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Warum verbringen Millionen Deutsche einen wesentlichen Teil ihres Abends damit, sich unbedeutende Ex-Prominente anzuschauen, wie diese von den Moderatoren verspottet, dem Voyeurismus ausgesetzt und gedemütigt werden, indem sie exotische Dschungel-Insekten essen oder sich in einem Sarg mit Kakerlaken übergießen lassen müssen? Die kollektive Faszination für dieses Format ist – wie schon beschrieben – rational schwer zu erklären; zunächst als perverses „Ekelfernsehen“ bezeichnet, wurde es in den vergangenen Jahren sogar zum einem Liebling der Presse, wie Creative Director Uwe Schlindwein von der zuständigen Produktionsfirma Granada im Interview mit Quotenmeter.de erklärte. Selten hat eine Sendung so polarisiert und auch eine solche Transformation in der medialen Wahrnehmung vollzogen – obwohl sich «Ich bin ein Star» in seiner gesamten Geschichte selbst nur unwesentlich verändert hat.
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Das Image der Show scheint mittlerweile jedoch gut genug zu sein, um im Programm zu bleiben. Denn oft wird vergessen, dass «Ich bin ein Star» nach der zweiten Runde im Jahr 2004 schon einmal abgesetzt war; damals begründete man die Einstellung auch mit der negativen Rezeption und Wahrnehmung in den Medien und bei den Zuschauern, die ein schlechtes Licht auf RTL werfen würde. Erst mit der dritten Staffel 2008 wurde das Format auch zum Kritikerliebling.
Vielleicht hat sich damals auch die Presse dem immensen Unterhaltungsfaktor von «Ich bin ein Star» nicht mehr entziehen können. Aber wie wird diese Unterhaltung erzeugt? Essentiell wichtig ist die Konzeptualisierung des Formats, die unter anderem vorsieht, Kandidaten teils stereotyp und klischeebehaftet darzustellen. Wenn ein Teilnehmer beispielsweise in der Show nur meckernd oder schlafend zu sehen ist, muss dies nicht zwangsweise seinem Gesamtverhalten entsprechen. Den Protagonisten werden also bewusst Rollen – gerne provokant – oktroyiert, die den Zuschauer unterhalten und vor dem Fernseher, auf dem Schulhof oder im Büro zu Gesprächen anregen sollen. Die Kandidaten haben selbst nach der Sendung oft verlauten lassen, dass die Darstellungen in den Shows nicht der gesamten Wahrheit entsprochen hätten. Als Konsument sollte man sich also immer vor Augen führen, dass die täglichen Bilder aus dem Dschungel konstruiert sind und nicht zwangsweise das reelle Leben im Camp abbilden.
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Ein nicht unerheblicher Unterhaltungsfaktor ist auch die Art der Moderation von Sonja Zietlow und Dirk Bach. Sie verkörpern die jeweiligen Gedanken und Meinungen des Zuschauers über die Teilnehmer – und sprechen diese live vor der Kamera aus. In jedem Moderationssatz trieft es vor Zynismus und gradueller Respektlosigkeit gegenüber den im Camp weilenden Kandidaten. Somit werden Zietlow und Bach als boshafte Repräsentanten der öffentlichen Meinung selbst zur Unterhaltung. Ohne dieses distanziert-analytische Korrektiv, das gegenüber dem fern und zivilisationsfeindlich wirkenden Dschungelcamp auch noch die normale (Gedanken-)Welt der Zuschauer zeigt, wäre das Format nicht möglich.
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In der neuen Staffel ziehen wieder Prominente unterschiedlichster Branchen ins Camp. Konfliktpotenzial ist beispielsweise bei den Models Gitta Saxx und Sarah Knappik («Germany’s Next Topmodel») vorhanden, die sicherlich nicht nur der große Altersunterschied trennt. Als alternativer Hippie dürfte Reiner Langhans für viele Zuschauer die zunächst interessanteste Figur der Show sein. Peer Kusmagk ist als gescheiterter Fernsehstar einzustufen – als früherer Primetime-Moderator bei VOX und Präsentator des Sat.1-Frühstücksfernsehens sowie Soap-Schauspieler datiert sein letzter IMDb-Eintrag vom Jahr 2006. Aus der Welt des Gesangs treten Eva Jacob von den „Jacob Sisters“, Jay Khan der Gruppe „US5“ und Indira Weis der früheren «Popstars»-Gruppe „Bro’Sis“ gegeneinander an. Das Feld komplettieren die Schauspieler Katy Karrenbauer und Mathieu Carrière, der Schwimmer Thomas Rupprath und Wedding-Planner Frank Matthée.
Aber keine Angst: Wenn Sie zehn der elf gerade genannten Namen nicht kennen, dann dürfte dies auch nicht anders als in den vergangenen Staffeln sein. RTL wird schon genug Geschichten finden, um Ihnen die Kandidaten – im wahrsten Sinne des Wortes – schmackhaft zu machen. Laut Presseberichten hat die Produktionsfirma circa eine Million Kakerlaken für die nächsten Dschungelprüfungen bestellt. Also, liebe Ex-Promis: Kommt am besten hungrig im Camp an.