Die Live-Schaltung der «SWR Landesschau» in einen Swingerclub schlägt hohe Wellen. Julian Miller kommentiert.
„Waren Sie schon einmal in einem Swinger-Club?“ Mit dieser persönlichen Frage wurde in der «SWR Landesschau» am 9. Dezember letzten Jahres ein Beitrag anmoderiert, der nun hohe Wellen schlägt. Denn es folgte eine Live-Schaltung in einen Swingerclub, in dem man laut der Reporterin „alle möglichen Möglichkeiten“ habe. Nach einer kurzen Einführung befragte sie ein maskiertes Ehepaar, Stammgäste des Etablissements, deren Vermummung einen zunächst an die Folterphotos aus Abu Ghuraib erinnerte: „Wie war denn das erste Mal?“ Und äußerst interessiert: „Ist das denn wie beim Porno?“ Nicht ohne am Schluss noch auf „spezielle Themenabende“, vor allem für ein jüngeres Publikum, hinzuweisen. Ein investigativer Journalismus, dessen sich wohl sogar RTL schämen würde. Bildungsauftrag live im einundzwangisten Jahrhundert.
In der Geschäftsleitungssitzung des Südwestrundfunks herrschte am darauf folgenden Montag laut SPIEGEL jedenfalls „blankes Entsetzen“. Die rheinland-pfälzische Landessenderdirektorin des SWR, Simone Sanftenberg, soll den Beitrag als katastrophal und „völlig inakzeptabel“ bezeichnet haben und SWR-Intendant Peter Boudgoust, dessen Auffassung es ja bekanntermaßen ist, dass die ARD unabdingbar sei, weil sie Programm fürs Publikum macht, soll ähnlicher Meinung gewesen sein. Jetzt wissen wir also, wie das aussieht.
Das kommt wohl dabei heraus, wenn sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen durch eine Programmreform mehr zur „Mitte der Gesellschaft“ hinwenden will. Zu Gute halten muss man dem SWR jedoch, dass man den Fehler immerhin recht schnell eingesehen und den betreffenden Beitrag mittlerweile aus der Online-Mediathek und von YouTube entfernt hat. Auch wenn der Öffentlichkeit damit der Zugang zu einem herrlich bizarren Stück Fernsehgeschichte entgeht. Dennoch: Wenn sich die ARD das Ziel setzt, nicht jedes „Niveaulimbo“ des Privatfernsehens mitzumachen und hochrangige ARD-Mitarbeiter dann auch vor deftigen verbalen Seitenhieben auf RTL nicht zurückschrecken, muss man derartige Blamagen konsequent verhindern. Denn im Moment sieht es sehr danach aus, dass die ARD an ihren selbst gesetzten qualitativen Zielen massiv scheitert. So viel also zu Banal und Anal, Herr Herres.
Mit 360 Grad schließt sich auch nächsten Freitag wieder der Kreis.