You Are Cancelled

«Studio 60 on the Sunset Strip»

von
Christian Wischofsky erinnert an die NBC-Dramedy von Aaron Sorkin, die nach einer Staffel eingestellt wurde.

Man kann Aaron Sorkin lieben oder verehren. Oder man kennt den Namen gar nicht. Für Drehbuchautoren ist der Name jedoch geläufiger als die Geburtstage der Eltern und für junge Möchtegern-Drehbuchautoren sind Aarons Werke wichtiger als der morgige Arbeitstag oder die Universitätsarbeit, die nächste Woche fällig ist. Seine Drehbücher werden in Kursen geliebt, seziert, auseinander genommen und wieder zusammengesetzt, nur um zu realisieren, dass kein Weg an Meister Aaron Sorkin vorbei führt. Wer originelle Dialoge schreiben will, ohne den Sinn der Geschichte zu verlieren, muss entweder Aaron zur Hilfe rufen oder faktisch von ihm abschreiben. Und wer das nicht möchte, sollte sich immer und immer wieder «The West Wing», «Eine Frage der Ehre» oder «The Social Network» anschauen, um zu sehen wie ein cleveres Drehbuch auf die kleine oder große Leinwand gebracht wurde. Und wer Aaron Sorkin danach immer noch nicht schätzt, dem kann auch nicht mehr geholfen werden.

Doch genug mit den Liebeserklärungen. «Studio 60 on the Sunset Strip», entwickelt vom Comedyveteran Wes Mendell, premierte 1986 auf dem Network NBS. Nach 15 langen Jahren entwickelte sich die Freitag-Abend-Sketchshow zu einem Flagschiff für den Sender und gab den Comedydarsteller, sowie deren Autoren eine Chance sich im Business zu beweisen. Doch das Leben im Geschäft der Comedy wurde mit jedem Jahr härter und nachdem Mendell praktisch die Kontrolle über die Qualität seiner Comedyshow verlor, sah er nur einen Ausweg aus der Misere: Er unterbrach den Eröffnungssketch der 20. Staffelpremiere und ging auf eine einminütige Tirade gegen das Fernsehen und ihre Sentimentalitäten, gegen ein Network, welches eine Show tötet und keinen Finger bewegt, um es zu verhindern – und all das live vor Millionen von Zuschauern vor ihren TV-Geräten. Jeder sah zu, jeder hörte mit. Es war der Beginn für ein Neuanfang. Natürlich passierte all das nicht in der Realität, es war die Eröffnungsszene der Serie «Studio 60 on the Sunset Strip», welche ihre echte Premiere auf dem echten Network NBC am 18. September 2006 feierte. Schon vorab als eine der besten Serien des Jahres gehandelt (und das nicht nur wegen Sorkin als Erfinder und Autor aller Episoden), schaffte es das Drama nicht über das erste Jahr hinauszukommen. Nach unaufhaltsam sinkenden Einschaltquoten in 2006 schickte NBC die Serie zweimal in einen Hiatus, bevor «Studio 60» am 11. Mai 2007 während der Upfronts endgültig für beendet erklärt wurde. Obwohl die Absetzung noch im späten 2006 zu erwarten war: Etwas überrascht war jeder, dass eine Serie von Aaron Sorkin es nicht über eine Staffel hinaus schafft. Selbst sein erstes TV-Werk, die ABC-Comedy «Sports Night», kam auf zwei Staffeln. Und das in einer Zeit, in der wir praktisch nichts über das Fernsehen wussten.

Kritiker haben die Pilotepisode bis aufs Äußerste gelobt. Sowohl die Story, angelehnt an den Film «Network», als auch die Art und Weise, wie Sorkin seine Charaktere durch die Dialoge führt, kamen äußerst gut an und sorgten für einen Buzz um die Serie, welcher schließlich für eine Reichweite von 13,14 Millionen Menschen und ein Rating von 5.0 in der Zielgruppe sorgte. Zusammen mit dem ebenfalls gehypten Serienstart von «Heroes», welcher eine Woche später mit einem Rating von 5.9 Rekorde brechen sollte, hätte NBC am Montag ein Must-See-Lineup gehabt, welches den „Must-See-Thursday“ aus den 90ern hätte beerben können. Doch die Geschichte verlief ein wenig anders, und «Studio 60» entwickelte sich mit jeder Episode zu einem Flop (und «Heroes» sollte ein Jahr später den selben Weg einschlagen). Verglichen mit den heutigen Werten von NBC wäre «Studio 60» allerdings ein großer Erfolg gewesen. Zwischen September 2006 und Februar 2007 generierte die Serie einen Durchschnitt von 8,11 Millionen Zuschauer und ein Rating von 3.3 – Werte, von denen NBC heutzutage träumt. Doch vor fünf Jahren waren diese Zahlen für den erfolgsverwöhnten Sender unterdurchschnittlich – besonders wenn die Produktionskosten von «Studio 60» mit einbezogen werden: Mit drei Millionen Dollar pro Episode ging eine Menge Holz drauf und die Serie hätte mit einer möglichen zweiten Staffel wohl keine Gewinne eingefahren.

Den Serienhelden Matt Albie und Danny Tripp ging es mit der Zeit genauso wie den wahren Helden hinter den Kameras. In der Serie hatten die Produzenten und Autoren der Late-Night-Sketchshow mit allerlei Problemen zu kämpfen, angefangen mit der Absetzung von Sketchen, die die Religion einiger (fiktiver) Zuschauer angreifen könnten, über die Vermutung, dass einer der gerade aufgeführten Sketche von einem Amateur-Comedian gestohlen wurde, bis hin zur Frage, ob die Show am Abend in Los Angeles aufgeführt und ausgestrahlt werden kann, wenn wenige Stunden zuvor der halbe Cast in Nevada mit gesetzlichen Problemen zu kämpfen hat. Aaron Sorkin greift für seine Serie verschiedene Themen auf, die wahrscheinlich auch die Produzenten und Darsteller von «Saturday Night Live» beschäftigten, sowie die Verantwortlichen jeder anderen Late-Night-Show auf diesem Planeten. Nur macht es eine fiktive Serie zum ersten Mal für die Zuschauer öffentlich – auch wenn «Studio 60» nur eine fiktive Produktion war, mit fiktiven Problemen, übertriebenen Illusionen und überschwänglichem Pathos (was bei Sorkins «The West Wing» jedoch nicht anders war).

Die erste und einzige Staffel der Serie behandelt nicht nur die Geschichten innerhalb der Sketchcomedy, sondern auch das Auf und Ab eines amerikanischen Senders, angefangen von der Einstellung einer neuen Präsidentin, die einem sofort klar macht, dass sie Reality-TV hasst und HBO-Serien massentauglich sieht, sowie der übliche Stress mit der Federal Communications Commission (FCC) und letztendlich die dramatischen Auswirkungen, die eine Soldatenentführung in Afghanistan mit sich bringt (für die Sorkin gleich fünf Episoden schrieb).

«Studio 60» brachte die Zuschauer nicht nur dazu, mehr über das TV-Business zu lernen, sondern auch es besser zu schätzen (abgesehen davon, dass das wahre Fernsehen niemals so clever ist, wie es Sorkin in «Studio 60» immer behauptet). Der Cast hat sich größtenteils aufgelöst und beschäftigt sich mit neuen Projekten. Auffällig ist, dass die meisten Darsteller nach ihrer Zeit in «Studio 60» mit weiteren TV-Flops zu kämpfen hatten. Bradley Whitfords Auftritt in «The Good Guys» wurde soeben nach 20 Episoden entgültig abgesetzt, Sarah Paulson hatte mit «Cupid» ebenfalls kein Glück und Steven Weber sollte lieber weiter humorvolle Tiraden über seinen Twitter-Account verteilen, bevor er in einem zweiten «Happy Town» unterbeschäftigt ist und Arbeitslosigkeit findet. Ob sich die Geschichte mit Matthew Perry und seine neue Serie «Mr. Sunshine» fortsetzt, wird sich in wenigen Monaten zeigen. Wenigstens Aaron Sorkin hatte einen grandiosen Lauf nach «Studio 60». Nicht nur war «The Social Network» ein qualitativer und kommerzieller Erfolg, der seinen Namen wieder in die Münder der Kritiker brachte, auch arbeitet er zurzeit an einer neuen Serie, die wieder im TV-Business spielen soll. Dieses Mal sollte Sorkin jedoch darüber nachdenken, seine Drehbücher an die Kabelkanäle weiterzureichen, bevor die nächste Grabrede für eine seiner Serien geschrieben werden muss.

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