Jede Woche bespricht unsere Serien-Redaktion die aktuelle Entwicklung einer US-Serie. Was ist gut, was ist schlecht, was ist neu? Und wie sind die Aussichten für den deutschen Zuschauer? Auf Spoiler wird natürlich hingewiesen. Heute: Die neue Actionserie «Nikita»
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Allen drei Produktionen war die Situation der Hauptfigur gemein: Eine junge Frau, je nach Film bzw. Serie unschuldig oder schuldig wegen Mordes zum Tode verurteilt, erhält von einer geheimen Regierungsorganisation eine zweite Chance: Sie bleibt am Leben, muss dafür aber fortan als Auftragskiller agieren. Seit vergangenen Herbst flimmert in den Staaten die vierte Inkarnation unter dem Titel «Nikita» über die Bildschirme, die in diesem Punkt aber einiges anders macht: Nikita, gespielt von Maggie Q, ist nach vielen Jahren der Organisation - "Division" genannt - entflohen und versucht nun, die korrumpierte Einrichtung von außen zu zerstören.
Das ändert den Charakter des Stoffes auf drastische Art und Weise. Konnten die bisherigen Interpretationen Nikitas Zerrissenheit (bzw. die ihres Alter Egos im US-Remake) in den Mittelpunkt stellen, den inneren Konflikt der beiden Grundsätze, niemandem schaden zu wollen, aber selbst zu überleben, so fällt dies bei der neuen Nikita alles weg. Nikita ist frei und wird hauptsächlich von Rache und Unrechtsbewusstsein getrieben. Wer die Serie aus den 90ern sah und mochte wird die psychologische Thematik in der Pilotfolge vermissen, die versucht, die mangelnde Abgründigkeit ihrer Charaktere durch eine gewollt düstere Stimmung auszugleichen. Doch selbst eine Friedhofszenerie im Schneefall macht das nicht wett.
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Leider ist «Nikita», das nach dem Ende von «24» die aktuellen Action- und Thrillerserien der übrigen Broadcaster locker in den Schatten stellt, noch nicht der große Erfolg beim Publikum beschienen. In der bei The CW gern gesehenen Zielgruppe der jungen Frauen war die Serie mehrfach die schwächste Sendung der Woche - und das mit «The Vampire Diaries», der mit Abstand stärksten Serie des Senders, im Vorprogramm. Das fällt auch beim Sender unangenehm auf, der im Herbst ankündigte, die Serie diesbezüglich zu "optimieren". Ob sie dabei wie versprochen ihren Stil bewahrt, bleibt abzuwarten und zu hoffen.
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Der Zweck heiligt die Mittel. Ein Motiv, das die Rekruten der Division verinnerlichen müssen, das die Autoren in der Pilotfolge aber einfach zu sehr auf die Spitze treiben, wenn sie die Verbindung zwischen Nikita und Alex erst in der letzten Szene auflösen. So hängen beide Charaktere 40 Minuten lang regelrecht in der Luft. Nikita arbeitet isoliert und zu Alex bekommt man als Zuschauer keine Bindung. Das ist der Hauptgrund, weshalb die Pilotfolge noch nicht voll überzeugen kann.
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Die packenden Stories überdecken diese kleinen Logikfehler mittlerweile mehr als gut und testen durchaus Grenzen aus. Die auf Empathie angelegte Alex einen Freund, gar eine sich anbahnende Liebesbeziehung, aus der Not heraus erschießen zu lassen, um nicht aufzufliegen, und ihn post mortem als Verräter zu brandmarken, ist mutig. Viele andere Serien hätten hier viel zu viel Angst, jene "Shipper" zu verschrecken, die sich jede Episode aufs neue romantische Entwicklungen für ihr Traumpaar erhoffen.
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Und damit könnte die Serie doch glatt wieder ein wenig in Richtung ihrer Vorgänger rücken, wenn sie sich trotz Optimierungsmaßnahmen und einem angekündigten Love Interest für Nikita selbst treu bleibt. Ohne Verbündete und ohne Möglichkeit zur Flucht wird auch Alex sich immer mehr damit auseinandersetzen müssen, zu einer Person zu werden, die sie eigentlich nicht sein will, ganz wie die früheren Inkarnationen von Nikita. Mit dem Tod von Thom ist der erste Schritt in diese Richtung bereits getan. Für Alex ein Schritt, den sie niemals hätte gehen wollen.