Seine Moderation bei der Verleihung der Golden Globe Awards spaltet die Gemüter: Ist Ricky Gervais zu weit gegangen?
Die Golden Globes gelten als deutlich legerer und lässiger als die Academy Awards. Man trifft sich, gibt in der Wärme Südkaliforniens ein paar Interviews auf dem roten Teppich, trinkt ein paar Gläser Wein und bekommt mit etwas Glück eine der begehrten Trophäen und damit den wichtigsten Oscar-Indikator verliehen. Das klingt nach einem guten Umfeld für ein paar augenzwinkernde Scherze und auch den einen oder anderen Seitenhieb auf die Medienbranche und die, die sich in ihr bewegen.
Seit Montag geht nun ein Raunen durch Hollywood. Denn Host Ricky Gervais hat „Edginess“ bei den Golden Globe Awards am vergangenen Sonntag gewissermaßen neu definiert. Neben den zu erwartenden „cheap shots“ gegen Charlie Sheen (Nutten im Kleiderschrank; seine Exfrau, die ihn ins Krankenhaus begleitet; Pornostars und Besäufnisse aller Art) ging er verbal auch etwa auf Robert Downey, jr. los, von dem er behauptete, dass man ihn wohl am besten aus der Betty Ford Clinic und dem Bezirksgefängnis von Los Angeles kenne. Nachdem er von der neuen AMC-Serie «The Walking Dead» gesprochen hatte, schwenkte er mit einem „speaking of which“ auf Hugh Hefner um und machte einige geschmacklose Witze über sein Sexualleben. Tom Cruise, eines der Lieblingsopfer von Satirikern, war ebenfalls nicht vor Gervais gefeit. Der Name des Scientologen fiel zwar nicht direkt; die Anspielung auf den gerüchteweise homosexuellen Sektenjüngling war jedoch unmissverständlich. Und über Philip Berk, Präsident der Hollywood Foreign Press Association, sagte Gervais: „I just had to help him off the toilet and pop his teeth in.“ Berk reagierte, verständlicherweise, gereizt.
Humoristisch gelungen und exzellent pointiert war Gervais' Auftritt am Sonntagabend zweifellos. Ricky Gervais ist unbestreitbar einer der größten und talentiertesten Comedians der Welt, der einen regelmäßig dazu bringt, Tränen zu lachen. Doch im Hinblick auf den Stil der Verleihung war sein Verhalten ebenso unpassend wie satirisch treffend. Er verließ die Ebene der augenzwinkernden Kumpanei, des wohlwollenden Humorismus, bei dem selbstredend Seitenhiebe erlaubt sind, und schwenkte um in ein gnadenloses Niedermetzeln, das an einigen Stellen fast schon bösartige Züge trug. Die Golden Globes sind ein Abend der Würdigung von exzellenten filmischen Leistungen und denen, die sie vollbracht haben. Der Versuch, dies mit einem Biss, der einer Kettensäge in einem Schlachthaus gleichte, gegen die Veranstaltung als solche und die daran Beteiligen zu verbinden, konnte nicht gut gehen.
Von einigen Publizisten wurde Gervais' Auftritt von letztem Sonntag mit dem von Stephen Colbert beim White House Correspondent's Dinner 2006 verglichen, bei dem Colbert mit einer, wenn auch humoristisch unterfütterten, Hasstirade gegen den damaligen US-Präsidenten und viele seiner Parteigenossen aufwartete. Doch dieser Vergleich hinkt. Denn Politik lebt ständig vom Zwist, vom Streit, von der Auseinandersetzung. Dies ist eine Basis der Demokratie. Doch die Golden Globes sind eine völlig unpolitische Veranstaltung; sie sind eine Zelebrierung großer Filmemacher. Oder sollen es zumindest sein. Hier mutwillig einen Hass gegen Alles und Jeden einzustreuen, wirkt befremdlich und ist ein Grund für durchaus berechtigten Anstoß.
Bereits am Tag nach der diesjährigen Golden-Globe-Verleihung warf man mit Spekulationen um sich, was denn wohl die Konsequenzen sein werden. Gegenüber dem Online-Klatschmagazin Popeater soll ein anonymes Mitglied der Hollywood Foreign Press Association gesagt haben, dass nach Gervais' Diskreditierung der Organisation im nächsten Jahr auf keinen Fall die Moderation an ihn herangetragen wird, sowie dass es bereits Beschwerden von zahlreichen Stars und ihren Vertretern gegeben habe. Gervais selbst dementierte sämtliche dieser Gerüchte in seinem Blog: „All the same conspiracy theories as last year too“, so Gervais. Niemand hätte Anstoß an seinen „Routines“ genommen, auch nicht Tim Allen und Tom Hanks, bei denen es noch am ehesten so schien. Schließlich und endlich sind die Stars also doch „good sports“. Gervais kann nur froh sein, dass er eine ähnliche Stand-Up-Nummer nicht auf einer deutschen Bühne hingelegt hat. Hierzulande hätte es wohl längst Verleumdungsklagen gehagelt.
Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.