Die Oscars sollten nicht die Quote beachten, sondern ihren eigentlichen Zweck erfüllen.
Man sollte denken, dass die Ehrungen für besondere Leistungen im Fokus stehen. Bloß ist dem nicht so: Selbst Preisverleihungen müssen sich dem Quotendruck beugen. Die Academy of Motion Picture Arts & Sciences kann sich rausreden, so viel sie möchte, die letztjährige Erweiterung des “Best Picture”-Feldes von fünf auf zehn Oscar-Nominierungen ist und bleibt eine Anbiederung an das Publikum, hoffend, dass bekanntere Produktionen im Rennen sein werden. Was wiederum höhere Quoten bringen sollte. Die Erweiterung der Hauptkategorie war dabei noch eine der respektableren Entscheidungen der Oscar-Macher, um mehr Zuschauer anzulocken. Mit Schrecken denke ich daran zurück, wie vermeintlich unwichtige Kategorien ohne Vorstellungsfilmchen runtergeleiert wurden. Inwiefern lässt sich dies noch mit dem eigentlichen Zweck der Academy Awards vereinbaren? Wer sich nicht für die beste Kurzdokumentation interessiert, soll halt fünf Minuten lang aufs Klo gehen!
Mein Wunsch für die übernächsten Oscars geht auch konsequent weg vom Massenaufruf nach weniger Kategorien und mehr Stars. Ich möchte mehr Kategorien! Allein schon dieses Jahr hätten ein paar zusätzliche Kategorien geholfen, herausragende Leistungen des letzten Kinojahres entsprechend zu würdigen, die stattdessen ausgesiebt wurden.
So wäre es an der Zeit, den Preis für die “Beste adaptierte Filmmusik” wiederzubeleben, der noch zur Glanzzeit der Filmmusicals vergeben wurde. Gemäß heutiger Filmstandards sollte dieser Preis aber leicht umgewandelt werden: Die Kategorie “Beste Verwendung adaptierter oder bereits existierender Musik” könnte Filme ehren, die schon vorhandene Musikstücke perfekt mit ihrem neuen Kontext verschmelzen. Dieses Jahr wäre etwa Clint Mansells Adaption von Tchaikovskys Schwanensee in «Black Swan» ein Anwärter auf den Goldjungen in dieser Kategorie. 2010 währenddessen hätte sicherlich Quentin Tarantino für die originelle und stimmige Verwendung von David Bowie und Ennio Morricone in seinem Weltkriegs-Westernmärchen «Inglourious Basterds» eine Statuette erhalten.
Eine schon mal vorgeschlagene und leider abgelehnte Kategorie, die im Oscar-Lineup eigentlich nicht fehlen dürfte, ist die Ehrung für “Bester Vor- oder Abspann”. Ein origineller und stimmungsvoller Vor- bzw. Abspann kann die Nachhaltigkeit eines Films enorm beeinflussen, und in Zeiten, in denen der Filmnachspann immer häufiger identisch aussehen, ist es umso wichtiger, den lobenswerten Ausnahmen den verdienten Respekt zu zollen. Sicherlich könnten manche einklagen, dass es Jahr für Jahr nur wenige verdiente Nominierte gäbe. Aber drei bis fünf Nominierungen lassen sich für den besten Vor-/Nachspann leicht finden, und mehr Oscar-Material haben die abendfüllenden Trickfilme ebenfalls selten zu bieten.
Allein dieses Jahr wären unter anderem «Enter the Void» (Quentin Tarantinos Lieblings-Credits der jüngeren Filmgeschichte), «Rapunzel», «Die etwas anderen Cops», «Toy Story 3», «Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt» und «Buried» mögliche und verdiente Kandidaten für einen Goldjungen in dieser Kategorie gewesen. Material ist also genug vorhanden, man muss halt nur genauer hinschauen. Zumindest ich fände es dieses Jahr leichter, fünf verdiente Vor-/Abspann-Nominierte zu finden, als aus der Vorauswahl der Academy fünf gute Filmsongs auszusieben.
Gewiss, es wäre eine Herausforderung, eine längere Awardshow dem Publikum schmackhaft zu machen. Allerdings wäre es sicherlich nicht unmöglich, so lange die Laudatoren ihre Arbeit gut erledigen und der Moderator kurzweilige Showelemente einfließen lässt, wie es zum Beispiel Hugh Jackmann tat. Der Quotendruck sollte allein die Moderation und Showplanung betreffen, und keinesfalls die Anzahl der Kategorien.