfluss nicht mehr ganz so berauschend ist. Doch auch das tut dem sehr guten Drehbuch und der beeindruckenden Umsetzung keinen wirklichen Abbruch.

Das Erste zeigt den ersten Teil des Familiendramas «Der kalte Himmel» am Montag, 3. Januar 2011 um 20.15 Uhr. Der zweite Teil wird am Dienstag, 4. Januar 2011 ebenfalls um 20.15 Uhr gesendet.

Kurz-URL: qmde.de/46751
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