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Besonders in den 90er Jahren erfreuten sich die Talk-Sendungen großer Beliebtheit. Vorreiter des langjährigen Trends war Hans Meiser mit seiner gleichnamigen Show bei RTL, die im September 1992 startete. Interessanterweise aber begann der Daily Talk in Deutschland anders als heutzutage geglaubt: Meiser diskutierte nicht – wie fast alle seiner Kollegen später – einzig und allein über Vaterschaftstests, Fremdgehen oder Teenie-Mütter, sondern auch über ganz alltägliche, oft sensationslose Themen abseits der sogenannten „Krawallschiene“. Das gesamte Konzept konnte unter dem Stichwort Aufklärung subsumiert werden – es wurde beispielsweise über Obdachlose, Nazis oder Wunderkinder diskutiert. Für die Sendung erhielt Meiser in den Anfangsjahren unter anderem die Goldene Kamera und den Bambi. Doch nachdem die geballte Talkshow-Konkurrenz, die Meiser mit seinem phänomenalen Quotenerfolg selbst auf den Plan gerufen hatte, über brisantere und spannendere Proll-Themen zu diskutieren begann, musste auch er sich umstellen. Nach einigen Jahren also wurde auch «Hans Meiser» zum größtenteils belanglosen Talk ohne Anspruch.
Einem ähnlichen Themenpool wie Meiser zur Anfangszeit folgte Ilona Christen, die ein Jahr nach ihm als zweite RTL-Talkerin auf Sendung ging und insbesondere durch ihre extravaganten Brillengestelle Schlagzeilen machte. Weniger aber durch ihre Talks selber, die sich immer vom Provokations-Niveau der späteren Konkurrenz abhoben. Sie beugte sich – im Gegensatz zu Meiser – nicht der zunehmenden Banalisierung der Daily Talks im Laufe der 90er und ging daher schon 1999 freiwillig vom Sender, obwohl sie noch halbwegs erfolgreich war.
Eine der beliebtesten Talkshows, die das Grundkonzept des Krawalls beherzigten und damit anfangs revolutionierten, war «Bärbel Schäfer». Dieses Format wurde 1995 ebenfalls bei RTL gestartet und bis 2002 über 1500 Mal ausgestrahlt. Kurz vorher startete «Arabella» bei ProSieben, das nicht nur obszöne Themen behandelte, sondern insbesondere auch Extreme der Gesellschaft darstellten – beispielsweise ausgefallene Subkulturen und ihre Vertreter, Fetische oder gesellschaftliche Ansichten. Teil des Konzepts war es dabei von Anfang an, gegensätzliche Meinungen der Gesprächsteilnehmer aufeinander prallen zu lassen. Beziehungsprobleme wurden allerdings zur gleichen Zeit eher bei «Bärbel Schäfer» auf dem Nachbarsender thematisiert. Beide Moderatorinnen, Arabella Kiesbauer und Schäfer, orientierten sich dabei am von Meiser und Christen etablierten Stil und änderten nur Marginales: Kiesbauers Gäste standen am Pult und saßen nicht; Schäfer bewegte sich – anders als die meisten Kollegen – im Publikum und nicht davor.
In Sat.1 wusste man ebenfalls schnell, mit Daily Talks Quote zu machen. «Vera am Mittag» startete 1996 genauso wie «Kerner», der sich zwei Jahre lang nach oben talkte, um dann zum ZDF zu wechseln. Sein Nachfolger wiederum wurde Jörg Pilawa, der allerdings ebenfalls nur zweieinhalb Jahre mittags diskutierte, bevor er am Vorabend mit der «Quiz Show» große Erfolge feiern konnte. Ebenfalls unter das Sat.1-Portfolio fällt «Sonja», die Talkshow mit der heutigen Dschungel-Moderatorin Sonja Zietlow. Konkurrentin auf ihrem Sendeplatz war Birte Karalus bei RTL. All diese Formate verhielten sich thematisch ähnlich und unterschieden sich meist nur durch die Anzahl der medial produzierten Skandale oder Rügungen der Landesmedienanstalten. «Birte Karalus» wurde im Jahr 2000 beendet – dies war der erste Daily Talk, der allein aufgrund schwacher Einschaltquoten vom Sender gehen musste. Ihm folgten einige Jahre später nach und nach fast alle anderen.
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Und dennoch schalten viele Zuschauer um 13.00 Uhr zu Sat.1. Ein Grund dürfte auch darin liegen, vom klassischen Talk-Konzept abgekommen zu sein. Der Inhalt, also die thematische Auswahl, wurde zwar beibehalten, aber die Form der Präsentation wurde verändert: Die Ergebnisse von Lügen-Detektor-Tests wurden beispielsweise effekthascherisch und spannungsgeladen auf Bildschirmen verkündet, Vaterschaftstests wurden von Bodyguards bewacht in Koffern aufbewahrt. Immer wieder spielte «Britt» am Formkonzept, so spielt man auch vor der Sendung aufgezeichnete Gespräche der Moderatorin mit ihren Gästen ein. Vielleicht aber beruht der langjährige Erfolg auch einfach nur auf der Banalität des Realen und Wahren: Immer noch sind die Gäste keine Laienschauspieler oder Darsteller, wie man sie im sonstigen Nachmittagsprogramm findet. Vielleicht weiß der Zuschauer genau dies zu schätzen. Und blickt man auf die aktuellen Quoten von «Britt», so ist kein Ende des Erfolgs abzusehen. Ob es noch einmal zehn Jahre werden?