Vor den MDR-Gremien nahm der Intendant zu dem Betrugsfällen beim Kinderkanal Stellung und forderte Konsequenzen.
Für Thüringens Medienstaatssekretär und Rundfunkratsmitglied Peter Zimmermann war es „der Beginn der Aufklärung des größten Betrugsskandals in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland“. Die Rede ist von dem Betrugsskandal in Höhe von rund sieben Millionen Euro beim Kinderkanal (wir berichteten). Am gestrigen Montag hatte MDR-Intendant Udo Reiter in einer Sondersitzung von Rundfunk- und Verwaltungsrat des Mitteldeutschen Rundfunks, der als federführender Sender für den Ki.Ka von ARD und ZDF verantwortlich zeichnet, zu dem Vorfall Stellung genommen. Er redete davon, den Vorfall „schnell, akribisch, rückhaltlos“ aufzuklären. „Es gibt keinen anderen Weg, als die Ursachen und Verantwortlichkeiten umfassend aufzudecken und dann die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen“, bekräftigte er vor den Sendergremien.
Doch wie ein Damoklesschwert wird dabei die Frage über allen Aufklärungsversuchen schweben, wie es zu dem Betrugsskandal in solch stattlicher Millionenhöhe kommen konnte, der sich darüber hinaus über Jahre hinweg zog. Doch eben diese Frage ist „nicht ausreichend beantwortet“, wie ein Sitzungsteilnehmer der „Bild“-Zeitung sagte. Denn das Ausmaß des Betrugskandals ist jetzt schon immens: Der mittlerweile fristlos gekündigte, ehemalige Herstellungsleiter des Kinderkanals soll den Ki.Ka als Selbstbedingungsladen missbraucht und einer Berliner Produktionsfirma für erfundene Dienstleistungen regelmäßig Geld zugeschrieben haben. Dabei habe er gemeinsame Sache mit dem Geschäftsführer der Produktionsfirma gemacht und so seit 2005 rund vier Millionen Euro abgegriffen, die sich beide teilten. Tatsächlich aber begann das Prozedere schon drei Jahre früher. Die Erfurter Staatsanwaltschaft ermittelt bereits wegen Betrugs und Untreue gegen den einstigen Ki.Ka-Mitarbeiter und hat ihn verhaften lassen.
Laut MDR-Angaben sei dem Kinderkanal durch den Betrugsfall seit 2002 ein Schaden von mehr als sieben Millionen Euro entstanden, doch die Vorfälle vor dem Jahr 2005 konnten nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Rund 280.000 Euro soll der ehemalige Herstellungsleiter zudem noch über eine weitere Firma mittels Scheinrechnungen veruntreut haben, wie der „Spiegel“ berichtete. Ein weiterer Betrugsfall und zusätzliches Öl ins Feuer des Kinderkanal-Skandals. „Ein leitender Angestellter des Kinderkanals hat seine Schlüsselposition missbraucht, um Geld, das für das Kinderprogramm vorgesehen war, gezielt zur Seite zu schaffen“, ging MDR-Intendant Udo Reiter mit betroffenen Worten auf die Vorfälle ein.
Der ehemalige Ki.Ka-Herstellungsleiter hatte eine Nische bei der nicht ausreichenden Funktionstrennung zwischen produktionstechnischen und kaufmännischen Prozessen, also der Anforderung, Beauftragung, Rechnungsprüfung und Zahlungsanweisung für Dienstleistungen, die in seinem Fall tatsächlich gar nicht erfolgten, gefunden. Ein Mehr-Augen-Prinzip konnte der ehemalige Mitarbeiter aufgrund seiner Schlüsselposition im Sender offenbar aushebeln. Mittels der Trennung von Vergabe und Abrechnung von Leistungen hat man die Lücke nun geschlossen, bestätigte Udo Reiter, der auch Schadenersatz fordern will. Der Sender prüft zudem personal- und arbeitsrechtliche Maßnahmen bezüglich einzelner Mitarbeiter, die die Leistungen hinter den Scheinrechnungen nicht verifizierten, erkläre Reiter.
Die Revisionen von MDR und ZDF arbeiten unterdessen an einem Prüfbericht, der im März fertig sein soll. Der Verwaltungsrat möchte dann einen „Maßnahmenkatalog zur Vermeidung solcher Betrugsfälle“ vorgelegt bekommen. Das Gremium in Leipzig sorgte sich auch um einen möglichen Imageschaden des Ki.Ka in Erfurt, der vermieden werden soll. „Kriminelles Vorgehen hält uns nicht davon ab, unser Bekenntnis zum Ki.Ka als Zukunftsmodell zu bekräftigen“, sagte der Rundfunkrat. Personelle Konsequenzen in der Führungsetage von Kinderkanal und MDR wurden aber nicht gefordert. Besonders bitter: Mit 19 Prozent Marktanteil bei den Kindern hatte der Ki.Ka 2010 sein erfolgreichstes Jahr seit dem Sendestart, was der Betrugsskanal nun überschattet.